DGB-Chefin fordert mehr Ausbildungsplätze und Tarifbindung

Die rheinland-pfälzische DGB-Chefin Susanne Wingertszahn
© Arne Dedert/dpa

Eine bessere Berufsberatung in den Schulen, mehr Engagement bei den Betrieben und größere Unterstützung vom Land: Für den DGB gibt es genügend Hebel, um für mehr Bewegung auf...

Anzeige

Mainz (dpa/lrs) - . DGB-Chefin Susanne Wingertszahn fordert die Unternehmen in Rheinland-Pfalz auf, das Angebot für Ausbildungsplätze deutlich zu erhöhen. Nur 20 Prozent aller Betriebe im Land bildeten aus, sagte die Gewerkschafterin der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Es sind eher die großen Unternehmen, die auch einen Betriebsrat haben, die ausbilden.“ Bei Neugründungen und Start-ups sei das dagegen deutlich weniger. „Es muss alles getan werden, damit das mehr werden. Es muss viel mehr in die duale Ausbildung investiert werden.“

Knapp 23 000 Ausbildungsverträge seien im vergangenen Jahr im Land abgeschlossen worden, berichtete Wingertszahn. Das sei ein Rückgang von knapp zwei Prozent im Jahresvergleich und ein Minus von 20 Prozent im Vergleich zu vor zehn Jahren. Rheinland-Pfalz liege damit im Bundesranking auf dem drittletzten Platz. „Wir steuern in bestimmten Branchen auf einen Fachkräftemangel zu. Ausbildung ist der beste Weg, das zu verhindern“, mahnte die Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

In Rheinland-Pfalz gebe es 143.000 Menschen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, sagte die Gewerkschafterin und appellierte an die Unternehmen, keine „Bestenlese“ zu betreiben. Auch junge Menschen mit schlechteren Noten und Startschwierigkeiten benötigten eine Chance auf einen Ausbildungsplatz.

Die duale Ausbildung gehöre zu den wichtigsten Schlüsseln im Kampf gegen den Fachkräftemangel, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz, Karsten Tacke. Leider erschwerten vor allem die rückläufigen Bewerbungszahlen den Unternehmen im Land die Suche nach geeigneten Auszubildenden weiterhin stark. „Hinzu kommt, dass viele Ausbildungsbetriebe bestehende fachliche Mängel oder Wissenslücken häufig durch Nachschulungen auf eigene Kosten auffangen müssen.“

Anzeige

Auch dadurch würden die Hürden für gute Ausbildung immer höher und gerade für kleine und mittlere Betriebe zunehmend nicht mehr leistbar, sagte Tacke der dpa. In dieser Situation sei es auch tarifpolitisch wichtig, den Unternehmen den Rücken zu stärken. „Doch Forderungen nach Tarifregelungen wie der Vier-Tage-Woche, die für viele Unternehmen gerade wegen des Arbeits- und Fachkräftemangels schlicht nicht umsetzbar wäre, bewirken exakt das Gegenteil“, mahnte der Hauptgeschäftsführer. „Da kann es doch nicht verwundern, wenn verstärkt der Wunsch besteht, sich von der Tarifbindung zu lösen.“

Einen großen Anteil noch unbesetzter Ausbildungsstellen gibt es nach Angaben der DGB-Chefin etwa in den Berufen als Klempner, Fleischer sowie in der Systemgastronomie und bei Gerüstbauern. Dazu gebe es eine große Nachfrage nach Auszubildenden für den Bereich Klima, Sanitär und Heizung sowie in der Pflege. Das seien genau die Berufe, in denen die Arbeitsbedingungen unattraktiv seien und verbessert werden müssten.

Die Gewerkschafterin machte sich deshalb dafür stark, dass in den Schulen mehr Berufsberatung stattfindet und auch im Lehrplan verankert wird. Das gelte auch für die Gymnasien, betonte Wingertszahn. Die Arbeitswelt müsse den Jugendlichen näher gebraucht und ihnen auch erklärt werden, wie ein Gehalt entsteht und was ein Tarifvertrag ist.

Große Sorge bereite dem DGB auch, dass nur noch 30 Prozent aller Unternehmen in Rheinland-Pfalz tarifgebunden seien, sagte Wingertszahn. Nur noch die Hälfte aller Beschäftigten im Land falle unter den Schutz eines Tarifvertrags. „Wenn wir die Tarifbindung nicht wieder erhöhen, steuern wir auf massive Probleme zu. Es fließt weniger Geld in das Sozialsystem, die Kaufkraft der Beschäftigten sinkt und die Zahl der Menschen im Niedriglohnsektor steigt.“ Ohne Tarifvertrag verdienten die Menschen in Rheinland-Pfalz durchschnittlich 700 Euro im Monat weniger und arbeiteten eine Stunde länger.

Die DGB-Landeschefin drängte daher auf eine Verbesserung des bestehenden Tariftreuegesetzes in Rheinland-Pfalz. Ziel müsse sein, dass das Land für öffentliche Aufträge nur noch Geld an die Unternehmen vergebe, die auch tarifgebunden seien, forderte Wingertszahn. Da die Optimierung des Tariftreuegesetzes auch im Koalitionsvertrag der Ampelregierung verankert sei, werde die Gewerkschaft nicht müde, das Thema immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen. „Da sind wir auch in einem sehr intensiven Dialog mit dem Land.“