Die Partnerschaft feiert Geburtstag: Seit vier Jahrzehnten stehen beide Länder in engem Austausch. Dabei gibt es neben Herausforderungen auch Möglichkeiten von Ruanda zu lernen.
Von Peter Zschunke, dpa
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, und Paul Kagame (rechts), Präsident von Ruanda, stehen während eines Treffens anlässlich des 40-jährigen Jubiläums der Partnerschaft zwischen Ruanda und Rheinland-Pfalz vor der Staatskanzlei.
( Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
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MAINZ/KIGALI - Klimakrise, Corona-Pandemie, Getreideknappheit und steigende Energiepreise - die Herausforderungen der Zeit treffen die Menschen in Rheinland-Pfalz ebenso wie 6140 Kilometer weiter südlich in Ruanda. Seit 40 Jahren verbindet beide Länder eine Partnerschaft, die immer wieder vor neue Aufgaben gestellt wird. An diesem Samstag wird das Miteinander mit einem Festakt in Mainz gefeiert.
Die Gründung damals wurde ganz schlicht mit einem Briefwechsel der Regierungen im Juni 1982 festgehalten. Beide Seiten vereinbarten, sich auf Beratung, Kontakte sowie auf technische und organisatorische Hilfen zu beschränken.
International anerkanntes Modell
"Was 1982 als ein ungewöhnlicher Versuch zweier Länder zur Neugestaltung der Entwicklungspolitik begann, ist heute zu einem international anerkannten Modell einer bürgernahen und dezentralen Entwicklungszusammenarbeit auf lokaler Ebene geworden", erklärt der für die Partnerschaft zuständige Innenminister Roger Lewentz (SPD) vor dem Festakt zum Jubiläum. Inzwischen bieten die Regierungen einen Rahmen für die Zusammenarbeit von Gruppen der Zivilgesellschaft vor Ort. "Die Partnerschaft genießt in der ruandischen Bevölkerung einen hervorragenden Ruf und ist auch bei den Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern tief verwurzelt", sagt Lewentz.
Die Landesregierung in Mainz spricht gern von einer "Graswurzelpartnerschaft". Gemeint ist, dass sich die Partnerschaft nicht auf Besuche und Gegenbesuche offizieller Vertreter beschränkt, sondern in vielfältigem Austausch an der Basis sichtbar wird. Und dass die Projekte der Zusammenarbeit nach den Bedürfnissen der Menschen vor Ort gestaltet werden. "Längst ist daraus eine Partnerschaft auf Augenhöhe geworden, in der auch wir in Rheinland-Pfalz dazulernen", sagt Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
Was kann Rheinland-Pfalz von Ruanda lernen?
"Ruanda gilt zu Recht als ein echtes Vorbild, was die Gleichberechtigung von Frauen in der Arbeitswelt angeht", antwortet Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD). Beachtlich sei der 60prozentige Frauenanteil im Parlament. Auch sei das Tempo der Digitalisierung beeindruckend. "Mich faszinierten auch die Start-Up-Kultur und der damit einhergehende Innovationsgeist in Ruanda, durch den neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze im Zeitalter der digitalen Transformation geschaffen werden." Oft genannt wird auch der schon 2008 erklärte Verzicht auf Plastiktüten. Naturwissenschaftler wie der Koblenzer Botaniker Eberhard Fischer bezeichnen es als vorbildlich, dass ein kleines Land mit hoher Bevölkerungsdichte vier Nationalparks aus jeder wirtschaftlichen Nutzung herausgenommen habe.
1983 wurde der Verein "Partnerschaft Rheinland-Pfalz / Ruanda" gegründet, zwei Jahre später ein Koordinationsbüro in Kigali eröffnet. Bis heute wurden nach Angaben des Innenministeriums etwa 2200 Projekte umgesetzt - mit einem Fördervolumen von mehr als 70 Millionen Euro, davon zu einem Fünftel aus Spenden der Menschen in Rheinland-Pfalz. Einen wichtigen Beitrag, den Austausch in der Bevölkerung zu vertiefen, leisten die 187 Schulpartnerschaften. Im Schnitt reisen in jedem Schuljahr fünf bis zehn Schulklassen nach Ruanda, und fünf bis sieben Schulklassen kommen nach Rheinland-Pfalz.
Tiefe Zäsur im Jahr 1994
Eine tiefe Zäsur gab es mit dem Völkermord von 1994 mit etwa einer Million Toten in Ruanda. Direkte Partner in Ruanda waren entweder zu Opfern oder zu Tätern geworden. Damals wurde intensiv darüber diskutiert, ob man die Partnerschaft fortführen könne. Der damalige rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber (SPD) war dann im Oktober 1994 international der erste offizielle Regierungsvertreter, der nach dem Völkermord in Kigali war. Danach plädierte er dafür, Ruanda nicht im Stich zu lassen, sich jetzt erst recht zu den Menschen im Partnerland zu bekennen und diese bei der Überwindung ihrer Not und beim Wiederaufbau zu unterstützen.
Die Partnerschaft setzt gezielt dort an, wo eine staatliche Investition nicht absehbar ist und keine andere Organisation tätig wird. Zu aktuellen Projekten gehört die Einrichtung von Schulgärten zur nachhaltigen Ernährungssicherung von Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen der Partnerschaft zwischen Holzheim im Rhein-Lahn-Kreis und Rambura wird eine Photovoltaik-Anlage an einer Berufsschule installiert. Diese wird dann nicht nur zur Stromerzeugung genutzt, sondern dient auch der praktischen Anschauung für die Solartechnik-Ausbildung der Schule.
Um die Förderung von sanftem Öko-Tourismus geht es beim Ausbau eines Zeltplatzes im Wandergebiet des neuen Gishwati-Mukura-Nationalparks. Dort soll auch die lokale Bevölkerung für touristische Konzepte geschult werden, welche die örtlichen Gemeinschaften miteinbeziehen. Alle Vorhaben werden auf einer Projekt-Landkarte des Partnerschaftsvereins aufgeführt.
Gemeinsame Projekte entwickeln
Die Partnerschaft hebe sich von der sonstigen Entwicklungszusammenarbeit dadurch ab, dass sie längerfristig und nicht nur von Nord nach Süd angelegt sei, sagt Elias Vogler im Partnerschaftsbüro von Rheinland-Pfalz in der ruandischen Hauptstadt Kigali. "Es begeistert mich und motiviert mich in der täglichen Arbeit, dass Menschen aus Ruanda und Rheinland-Pfalz seit Jahrzehnten im Austausch stehen und Projekte gemeinsam entwickeln und dann auch über die Jahre weiterentwickeln." Im Projektprozess könnten beide laufend voneinander lernen und das gemeinsame Vorhaben an veränderte Bedingungen anpassen.
Ruanda habe in der Bildung, der wirtschaftlichen Entwicklung, bei der Gesundheitsversorgung wie bei der Gleichstellung der Geschlechter viel erreicht, sagt Ministerpräsidentin Dreyer. Als Kehrseite der an vielen Stellen sichtbaren Effizienz stößt ein nach westlichen Maßstäben autoritärer Führungsstil auf Kritik. "Wir wissen, dass es weiterhin große Herausforderungen gibt", sagt Dreyer und führt aus: "bei der Armutsbekämpfung, bei den großen Unterschieden zwischen Stadt und Land, bei der weiteren Demokratisierung der ruandischen Gesellschaft und mit Blick auf Reformbedarf in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens".