Sudanesen entziehen sich Abschiebung – nun ermittelt die Staatsanwaltschaft im Rhein-Hunsrück-Kreis
Der Streit um Kirchenasyl im Rhein-Hunsrück-Kreis spitzt sich weiter zu. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen fünf Pfarrer sowie neun sudanesische Flüchtlinge.
Von Markus Lachmann
Reporter Politikredaktion Mainz
Afrikanische Flüchtlinge haben in der St. Pauli Kirche in Hamburg ihre Schlafplätze auf dem Kirchenboden vorbereitet.
(Foto: dpa)
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
MAINZ - Zwei Fragen blieben am Dienstag im Integrationsausschuss weitgehend unbeantwortet. Es geht um Kirchenasyl, im speziellen Fall um einen 21-jährigen Sudanesen im Rhein-Hunsrück, der sich seiner drohenden Abschiebung entzogen hatte. Zwei Gerichte hatten entschieden, dass der Flüchtling zurück nach Italien muss, auch das Bundesamt für Migration. Allerdings hatte das Integrationsministerium in Mainz den Hunsrücker Landrat Marlon Bröhr (CDU) per Weisung zurückgepfiffen, der die Abschiebung vorbereiten wollte.
Die erste Frage stellten Vertreter von SPD und Grünen an CDU-Fraktionschef Christian Baldauf: Ob er denn mit der Polizei in die Kirchengemeinde eindringen würde und den Flüchtling gewaltsam da rausholen würde? Die Antwort Baldaufs, der Rechtsstaat müsse auch durchgesetzt werden, kann man als verkapptes „Ja“ interpretieren. Baldauf wiederum wollte vom grün geführten Integrationsministerium wissen, was denn genau die Rechtsgrundlage jener Weisung sei. Es gab einiges Geplänkel, der Abteilungsleiter murmelte etwas von Fachaufsicht seines Ministeriums und Baldauf bat spitzzüngig, man möge ihm doch bitte den Paragrafen nachreichen. Angriffslustig zeigte sich auch Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne). Sie erinnerte daran, dass es bisher Konsens auch mit der CDU gewesen sei, das Kirchenasyl zu respektieren und auf polizeiliche Zwangsmaßnahmen in der Kirche zu verzichten. Falls nicht, „überlegen Sie sich gut, mit wem Sie sich dann gemeinmachen“.
Vorwurf: Abschiebung sollte verhindert werden
Die AfD wies darauf hin, dass das Kirchenasyl seinerzeit dazu diente, verfolgte Menschen vor der Willkür eines Alleinherrschers zu schützen. „Wir leben aber heute in einem Rechtsstaat“, so der Abgeordnete Michael Frisch. Er stelle sich die Frage, welche schwerwiegende Gefahr denn dem Flüchtling drohe. „Wir reden hier über eine Abschiebung nach Italien!“ Frisch: „Natürlich besteht der Verdacht, dass eine Abschiebung verhindert werden sollte.“ Das sei ein Missbrauch des Kirchenasyls, der Rechtsstaat solle ausgehöhlt werden, wenn man am Ende eines mehrstufigen Verfahrens noch mal eine Mediation dranhängen wolle.
GESPRÄCH
Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) sieht Mediationsverfahren weiterhin als „Blaupause“ für strittige Kirchenasylfälle, wie sie im Integrationsausschuss sagte. Im Herbst will sie zu einem zweiten Spitzengespräch Kirchenasyl einladen. Mit dabei dann Kirchen und Kommunale Spitzenverbände.
Die Debatte gewann am Dienstag noch einmal besondere Brisanz. So verkündete die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach, gegen fünf Pfarrer aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt zu ermitteln. Es geht um insgesamt neun Sudanesen, die eigentlich nach Italien abgeschoben werden sollten, sich aber ins Kirchenasyl retteten.
Wie ein Sprecher der evangelischen Kirche im Rheinland mitteilte, handele es sich überwiegend um Bürgerkriegsflüchtlinge aus der Region Darfur. Würden sie nach Italien überstellt, wo sie nach dem Dublin-Verfahren hin müssen, drohe ihnen schlechte medizinische Versorgung, womöglich Obdachlosigkeit, auch die Gefahr einer „Kettenabschiebung“ bis in den Sudan. Die Kirche ist der Auffassung, sie sei nicht verpflichtet gewesen, das Kirchenasyl zu beenden. Integrationsministerin Spiegel nutzte die Ausschusssitzung, um einige Dinge geradezurücken. Es sei bei der Weisung nie darum gegangen, die Überstellung des 21-Jährigen nach Italien zu verhindern, sondern darum, eine polizeiliche Räumung zu vermeiden. Eine solche Weisung gebe es sehr selten, es sollte hier eine „drohende Eskalation verhindert“ werden. Da allerdings der Hunsrück-Landrat einer Mediation nicht zustimme, mache eine Weisung „keinen Sinn mehr“. Deshalb werde die Weisung nur noch bis Ende September aufrecht erhalten. Bis dahin könne die Kirchengemeinde sich darum kümmern, dass der Sudanese in Italien ordentlich versorgt werde. Was passiere, wenn sich die Beteiligten weigerten, sagte die Regierung nicht.
Rückendeckung für Spiegel aus den eigenen Reihen: Pia Schellhammer (Grüne) sagte, es sei unterstützenswert, eine Eskalation zu verhindern, die Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Die Polizei sehe solche Einsätze übrigens selbst problematisch. Jaqueline Rauschkolb (SPD) warf Landrat Bröhr vor, bewusst die Eskalation gesucht zu haben. „Wer schickt denn Polizei in die Kirche? Es wird ein Generalangriff auf die Ministerin gefahren. Und der Landrat will sich wieder einmal selbst darstellen.“