Wann muss die Versicherung Gastronomen beispringen?

Das Coronavirus ist nicht nur ein Fall für Mediziner, auch Gerichte und Versicherungen sind gefragt. Foto: Crocothery/stock.adobe

Muss ein Gastronomiebetrieb wegen Corona vorübergehend dichtmachen, kann das ein Fall für die Versicherung an. Dabei kommt es aber auf Details der Verträge an

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SÜDHESSEN. Die Ablehnung von Versicherungsunternehmen, aufgrund coronabedingter Betriebsschließungen einzuspringen, schlägt hohe Wellen. Nun sind beim Landgericht Osnabrück die ersten Klagen eingegangen. Es handelt sich um zwei Betreiber von Restaurants und um eine Betreibergesellschaft eines Hotels. Alle drei besitzen sogenannte Betriebsausfallversicherungen, deren Versicherungsschutz – nach Auffassung der Gastronomen – auch eine Schließung zur Verhinderung meldepflichtiger Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz umfasst. Die Versicherungen verneinen das. Unter anderem argumentierten sie, der Versicherungsschutz erstrecke sich nicht auf Maßnahmen aufgrund der Covid-19-Pandemie. Der Erreger Sars-CoV-2 sei bei Abschluss des Versicherungsvertrages unbekannt und deshalb im Infektionsschutzgesetz nicht aufgeführt gewesen – und deswegen auch nicht versichert. Nur wenn von einem Hotel oder Restaurant konkret eine Infektionsgefahr ausgehe, bestehe Leistungspflicht. Allgemeine Seuchenschutzmaßnahmen seien nicht erfasst.

Die Betreiber sehen das anders und machen geltend, dass der Versicherungsfall durch die öffentlich bekannte Schließung aller Gaststätten in Deutschland ab Mitte März aufgrund der Covid-19-Pandemie hinreichend belegt ist. Schließlich verweisen die Versicherungsbedingungen auf „sämtliche Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz“. Das umfasse auch Maßnahmen wegen nicht namentlich genannter Erreger. Die Argumentation der Beteiligten gleicht der im Fall der Burg Frankenstein (siehe Artikel oben). Es bleibt abzuwarten, was die Klagen bringen.

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Versicherungen: Zum einen die Betriebsunterbrechungsversicherung (BUV), eine Sachversicherung. Leistungen erhält der Versicherungsnehmer, wenn eine versicherte Gefahr Schäden an Betriebsmitteln verursacht, die dann zur Betriebsunterbrechung führen. Versichert sind Schäden zum Beispiel durch Feuer, Leitungswasser, Blitz oder Einbruchdiebstahl. Diese Versicherung hilft den durch die Coronakrise gebeutelten Betriebsinhabern nicht weiter, da die im März verordneten Betriebsschließungen nicht versichert sind.

Versicherungsschutz kann aber dann bestehen, wenn zusätzlich zur klassischen Betriebsunterbrechungsversicherung auch eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen worden ist. Diese ist als Zusatzbaustein bei vielen Versicherern erhältlich und bietet – je nach Formulierung der Bedingungen – eigentlich auch in der jetzigen Situation Versicherungsschutz. Voraussetzung: Die Bedingungen umfassen Betriebsunterbrechungen infolge von Infektionskrankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz. Die Krux besteht darin, dass Versicherer – wie die nun vor den Kadi gezogenen – nur Schutz für die Krankheiten und Erreger gewähren, die im Infektionsschutzgesetz erwähnt werden. Und da Covid-19 ein neuer Erreger ist (und erst seit Ende Januar meldepflichtig), verweigern sich viele Versicherer.

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Gegen diese Auslegung spricht die eigentliche Zielsetzung des Infektionsschutzgesetzes. Das wurde geschaffen, um den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern und soll dazu führen, dass bekannte und neue Infektionskrankheiten frühzeitig erkannt und bekämpft werden können. Es gibt eine Erläuterung zum Infektionsschutzgesetz, wonach die Liste der Krankheitserreger nicht abschließend ist – also auch neue, nicht aufgeführte Krankheitserreger umfasst. Deswegen ist die Formulierung im jeweiligen Vertrag genau zu prüfen.

Bisher standen Pandemien und die Folgen nicht im Fokus der Versicherer. Deren Rückstellungen und Rückversicherungskonzepte sind darauf nicht ausgelegt. Eine pauschale Ablehnung des Versicherers sollten Betroffene nicht hinnehmen, sondern vielmehr einen Anwalt konsultieren.

Von Maik Heitmann