Samstag,
23.07.2016 - 00:00
4 min
Longjing: Wo Chinas bester grüner Tee wächst
Von Bärbel Schwertfeger

Eileen zeigt den wertvollen Tee von Longjing: 500 Gramm der getrockneten Blätter kosten mehr als 400 Euro. Foto: Bärbel Schwertfeger ( Foto: Bärbel Schwertfeger)
Es ist halb fünf Uhr morgens, als wir zum Faxi-Tempel aufbrechen. Eileen hat eine Laterne dabei und geht voran. Der Weg führt hinauf durch einen Bambuswald. Frösche quaken, die ersten Vögel singen. Trotz der frühen Stunde ist es bereits unerträglich schwül. In der Ferne ist schon der Gesang der Mönche zu hören. Wir passieren einen überfüllten Parkplatz und betreten das Tempelgelände. Von den Bäumen baumeln rote Kugellampions. Stufen führen ins Innere der hell erleuchteten Halle. Zu Füßen der goldenen Buddha-Statuen rezitieren Mönche in gelben Roben heilige Texte, teils mit Mikro und Kopfhörer ausgestattet, begleitet von Trommelschlägen und Zimbelklängen. Junge Frauen mit Hotpants und Smartphone um den Hals, Männer in Jeans oder kurzen Hosen und Badeschlappen drehen ihre Runde um die Buddha-Statuen und die Mönche, verbeugen sich mehrmals kurz und schon sind sie wieder draußen. Vor der Halle versucht eine junge Frau mit langen blauen Haaren, glitzerndem Minikleid und silbernen Stilettos Münzen in ein großes Bronzegefäß zu werfen. Morgenandacht auf Chinesisch.
Die Besucher kommen aus dem nahegelegenen Hangzhou. Die Stadt rund 200 Kilometer westlich von Schanghai gilt als die Wiege der chinesischen Zivilisation. Sie wurde vor mehr als 2 200 Jahren in der Qin-Dynastie gegründet. Marco Polo soll sie einst als „die schönste und erhabenste Stadt der Welt“ bezeichnet haben. Noch heute ist Hangzhou wegen seiner Lage am Westsee, den vielen Parks und Gärten, Pagoden und Tempeln ein beliebtes Ziel einheimischer Touristen, auch wenn die beschauliche Landschaft oft im Smog der Millionenstadt versinkt.
„Der Faxi-Tempel ist der einzige Tempel hier, der von den Einheimischen besucht wird“, erzählt die 27-jährige Eileen. In den anderen Tempeln treffe man nur noch Touristen. Der bedeutendste ist der im Jahr 328 von einem indischen Mönch gegründete Lingyin-Si-Tempel, was so viel wie „Zuflucht der Seele“ heißt. Einst sollen hier 3 000 Mönche gelebt haben. Das Kloster wurde mehrmals zerstört und im 20. Jahrhundert wieder aufgebaut. In der Haupthalle thront ein neun Meter hoher vergoldeter Shakyamuni-Buddha, zusammengesetzt aus 24 Einzelteilen aus Kampferholz. Vor der Halle schütteln die Besucher ihre Räucherstäbchen, dreimal in jede Richtung – nur dann, glauben sie, bringt der Rauch ihre Wünsche auch zu Buddha.
Die wenigen alten Relikte befinden sich an einer Felswand gegenüber dem Tempeleingang. Die rund 400 in den Fels gehauenen buddhistischen Skulpturen stammen aus der Zeit zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert. „Während der Kulturrevolution hat man die Buddhas mit Mao-Bildern verhängt und sie so vor der Zerstörung gerettet“, erzählt Eileen. Heute sei alles streng geregelt. Mönch kann nur werden, wer einen College-Abschluss hat und zudem ein Examen besteht. Dann muss er vier Jahre lang eine buddhistische Akademie besuchen. Damit soll vermieden werden, dass Familien ihre Söhne zur Ausbildung ins Kloster schicken, erzählt die Chinesin. Eileen stammt aus einem nahe gelegenen Dorf. Nach ihrem Tourismusstudium in Singapur bewarb sie sich in einem Hotel in Hangzhou. Dort erzählte ihr ein Bekannter vom Aman Resort. Heute ist sie Chef-Butlerin in dem inmitten des Tempelareals gelegenen Luxusresort und begleitet die Gäste zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten.
