Zahnersatz für Kassenpatienten bald nicht mehr bezahlbar?

Gesundheitskarten verschiedener Krankenkassen liegen auf einem Tisch. Foto: Jens Kalaene/ZB/dpa

Zahntechniker senden dramatische Hilferufe an Kassen und Politik. Sie sehen die Versorgung der Patienten mit von Kassen bezuschusstem Zahnersatz massiv gefährdet. Woran das liegt.

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FRANKFURT/MAINZ. Jeder braucht sie im Laufe seines Lebens: Zahntechniker. Sie fertigen Kronen, Brücken, Implantate sowie Teil- und Vollprothesen. Doch dieses wichtige Handwerk steht enorm unter Druck. Nach Informationen dieser Zeitung hat sich die Lage derart zugespitzt, dass die Betriebe nun dramatische Hilferufe an Krankenkassen und Politik senden. Werden diese Hilferufe nicht erhört, sieht die Zunft nicht nur Tausende Betriebe mit Zehntausenden Beschäftigten vor der Schließung, sondern auch die gewohnte Versorgung von Kassenpatienten vor dem Aus. Patienten, die sich ohne die Zuschüsse der Krankenkassen Zahnersatz nicht leisten können.

Wie dramatisch ist die Lage bereits?

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Das Zahntechniker-Handwerk stehe „unmittelbar davor, Regelversorgungen oder gleichartige Versorgungen mit nur wenigen (privaten, Anmerkung der Redaktion) Mehrleistungen nicht mehr fertigen zu können“, heißt es in einem Schreiben der Zahntechniker-Innung Rheinland-Pfalz an die Krankenkassen und die Ministerien Wirtschaft und Gesundheit des Bundeslandes. Es ist mit „Drohender Exitus“ überschrieben. Für Aufträge auf Basis von Kassenleistungen ließe sich dann „kein oder nur äußerst schwer“ ein Betrieb finden.

Lage in Rheinland-Pfalz exemplarisch für Deutschland

Die Lage in Rheinland-Pfalz steht nach Darstellung von Landesinnungsmeister Manfred Heckens exemplarisch für ganz Deutschland: „Auch bundesweit ist die Existenz vieler Betriebe bedroht“, würden Privatpatienten privilegiert. Die von Südhessen bis Mittelhessen zuständige Zahntechniker-Innung Rhein-Main bestätigt die Dramatik der Lage. „Ich würde den Kollegen in Rheinland-Pfalz nicht widersprechen“, sagt Obermeister Horst-Dieter Deusser. „Es stellt sich die Frage: Bekommen Kassenpatienten im Herbst ihre Prothese noch repariert oder nicht?“

Die hessische Innung hat in einem Brandbrief an die im Landtag vertretenen Parteien um Unterstützung gebeten. Ohne Erfolg. „Die Beitragsstabilität ist offenbar wichtiger als die Zahntechniker und die Versorgung der Kassenpatienten“, sagt Deusser. Die „nicht kompensierbaren Kostensteigerungen“ bedrohten die Betriebe in ihrer Existenz, heißt es in dem Brief. In Hessen gibt es rund 350 Betriebe mit mehr als 4000 Beschäftigten, in Rheinland-Pfalz knappe 300 mit circa 3500 Mitarbeitern.

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Was sind die Gründe dafür?

Den Zahntechnikern galoppieren die Preise für Rohstoffe und Vorprodukte davon. So ist laut Deusser der Strahlsand mehr als doppelt so teuer geworden, flattern nach Angaben von Heckens den Betrieben insbesondere wegen der explodierenden Energiekosten für wichtige Rohstoffe wie Gipse, Silikone, Kunststoffe, Einbettmassen, Dentalwachse oder Edelkorund (Aluminiumoxid) Preiserhöhungen von zehn bis 50 Prozent auf den Tisch. Hinzu komme die Mindestlohnerhöhung um 22 Prozent auf zwölf Euro pro Stunde zum 1. Oktober.

Betriebe können Mehrkosten nicht weitergeben

Das Problem: Aufgrund des engen gesetzlichen Korsetts können die Betriebe diese Mehrkosten nicht einfach weitergeben. Sie können nur Preise verlangen, die nach einem in Paragraf 71 des Sozialgesetzbuches V festgelegten Prozedere bestimmt werden. So hatte der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen für 2022 angeboten, die Preise um 2,29 Prozent zu erhöhen. Wirkliche Verhandlungen sieht das Gesetz nicht vor. Heißt: Der Verband Deutscher Zahntechnikerinnungen (VDZI) habe das Angebot wohl oder übel annehmen müssen, steht im Schreiben der Innung Rheinland-Pfalz. Entsprechend wurden die Preise am 1. Januar 2022 so angehoben.

Welche Forderungen stellen die Zahntechniker?

Die Zahntechniker fordern daher: Die Kassen müssten den Sozialgesetzgeber auffordern, „die Regelungen des Sozialgesetzbuches so zu flexibilisieren, dass die Vergütungen sich stets an der tatsächlichen Kosten- und Wirtschaftsentwicklung orientieren müssen“. Darüber hinaus müsse das Handwerk aus der „destruktiven Bindung“ des Paragrafen 71 herausgenommen werden. Beide Maßnahmen seien „unverzüglich“ zu ergreifen.