Leistungsschutzrecht: "Google, Facebook und Co. müssen Zeitungsverlage angemessen vergüten"
Zeitungsverleger sind auch mit Blick auf die Verantwortung für Journalisten und Leser seit Jahren bestrebt, ein faires Modell mit den großen Digitalplayern auszuhandeln. Bisher sträuben sich Google und Co. beharrlich. Nun entscheidet das EU-Parlament. Eine Einschätzung dazu von Hans Georg Schnücker, Sprecher der VRM-Geschäftsführung, Vorsitzender des Verbands Hessischer Zeitungsverleger und Stellvertretender Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger.
Von Hans Georg Schnücker, Sprecher der VRM-Geschäftsführung, Vorsitzender des Verbands Hessischer Zeitungsverleger und Stellvertretender Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger
Zeitungsverlage stellen hochwertige journalistische Inhalte zur Verfügung – erhalten aber von Google, Facebook und Co. keine angemessene Vergütung. Foto: dpa
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MAINZ - Google und Facebook machen nach Schätzungen zusammen in Deutschland mehr als vier Milliarden Umsatz jährlich, überwiegend mit Werbevermarktung. Sie beherrschen ihre jeweiligen Märkte und monetarisieren ihre Reichweiten mit großer Dynamik. Dagegen wäre grundsätzlich nichts zu sagen – wenn diese Reichweiten nicht zu einem nennenswerten Teil aus den hochwertigen journalistischen Inhalten der Zeitungsverlage resultieren würden, ohne dass diese eine angemessene Vergütung erhielten. Daher sind wir Zeitungsverleger auch mit Blick auf unsere Verantwortung für Journalisten und Leser seit Jahren bestrebt, ein faires Modell mit den großen Digitalplayern auszuhandeln. Bisher sträuben sich Google und Co. beharrlich. Nun entscheidet das EU-Parlament.
Das Internet ist ein Instrument des Teilens, heißt es, eine sogenannte „Sharing Economy“. Nur gilt das eben nicht nur für Autos, Wohnungen oder Artikel, sondern auch für den Aufwand, der hinter der Produktion steckt und den Ertrag, der in solchen Sharing Economies erwirtschaftet wird. Sie können einen Kuchen in viele Stücke schneiden. Sie können dem einen auch mehr Stücke geben als einem anderen. Aber wenn Sie einem den ganzen Kuchen versprechen und den anderen fragen, ob er ihn denn backen könne und die Zutaten bezahlt, wird die Runde möglicherweise etwas ungemütlicher.
Einigkeit schwindet plötzlich
Was mich nachdenklich stimmt, ist Folgendes: Über alle Parteigrenzen hinweg scheint es mittlerweile einen Konsens darüber zu geben, dass Märkte, bei denen global agierende Digitalkonzerne eine Monopolstellung innehaben, auf Dauer nicht zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger funktionieren. Vom „Plattformkapitalismus“ ist die Rede, über Steuerschlupflöcher wird diskutiert, gravierende Datenlecks beklagt. Eine solche Einigkeit schwindet aber offenbar, wenn konkrete Möglichkeiten auf dem Tisch liegen, die Geschäftsmodelle dieser Konzerne so zu regulieren, dass sie im Einklang mit einer gesamtvolkswirtschaftlichen Perspektive funktionieren. Dass Wertschöpfung entsteht, Wohlfahrt. Denn nichts anderes schafft das geforderte Leistungsschutzrecht für Verlage. Bevor man an Zerschlagung und kartellrechtliche Maßnahmen denkt – die mehr als angemessen wären – wäre ein solches Bekenntnis zu mehr fairem Wettbewerb ein erster, richtiger Schritt. Einer, bei dem die Politik auch auf der so oft gescholtenen europäischen Ebene Handlungsstärke gegenüber diesen so übermächtig scheinenden Digitalriesen beweisen könnte. Wenn eine Frau wie Hillary Clinton, die um ein Haar amerikanische Präsidentin geworden wäre, als interessanteste berufliche Herausforderung den Chefposten bei Facebook nennt, ist das Ehrlichkeit und Tragik zugleich.
