Samstag,
24.10.2015 - 01:00
5 min
In Wien blüht die Wein-Szene auf
Von Andrea Tapper
INFORMATIONEN
Unterkunft: Zentral gelegen, mit fantastischem Blick über die Stadt und gläsernem Weinkeller, Sofitel Vienna Stephansdom, neues Spitzenrestaurant „Das Loft“ im 18. Stock, ab circa 250 Euro / DZ mit Frühstück, www.sofitel.com. Hotel Rathaus Wein & Design, kleines City-Hotel; jedes der 40 Zimmer ist einem heimischen Top-Winzer gewidmet, dessen Tropfen in der Minibar stehen, ab 80 Euro, www.hotel-rathaus-wien.at.
Weinläden und Heurige: Weingut Wieninger, Öko-Winzer mit benachbartem Heurigen, Verkostungen und Kellerführungen, www.wieninger.at. Christ, modernes Weingut mit 400-jähriger Tradition. www.weingut-christ.at. Mayer am Pfarrplatz, hier trank schon Beethoven ein gutes Gläschen Wein, www.pfarrplatz.at.
Sightseeing: Zuckerlwerkstatt, Bonbonmanufaktur, www.zuckerlwerkstatt.at. Wiener Sinnestour, 3-Stunden–Bummel über Wiens Wochenmärkte mit Verkostungen, mit Food Expertinnen, www.wienersinnestour.com. Kunsthaus Wien heißt jetzt das ehemalige Hundertwasser-Haus, www.kunsthauswien.com.
Auskunft: Über Wein-Events informiert wienerwein.at. Reisetipps: Offizielle Seite von Wien Tourismus www.wien.info.
Weinläden und Heurige: Weingut Wieninger, Öko-Winzer mit benachbartem Heurigen, Verkostungen und Kellerführungen, www.wieninger.at. Christ, modernes Weingut mit 400-jähriger Tradition. www.weingut-christ.at. Mayer am Pfarrplatz, hier trank schon Beethoven ein gutes Gläschen Wein, www.pfarrplatz.at.
Sightseeing: Zuckerlwerkstatt, Bonbonmanufaktur, www.zuckerlwerkstatt.at. Wiener Sinnestour, 3-Stunden–Bummel über Wiens Wochenmärkte mit Verkostungen, mit Food Expertinnen, www.wienersinnestour.com. Kunsthaus Wien heißt jetzt das ehemalige Hundertwasser-Haus, www.kunsthauswien.com.
Auskunft: Über Wein-Events informiert wienerwein.at. Reisetipps: Offizielle Seite von Wien Tourismus www.wien.info.
Als die Temperaturen im heißen Sommer wochenlang nicht unter 35 Grad sanken und selbst die Beachclubs am Rande des Donau-Kanals keine Kühlung mehr versprachen, lehnte sich Alexander Moj zum ersten Mal in seinem gläsernen Gourmet-Penthouse 18 Stockwerke über der barocken Stadt entspannt zurück und genoss, „dass wir eben keine offene Dachterrasse haben, sondern wie in einem coolen Ufo über der österreichischen Hauptstadt schweben.“ Wie ein fliegender Teppich wächst eine knallbunte Lichtinstallation der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist aus dem Restaurant „Das Loft“ im Sofitel Vienna Stephansdom in die Nacht und ist aus der gesamten Innenstadt am Himmel sichtbar. Die Gäste des neuen Wiener In-Treffs geben Hotelchef Moj recht: „Hier ist man dem Wein-Himmel über Wien so nah wie nirgendwo.“
Selbst Tom Cruise feierte kürzlich mit: Für die Weltpremiere seines aktuellen Films „Mission Impossible 5 – Rogue Nation“ wurde eigens die Wiener Staatsoper zum Kino umgebaut. Auf der anschließenden Party im Sofitel sorgten der 30-jährige deutsche Küchenchef Fabian Günzel, der aus dem Berliner Hotel Adlon nach Wien kam, und Chefsommelier Steve Breitzke, 34, bereits zum dritten Mal Sommelier des Jahres in Österreich, für gute Tropfen und gute Stimmung. Beide stammen aus der Nähe Erfurts und gelten als die neuen deutschen Wilden der Wiener Küchenszene.
Weinregion Wien: Wein gehört seit 2 500 Jahren zu Wien wie der Stephansdom, die Sängerknaben und Schloss Schönbrunn. Selbst dort, im Park des kaiserlichen Barockschlosses, werden im historischen Weingarten „Liesenpfennig“ seit Kurzem wieder Reben angebaut, just wie zu Zeiten der Habsburger Monarchie. Der Erlös aus dem Verkauf von rund 500 Flaschen pro Jahr geht ausschließlich an SOS-Kinderdörfer. Kaiserin Maria-Theresia hätte ihre Freude daran gehabt. Die Wein-Szene in Wien blüht derzeit auf.
Weiterführende Links
Mit einer Fläche von 700 Hektar sind die innerstädtischen Anbaugebiete – in unterschiedlichen Temperaturzonen rund um den Nussberg und den Bisamberg – zwar nicht riesig, aber die einzigen der Welt, die innerhalb der Grenzen einer Metropole liegen. Jährlicher Ertrag: 2,4 Millionen Flaschen Wein. Riesling, Weißburgunder, Grüner Veltliner, aber auch zunehmend Rotweine wie Zweigelt und St. Laurent gehören dazu. Die rein wienerische Spezialität „Der Gemischte Satz“, lange als Mischmasch-Schankwein nicht besonders angesehen, erlebt jetzt aber eine Renaissance.
