Mainz: Biontech AG wächst rasant weiter / Millionenschwere Kooperation mit Pfizer
Zum Start 2008 hatte die Mainzer Biontech AG ein Handvoll Mitarbeiter. 2019 wird die Beschäftigtenzahl wahrscheinlich auf deutlich jenseits der 800 wachsen. Der US-Pharmakonzern Pfizer macht für eine Kooperation mit dem Spezialisten für individualisierte Immuntherapie jetzt hunderte Millionen Euro locker. Das Ziel sind neuartige Grippeimpfstoffe.
Von Ralf Heidenreich
Leiter Redaktion Wirtschaft
Ein Blick ins Labor der Biontech AG, die sich auf die individualisierte Immuntherapie spezialisiert hat. Archivfoto: Biontech/Georg Banek
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MAINZ - Es begann vor zehn Jahren mit einer Handvoll Mitarbeiter. Prof. Ugur Sahin und Prof. Christoph Huber gründeten nach vielen Jahren intensiver Forschung das Unternehmen Biontech aus der Mainzer Universitätsmedizin aus. Heute beherbergt das Rhein-Main-Gebiet mit Biontech das nach eigenen Angaben „größte nicht börsennotierte biopharmazeutische Unternehmen Europas“. Auch ohne diese Einschränkung gehört Biontech mittlerweile zu den großen Playern; das gilt vor allem für die Immuntherapie.
Und die Mainzer Firma wächst rasant weiter. In diesem Jahr soll die Mitarbeiterzahl nach Angaben des Vertriebschefs Sean Marett von zuletzt 750 (davon rund 450 in Mainz) auf „mindestens 800“ steigen. Für 2019 will man sich zwar noch nicht festlegen, aber mit einer Zahl deutlich jenseits der 800 dürfte zu rechnen sein. Standorte gibt es darüber hinaus in Idar-Oberstein und in Berlin. Investiert wird auch kräftig, laut Marett in den nächsten Jahren ein dreistelliger Millionenbetrag. Biontech ist Spezialist für individualisierte Immuntherapie vor allem bei Krebs. Ein ungeheuer dynamisches Feld. Das Umsatzvolumen von immuntherapeutischen Anwendungen beziffern Experten über alle Bereiche hinweg in den kommenden zehn Jahren weltweit auf bis zu 35 Milliarden US-Dollar „Wir müssen schnell sein“, sagt Marett, „sonst werden wir von den Wettbewerbern überholt“. Und die sitzen vor allem in den USA.
Biontech hat nicht weniger vor, als einen Impfstoff gegen Krebs zu entwickeln. Ein Impfstoff mit so genannter Boten-RNA, der anhand der Erbgut-Information der Krebszellen synthetisch hergestellt wird und das Immunsystem so stimulieren soll, dass die jeweiligen Krebszellen ganz gezielt angegriffen und zerstört werden.
GEMEINSAM MIT PFIZER
In der neuen und millionenschweren Kooperation mit Pfizer bei Grippeimpfstoffen ist Biontech für die Durchführung einer ersten klinischen Humanstudie zuständig. Ist diese abgeschlossen, wird der US-Konzern die alleinige Verantwortung für die weitere klinische Entwicklung übernehmen und die Präparate auf den Markt bringen.
Biontech gehört in diesem Bereich zu den führenden Playern. Entsprechend suchen Pharmakonzerne die Kooperation. Sanofi, Roche, Bayer oder Eli Lilly setzen bereits auf das hohe Know-how von Biontech und machen dafür viele Millionen locker. Jetzt ist ein Großauftrag eines weiteren Schwergewichts hinzugekommen.
Pfizer macht hunderte Millionen Euro locker
Biontech teilte am Donnerstag mit, dass es mit dem US-Konzern Pfizer eine mehrjährige „Forschungs- und Entwicklungskooperation“ eingegangen ist. Biontech erhält von Pfizer zunächst einmal 120 Millionen US-Dollar (rund 105 Millionen Euro) unter anderem für „zeitnahe Forschung“.
Läuft alles glatt, sollen noch weitere „Meilensteinzahlungen“ von bis zu 305 Millionen Dollar hinzukommen. Wenn die Therapie schließlich auf den Markt kommt, wird Biontech „im zweistelligen Prozentbereich“ an den Umsätzen beteiligt. Der neue Vertrag kann zwar nicht an die Kooperation mit Genentech, einer US-Biotechnologie-Tochter des Schweizer Konzerns Hoffmann-La Roche, heranreichen. 2016 vereinbarte Biontech mit Genentech eine „Vertragsabschluss- und kurzfristige Meilensteinzahlung“ in Höhe von 310 Millionen US-Dollar, an den weiteren Kosten und eventuellen Gewinnen wären die Mainzer mit 50 Prozent beteiligt.
Dennoch sei die Vereinbarung mit Pfizer ein „weiterer wichtiger Schritt“ für das Unternehmen, so Biontech-Chef Sahin. Auch deshalb, weil man mit der Kooperation in die Entwicklung neuartiger Grippeimpfstoffe für Menschen einsteigt, die ebenfalls auf dem Prinzip der Boten-RNA basieren. Grippeimpfstoffe mit Boten-RNA seien kostengünstiger und besser wirksam als aktuelle Präparate, erläutert das Unternehmen. Außerdem könne man sie wesentlich schneller herstellen und so drohende Grippe-Epidemien schneller bekämpfen.