Zeitungsverlage stellen hochwertige journalistische Inhalte zur Verfügung – erhalten aber von Google, Facebook und Co. keine angemessene Vergütung. Foto: dpa Foto: dpa
Hans Georg Schnücker. Foto: Sascha Kopp Foto: Sascha Kopp
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Medienhäuser wie die VRM sind die Garanten für eine freie und unabhängige Berichterstattung. Sie sorgen dafür, dass sich diejenigen, die Informationen bereitstellen, an Gesetze, Normen und Wertekodizes halten. Und sie sorgen für eine informierte und folglich partizipierende Gesellschaft, was sie zu Hütern unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung macht. Wenn eine Debatte zeigt, wie notwendig eine solche Presselandschaft ist, dann wohl die um das Leistungsschutzrecht für Verlage. Ich habe selten so viele Halb- und Unwahrheiten gehört wie in dieser Diskussion.
Wie in der Musik- oder Filmindustrie
Von „Zensur des Internets“ oder einer „Linksteuer“ ist die Rede – die Gegner lassen sich dabei auch nicht von der anderslautenden Faktenlage stören. Nichts, was die Zeitungen und Zeitschriften fordern, würde den Zugang unserer Leser zu unseren Online-Angeboten oder die Verlinkungen von Artikeln beeinträchtigen. Es ist ja im Interesse der Presse, dass Leser ihre Inhalte weiterempfehlen und teilen. Gegenstand des Anliegens ist lediglich, dass kommerzielle Plattformen und Aggregatoren, deren Geschäftsmodell darin besteht, mit dem von anderen geschaffenen geistigen Eigentum möglichst große Reichweiten zu erzielen, dafür angemessene Lizenzgebühren zahlen. Das ist in der Musik- oder Filmindustrie längst üblich.
Google und die Lobby der Leistungsschutzrecht-Gegner versuchen derweil auf kreativste Weise, dieses Vorhaben auf den letzten Metern noch auszubremsen. Unlängst hat Google die Verlage, die sich an der von Google finanzierten „Digital News Initiative“ beteiligen, aufgefordert, sich offen gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts auszusprechen. In Zeiten, in denen „Fake-News“ und Hasstiraden in den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke die öffentliche Meinung (mit)bestimmen, muss es aber unser aller Anliegen sein, diejenigen zu schützen, die für eine aufgeklärte und sachliche Debatte sorgen: Die Anbieter von geprüften journalistischen Inhalten. Was vor der digitalen Revolution noch undenkbar war, nämlich das schnelle Verbreiten dieser Inhalte an Millionen von Nutzern, ist heute der Grund, warum wir der Medienlandschaft die gleichen Möglichkeiten zugestehen müssen, die die Musik-, die Film- oder die Fernsehindustrie bereits seit Jahrzehnten innehat, wenn es darum geht, geistiges Eigentum angemessen zu schützen.
Denn wenn das Leistungsschutzrecht für Verlage auf europäischer Ebene nicht kommt, heißt das nichts anderes als eine Verfestigung der Monopolstrukturen bei Suchmaschinen und sozialen Netzwerken und langfristig eine Abkehr von funktionierenden Geschäftsmodellen für seriösen Journalismus. Es schützt die Journalisten und hilft den großen Verlagen genauso wie den kleinen Zeitungen und Startups. Ich würde mir wünschen, dass sich die Verantwortlichen in Brüssel, Berlin und auch außerhalb Europas in diesen immer unübersichtlicher werdenden Zeiten am Ende nicht auf die Seite von Polemik und Hysterie stellen und vor Google und Co. kuschen, sondern das tun, wofür ihre Unterstützer sie gewählt haben: Eine zukunftsweisende Gewissensentscheidung zu unserem Gemeinwohl treffen.