Selbstversuch: Fliegen in Zeiten der Pandemie

Ein Flugzeug wird desinfiziert. Foto: daniilvolkov - stock.adobe
© daniilvolkov - stock.adobe

Masken, QR-Codes, Fieberkontrollen: Reisen fühlt sich coronabedingt nicht mehr an wie gewohnt. Unser Autor hat es auf einem Flug auf die Kanaren getestet.

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. Nach vier Monaten Corona-Pause endlich wieder reisen! Das lässt selbst einen langjährigen Reisejournalisten nicht kalt. Es geht nach Spanien, in ein Urlaubsland, das von der Pandemie mit am härtesten betroffen war und den wohl striktesten Lockdown verhängt hatte. Eingeladen haben die Kanarischen Inseln in Zusammenarbeit mit der Welttourismusorganisation UNWTO. Der Flugverkehr ist wieder aufgenommen. Gespannt bin ich, wie es sich mit Maske fliegt und welche Vorkehrungen gegen Covid-19 getroffen werden. Wegen des Sonderfluges, den die UNWTO organisiert hat, ist die Reiseroute ungewöhnlich. Von Frankfurt geht es nach Madrid, weiter nach Gran Canaria und Lanzarote und retour via Gran Canaria und Teneriffa-Süd nach Frankfurt. Eine gute Gelegenheit, die Pandemie-Sicherheitsvorkehrungen unter die Lupe zu nehmen.

Das Ein- und Aussteigen dauert länger als sonst. Denn auch dabei gilt: Abstand halten. Foto: Christian Boergen
Die Kabinenluft wird laut Airlines zweimal pro Minute ausgetauscht. Das gilt nach der Ansicht vieler Virologen aber nur, wenn alle Luftdüsen geöffnet sind. Foto: Christian Boergen
Kontrolle am Flughafen von Gran Canaria: Thermoscanner sollen erkennen, ob ein Passagier Fieber hat. Foto: Christian Boergen

Apps und Formulare

Alles ist eine Momentaufnahme, Abläufe und Apps werden wohl fortlaufend verbessert. Noch vor der Abreise muss das spanische Gesundheitsformular ausgefüllt werden. Dafür gibt es drei kostenfreie Optionen: online, per App sowie für eine Übergangszeit auch mit einem Papierformular. Anzugeben sind Name, Ausweisnummer, Geschlecht, Flug, Sitznummer sowie das Ankunftsdatum. Neben der eigenen Adresse und der des ersten Hotels müssen auch Telefonnummern und E-Mail-Adresse sowie ein Notfallkontakt eingetragen werden. Hatten Sie Kontakt zu Infizierten oder Covid-19-Symptome während der vergangenen 14 Tage, auch bei Familie und Bekannten, waren Sie in Risikogebieten? Jede „Ja“-Antwort hat eine 14-tägige Quarantänepflicht zur Folge.

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Ich versuche es online. Doch nach der ersten Formularseite ist Schluss. Schade, dass keine Fehlermeldung erkennen lässt, wo das Problem liegt. Eine Mitreisende hat die App installiert, also lade ich sie herunter und versuche mein Glück. Die App erklärt gleich zwei meiner E-Mail-Adressen für ungültig. Ich gebe es auf und lade das Papierformular herunter. Später erfahre ich, dass Mitreisende trotz der Meldung einer ungültigen E-Mail-Adresse mit „weiter“ und zusätzlichen Eingaben den QR-Code für die Einreise ergattert haben.

Der Abstand wird eingehalten

Der Frankfurter Flughafen ist viel leerer als gewohnt. Fast alle tragen Masken. Höflich, aber bestimmt fordern Airport-Mitarbeiter Maskenmuffel auf, den Mund-Nasen-Schutz wie vorgeschrieben zu tragen. Bei der Sicherheitskontrolle muss der kurz abgenommen und von innen vorgezeigt werden, sonst ist alles wie immer. Am Gate ist jeder zweite Sitz mit einer grünen Banderole gesperrt. Der Sicherheitsabstand wird weitgehend eingehalten. Eine Mutter und ihre Töchter tragen Plexiglasvisiere über der Maske. Ein Berliner hat den Sicherheitscode für die spanische App nicht empfangen. Er beginnt von vorne.

Beim Einsteigen beruhigt ein Lufthansa-Flugbegleiter Passagiere, dass die Kabinenluft zweimal pro Minute komplett ausgetauscht werde. Das trifft nach dem Urteil vieler Virologen allerdings nur zu, wenn alle Luftdüsen aufgedreht sind. Ich bin überrascht, dass alle zugedreht sind und es dazu keine Durchsage gibt. Wenige Passagiere folgen in der vollen Maschine meinem Beispiel und öffnen die Düse über sich. Snacks gibt es, coronabedingt, keine. Anders als in der Buchungsbestätigung angegeben, werden aber Kaffee, Tee und Alkoholika an Bord ausgeschenkt. Wer es noch nicht ausgefüllt hat, erhält das Gesundheitsformular wahlweise auf Englisch oder Spanisch. Ausgestiegen wird mit einem Sicherheitsabstand nacheinander, jeweils nur drei Sitzreihen.