INFORMATIONEN
Anreise: Ein Besuch von Hangzhou lässt sich gut mit einer Reise nach Schanghai verbinden. Von dort erreicht man die Stadt am Westsee von der Hongquiao-Railway-Station in weniger als einer Stunde mit dem Schnellzug. Die Kosten liegen bei knapp 20 Euro in der 1. Klasse.
Übernachten: Amanfayun Resort, rund 20 Autominuten nordwestlich der Innenstadt, Übernachtung für zwei Personen inklusive Frühstück ab 810 Euro, www.aman.com.
Pauschalangebote: China Tours bietet mehrere zweitägige Reisebausteine in Hangzhou an, www.chinatours.de. Die Stadt wird auch bei einer 19-tägigen China-Rundreise (ab 2399 Euro) besucht.
Auskunft: Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China, www.china-tourism.de.
Übernachten: Amanfayun Resort, rund 20 Autominuten nordwestlich der Innenstadt, Übernachtung für zwei Personen inklusive Frühstück ab 810 Euro, www.aman.com.
Pauschalangebote: China Tours bietet mehrere zweitägige Reisebausteine in Hangzhou an, www.chinatours.de. Die Stadt wird auch bei einer 19-tägigen China-Rundreise (ab 2399 Euro) besucht.
Auskunft: Fremdenverkehrsamt der Volksrepublik China, www.china-tourism.de.
Versteckt zwischen Bambus, Magnolien- und Kampferbäumen liegen die in traditionellen Häusern untergebrachten Zimmer links und rechts des 600 Meter langen Pilgerwegs. Einst lebten hier Teebauern. Als der in der Nähe wachsende Longjing-Tee Mitte der 90er-Jahre als Chinas edelster Grüntee berühmt und teuer wurde und den Bewohnern des Dorfes Reichtum bescherte, bauten sich viele woanders neue Häuser und das Dorf drohte zu verfallen. 1998 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. 900 Familien wurden umgesiedelt, die Häuser nach überlieferten Vorlagen mit traditionellen Materialien restauriert. 2010 eröffnete die für ihren minimalistischen Luxus bekannte Aman-Gruppe hier das Resort Amanfayun.
Vor allem morgens, wenn Nebel über dem Boden hängt und die Feuchtigkeit die moosbewachsenen Pfade in einen glitschigen Parcours verwandelt, wirkt das Hotel wie ein verwunschener Ort. Reetgedeckte Mauern aus traditionellem Lehm- und Strohgemisch umschließen kleine Innenhöfe. Die Dächer sind mit geschwungenen Tonziegeln versehen, die Wände aus verputztem Backstein. An den dunklen Holzfassaden finden sich fein geschnitzte Fensteröffnungen. Innen dominiert Holz. Helle Holzmöbel bilden den Kontrast zu den fast schwarzen Fenstern und Türen sowie dem dunkelgrauen Steinfußboden. Kalligrafie schmückt die Wände.
Natürlich darf auch ein Ausflug zum Teedorf Longjing – was übersetzt Drachenbrunnen heißt – nicht fehlen. Neun Bäche muss der Wanderer überqueren, bis er die Ansiedlung erreicht. Rechts und links des Weges ziehen sich die Teeplantagen die Berge hinauf. In der Nacht hat es geregnet. Feuchter Nebel hängt in der Luft. „Am besten ist die erste Ernte im Frühjahr“, erzählt Eileen und zupft ein paar der hellgrünen Spitzen ab. „80 Prozent davon kauft die Regierung auf.“ 500 Gramm kosten mehr als 400 Euro. Auch die zweite Ernte sei meist schon lange im Voraus reserviert. Berühmt sei der Tee nicht nur wegen seines Geschmacks, sondern auch wegen seiner besonderen Wirkstoffe, die gut für schnelleres Denken, die Verdauung und auch gegen hohen Blutdruck sein sollen.
Auf der Terrasse von Teebäuerin Wong weiht Eileen den Gast in die Geheimnisse des Teetrinkens ein. „Longjing Tee trinkt man immer im Glas“, erklärt sie, „dann schmeckt er süßer.“ Außerdem dürfe das Wasser nur 85 Grad heiß sein. Und ziehen sollte er genau 43 Sekunden. Eileen bläst in ihr Glas mit den Teeblättern und trinkt, bis es halb leer ist. Dann gießt sie nach. Denn der zweite Aufguss ist der Beste.