Sie soll helfen, Heißsporne abzukühlen – die Zeitstrafe. Doch viele Trainer und Spieler sehen die Wiedereinführung der Regel nach über 30 Jahren im Männerfußball eher skeptisch.
Von Martin Imruck
Freier Mitarbeiter
Vielleicht brauchen die Schiedsrichter in Zukunft eine weitere Uhr, um die Zeit von Spielern auf der Strafbank zu messen.
(Archivfoto: creativstudio)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
WORMS - Sein letztes A-Jugend-Jahr hat Tino Häuser noch sehr gut in Erinnerung. Aber nicht, weil der durchschlagende Erfolg von damals sich bis heute im Gedächtnis des 52-Jährigen eingebrannt hat. Nein, der Anlass dafür ist viel aktueller: Denn beim digitalen Verbandstag am vergangenen Samstag stimmten mehr als 60 Prozent der teilnehmenden Vereine aus dem Südwesten für einen Antrag des TuS Rötsweiler-Nockenthal. Der Klub aus dem Kreis Birkenfeld hatte das Präsidium des Südwestdeutschen Fußballbverbands (SWFV) darin dazu aufgefordert, beim DFB darauf hinzuwirken, die Zeitstrafe wieder im Spielbetrieb der Männer und Frauen einzuführen. „Und ich bin in der glücklichen Lage, dass ich die 10 Minuten damals in der A-Jugend noch selbst genießen konnte“, kann Tino Häuser sich bei der Erinnerung das Lächeln nicht verkneifen.
„Ich weiß nicht, wie sie jetzt wieder darauf kommen, aber ich hätte nie gedacht, dass das Thema noch mal aufkommt“, sagt der frühere Trainer der SG RWO Alzey, der aktuell die SG Pfaffen-Schwabenheim/Bosenheim in der Bezirksliga Nahe coacht. In den Landesverbänden Hessen und Brandenburg wird eine einmalige Zeitstrafe von zehn Minuten im Aktivenbereich bereits als Pilotprojekt umgesetzt, der SWFV könnte nun folgen. Bislang wird das hierzulande nur im Jugendbereich praktiziert. Seit der Saison 2017/18 müssen die Nachwuchskicker dann für fünf Minuten vom Feld. „Das Einzige, wofür das auch bei uns gut sein könnte, ist, um einen richtigen Heißsporn mal eine Auszeit zu geben, damit er draußen wieder etwas runterfahren kann“, hält sich Häusers Euphorie diesbezüglich doch eher in Grenzen. „Ich denke, vor allem für die Schiedsrichter wird es dadurch nicht einfach. Wir alle kennen die Leute draußen an der Linie und die Zuschauer, wie kritisch sie sind“, sagt der 52-Jährige.
Auf die Umsetzung kommt es auch für Kevin Boos an. „In gewissen Situationen kann das sicher gut sein“, sagt der Trainer des VfL Gundersheim. „Ich glaube es kann nicht schaden, da einfach mal eine gewisse Zeit lang Erfahrungen zu sammeln und dann neu zu entscheiden“, sagt der 28-Jährige. Anderer Meinung ist da Peter Eicke, Trainer des FC Germania Eich: „Ich halte davon nichts“, sieht Eicke in der klaren Regelung die Schwierigkeit. „Wie soll das umgesetzt werden, welche Vergehen sind zu bestrafen und welche nicht?“, fragt sich der 51-Jährige. „Letztendlich wird der Schiedsrichter in der Kritik stehen und der Fußball verkompliziert“, sagt Eicke. Markus Rehbein versteht derweil die Welt nicht mehr. Da erdreistet sich der Reporter doch, den ehemaligen NLZ-Trainer des FSV Mainz 05 mitten im Restart auf das Thema Zeitstrafe anzusprechen. „Ganz ehrlich: Ich habe keine Lust, mich über Strafen zu unterhalten“, sagt der Coach der SG Monzingen/Meddersheim. Viel wichtiger sei doch die Wiedersehensfreude, die auf allen Sportanlagen in den vergangenen Wochen überwog: „Das ist mein hundertprozentiger Ernst. Wir waren doch alle richtig ausgehungert, uns zu sehen, zu kicken und Spaß zu haben“, sei die wahre Gefahr doch gewesen, dass durch die lange Zwangspause der Kontakt verloren geht. Deshalb steht für den 56-Jährigen eines ganz klar im Vordergrund: „Dass wir uns einfach nur über Fußball unterhalten und nicht über Strafen.“
Für eine gute Sache hält Steffen Herzberger die Zeitstrafe: „Jede Mannschaft hat doch seine Hitzeblitze, mit denen gerne mal die Emotionen durchgehen“, so der Trainer der TSG Hechtsheim, der in der Unterzahl nicht zwingend einen Nachteil sieht: „Plötzlich macht jeder Spieler etwas mehr und es fällt kaum auf.“ Schiedsrichter und Trainer Lukas Sudowe vom TSV Ebersheim ist eher für das Pilotprojekt, als dagegen: „Ich bin grundsätzlich ein Fan davon, jemandem eine zweite Chance zu geben. Aber ob es im Herrenbereich funktioniert und sich der Mehraufwand für uns Schiedsrichter umsetzen lässt, ist schwer zu sagen.“ Ein schmaler Grat, da sind sich alle Beteiligten einig. Argumente gibt es wie so oft für und wider, doch mindestens für einen Testlauf wird das Pilotprojekt wohl den Zuschlag bekommen. Hernach wird sich zeigen, ob die zehn Minuten Zeitstrafe im Aktiven-Fußball eine Zukunft hat oder nicht.