Schwammerl mit Speck, Kürbis-Ingwer-Tartar, Tafelspitz und Zwiebelrostbraten, Carpaccio vom Hirschrücken und der neueste „Gemischte Satz“ – der Holztisch beim „Wieninger“ wölbt sich fast unter der Last der Köstlichkeiten, die der Familienbetrieb im 21. Bezirk im Norden Wiens auftischt. Reben umranken die Sitzecken wie eine Pergola. Der Weingarten auf der östlichen Seite der Donau ist an einem sonnigen Herbstsamstag bis auf den letzten Platz belegt: Nichts gefällt Wienern wie Besuchern besser, als mit Schmankerln beim Heurigen im ländlichen Ambiente zu entspannen. Und neuerdings gehören wahre Gourmet-Happen dazu. „Ein typischer Heuriger“, erklärt der Wirt, habe zwei Bedeutungen: „Alles was serviert wird, kommt aus der Region, und der Wein vom eigenem Gut“, genauso eben wie es das Buschenschankrecht von Kaiser Josef II. von 1784 vorsah. Außerdem aber steht der Begriff für den Rebsaft des aktuellen Jahrgangs, der alljährlich beim Martinsfest am 11. November getauft wird.
Was es mit dem „Gemischten Satz“ auf sich hat, weiß keiner besser als Fritz Wieninger, 49, in diesem Jahr vom renommierten Falstaff-Magazin zum „Heurigenwirt des Jahres“ gekürt: „Dafür werden verschiedene Rebsorten bunt durcheinander gepflanzt, geerntet und verarbeitet“, erklärt der Winzer: „Nicht zu verwechseln mit einem Cuvée, bei dem reinsortige Weine kurz vor der Füllung zusammengefügt werden.“
„Bio ist nicht genug“, lautet das Credo von Fritz Wieninger, der den traditionellen österreichischen Tropfen gerade zu neuem Ruhm führt. Der dreifache Vater und Erbe eines 100-jährigen Familienbetriebs, wirkt bodenständig und pragmatisch, doch beim Weinanbau gibt er sich gerne mega-öko, und sogar ein kleines bisschen spirituell: Er bezieht Mondphasen und Tee-Aufgüsse mit ein, produziert so jährlich 400 000 Flaschen Spitzenwein für den Export in 40 Länder. Gerade wegen der Nähe zur Stadt sei Wiener Winzern eine nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Weingärten wichtig, meint der Paradewinzer.
Und es gibt noch einen neuen Trend in Wiens Weinszene: Zwischen gemütliche Traditionen mischen sich immer mehr moderne Töne. Mit Sichtbeton, Glas und Holz schuf Winzer Rainer Christ im Stadtteil Jedlersdorf einen Kellerneubau, der puristische Genüsse mit 400-jährigem Familienbesitz verbindet. Stylish geht’s auch beim Weinhändler Unger und Klein zu, der in seiner Vinothek an der Gölsdorfgasse 2 und neuerdings in einem winzigen Wein-Kaffee im Rondell eines geschichtsträchtigen Hochhauses an der Herrengasse „schnelle Achtel“ anbietet. In dem kleinen Art-déco-Ladenlokal ging schon Curd Jürgens ein und aus, heute steht es unter Denkmalschutz und ist Treff von Burgschauspielern und Kreativen aus der Nachbarschaft. Zu denen gehört der Rockmusiker Christian Mayer, der schon bei Thomas Gottschalk auftrat, und heute Wiens bekanntester Zuckerlmacher ist. In seiner Bonbonmanufaktur stellt der 37-Jährige in offener Küche vor den Augen neugieriger Kunden klassisch-rot-weiße, gestreifte und knallbunte Rock Candys und Lollis her, nach Rezepten von 1876. „Gutes Handwerk schmeckt man eben“, sagt Mayer – eine Prämisse, wie sie auch von den Wiener Winzern stammen könnte.
Den Sinnen auf die Spur zu helfen, haben sich auch zwei Wienerinnen auf die Fahne geschrieben, die auf ihrer „Wiener Sinnestour“ Touristen einheimische Weine, Straßenmärkte und die berühmten Wiener Kaffeehäuser näher bringen – all das wissenschaftlich unterfüttert, denn Elisabeth Buchinger ist Sensorikerin und Dr. Bianca Gusenbauer Köchin. „Genuss braucht Zeit“, sagen die beiden und schlendern mit Besuchern durch alte Gassen und lebendige Nachbarschaften. Spätestens in einem Wiener Kaffeehaus wie dem „Café Schopenhauer“ in der Staudgasse darf’s dann wieder ein Gläschen „Gemischter Satz“ zum selbst gemachten Guglhupf sein.
Wenn sich im Herbst die Rebflächen Wiens rot-golden färben, werden die Trauben für den neuen Wein geerntet, im November kommen die „Jungen Wiener“ als Vorboten des neuen Jahrgangs in die Weinstuben. Wein-Events gibt’s in Wien das ganze Jahr hindurch. Im April etwa kann man im Rahmen der Winzertour hinter die Kulissen der Weinanbauer schauen. Eins erstaunt allerdings, dass die Wiener bei aller traditionellen und neu entdecken Liebe zum heimischen Wein, durchaus maßzuhalten verstehen: Im Mittelalter, als ein Großteil der heutigen Stadt bereits von Weinreben bewachsen war, soll der Konsum sechsmal höher gewesen sein. Heute genießen die Österreicher wie ihre deutschen Nachbarn rund 25 Liter Wein pro Kopf und Jahr, Franzosen und Italiener das Doppelte. „Aber der Wein in Wien“, beteuert Winzer Wieninger, „ist der gesündeste von allen.“