FRANKFURT - Mindsphere Siemens, Bosch IoT Suite, SAP Leonardo, Comulocity, Adamos oder IBM Watson – für die Digitalisierung der Industrie sprießen immer mehr Internet-Plattformen auf den Markt. Für Verbraucher gehören Plattformen wie Amazon, Youtube oder Ebay längst zum Alltag. Trotzdem stehen Unternehmen in Deutschland digitalen Plattformen skeptisch gegenüber. Jedes fünfte Unternehmen misst den Plattformen laut einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom keine Bedeutung für das eigene Geschäft zu. Plattformen sind der Schwerpunkt des Digital-Gipfels der Bundesregierung in der nächsten Woche in Dortmund.
„Manager, die heute noch glauben, dass die Plattform-Ökonomie keine Auswirkungen auf ihr Unternehmen hat, müssen aufwachen“, betonte Bitkom-Präsident Achim Berg, der auf dem Digital-Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutieren wird. Der ehemalige Deutschland-Geschäftsführer von Microsoft kann sich keine Branche vorstellen, in der Plattformen nicht eine Branche umkrempeln könnten. So sei beispielsweise eine Schüttgut-App entwickelt worden, mit der wenig später in den ersten Regionen Bauunternehmer, Baustofflieferanten und Spediteure den Handel und Transport von Schüttgut abwickelten.
Schüttflix-Umsatzpotenzial von 50 Milliarden Euro
„Schüttflix“ habe in kürzester Zeit eine technische Infrastruktur aufgebaut, die skalierbar ist, um einen Markt mit einem Umsatzpotenzial von rund 50 Milliarden Euro angehen zu können, prahlen die Gründer. Sie wollen die Plattform Schritt um Schritt in Deutschland etablieren.
Bundesweit nutzen nach der Bitkom-Umfrage etwas weniger als die Hälfte der Unternehmen Plattformen für das Angebot eigener Produkte. Nur jeweils fünf Prozent aller Unternehmen geben an, dass sie selbst eine Plattform betreiben. Einer von ihnen ist beispielsweise der Wiesbadener Gründer Dominik Benner. Über seine Plattform Schuh24 verkaufen mittlerweile rund 1000 Filialen von Schuhhändlern ihre Produkte. Mit Outfits24 ist die nächste Plattform bereits online gegangen.
„Monopolbildung ist ein Märchen“
Für Bitkom-Präsident Berg ist die Behauptung, dass Plattformen zwingend zu Monopolen führen, ein „Märchen“. Dafür gebe es viel zu viele Plattformen, die sich auf Regionen oder Branchen wie Reisen, Musik, Verkehr, Finanzen oder Mode konzentrierten. Trotzdem zeigt die Umfrage die Sorgen der Unternehmen. Plattformen erschwerten den Marktzugang neuer Wettbewerber, erhöhten den Preisdruck und führten zum Verlust der direkten Kontakte zum Kunden, lauten die gängigen Urteile.
Eine große Mehrheit der Unternehmen (84 Prozent) fordert, dass die Politik den Aufbau deutscher und europäischer Plattformen fördern sollte. Der Präsident des Digitalverbands sieht die Verantwortung zuerst bei den Unternehmen: „Die Wirtschaft muss sich bewegen.“ Die Politik müsse nur für einen Rechtsrahmen sorgen, der neue plattformbasierte Geschäftsmodelle fördert, und nicht erschwert.