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Am Madrider Flughafen streikt die Software für den QR-Code. Also müssen dessen Besitzer Papierformulare ausfüllen. Kurios: Das Flughafen-Personal sammelt vor laufenden Rolltreppen alle Formulare ein, ohne zu kontrollieren, ob jemand in Quarantäne gehört. Angeblich sind allerdings die gläsernen Sicherheitsschleusen mit Thermoscannern ausgestattet und können von Fieberpatienten nicht passiert werden. Im Bus und im Hotel sind die „Mascarilla“ und das Desinfizieren der Hände wie im Flugzeug Pflicht. Nur bei ausreichendem Abstand, beim Essen, Trinken sowie auf dem Zimmer darf die Maske abgesetzt werden.

Als besonderer Service wird uns ein Corona-Test mit Blutprobe und Nasenabstrich angeboten. Mein Handy akzeptiert allerdings die HiCard-App nicht, mit deren Hilfe das Resultat für maximal 72 Stunden als QR-Code gespeichert werden kann. Auch eine freundliche Repräsentantin des Unternehmens, das diesen Service für weitere Länder anbieten will, kann nicht helfen. Zudem müssen Vorder- und Rückseite des Reisepasses fotografiert und viele weitere, sensible Daten eingegeben werden. Also füllen die Ärztinnen ein Computerformular aus und versichern mir, dass ich das Ergebnis per Mail erhalte. Per Unterschrift verpflichte ich mich im Falle eines positiven Tests zur Quarantäne. Die E-Mail kommt binnen 24 Stunden, enthält aber nur ein Passwort und die Aufforderung zum Installieren der „MiSalud“-App. Nachdem ich bereits Stunden mit Formularen und Apps verbracht habe, verzichte ich. Spaniens Gesundheitsbehörde hätte sich bei einem positiven Test längst gemeldet.

Goodie-Bag mit Mundschutz

In ihrer Boeing B-757-200 serviert die spanische Charterfluggesellschaft Privilege Style mit der Begründung „So wenig Kundenkontakt wie möglich“ ausschließlich stilles Wasser, Säfte und Softdrinks. Passagiere werden gebeten, Platz zu behalten, bis ein WC frei ist. In Hotels sowie auf Ausflugsbooten markieren Pfeile möglichst begegnungsfreie Laufwege. Auf dem Katamaran der Lineas Romero nach La Graciosa ist sogar eine Quarantänezone markiert. In manchen Lokalen gelten die 1,50 Meter Sicherheitsabstand selbst bei Tisch. Die Luxusherberge Santa Catalina auf Gran Canaria verteilt an Hausgäste eigens Tüten mit Mund-Nasen-Schutz, Handschuhen, Desinfektionsgel und Taschentüchern. Im Restaurant dürfen nur zwei Personen pro Tisch Platz nehmen. Fast alle Speisekarten können ausschließlich per QR-Code gelesen werden. Speisen und Getränke servieren Kellner mit Mund-Nasen-Schutz und Handschuhen. Viele Hotels arbeiten mit einem persönlichen, reichhaltigen Frühstückssortiment pro Gast. Das bedeutet auch: viel Verpackungsmüll.

Auf den Anzeigetafeln der internationalen Flughäfen erscheinen bereits wieder zahlreiche Airports im deutschsprachigen Raum. Yaiza Castilla, Tourismusministerin der Kanarischen Inseln, rechnet für Juli mit 350 000 Flugsitzen insgesamt. Einschließlich der Inlandsflüge entspräche dies 30 Prozent der Kapazität im Vorjahresmonat.

Tui Fly pendelt schon wieder nach Fuerteventura, Gran Canaria und Teneriffa-Süd. Dort ertönt die Ansage zur Maskenpflicht auch in deutscher Sprache, ergänzt um: „Halten Sie den Sicherheitsabstand ein, während Sie auf Ihr Gepäck warten.“ Lediglich ein Duty-Free-Shop, eine Bar, ein Supermarkt und eine WC-Anlage sind im Abflugbereich geöffnet. Im rappelvollen Condor-Airbus A321 nach Frankfurt sind die Luftdüsen wieder zugedreht. Der Chef des Kabinenpersonals bedauert, dass vorbestelltes warmes Essen nicht serviert werden kann. Als „abgespeckten Service“ offeriert er ein süßes Snack-Paket mit Brownie und Fruchtjoghurt-Müsli für 6,50 Euro sowie Wasser für 1,50 Euro. Akzeptiert wird ausschließlich Kartenzahlung. Krönender Abschluss ist die Durchsage des Pursers zum Bordverkauf: Verkauft werden aktuell, so komisch das unter diesen Umständen klingen mag, nur Zigaretten. Die Raucher wird es freuen.

Von Christian Boergen