Die hessische SPD-Opposition hat die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen aufgefordert, ihren Gesetzentwurf zur Neuordnung der Wahlkreise zur Landtagswahl zurückzunehmen....
WIESBADEN. Die SPD-Opposition hat die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen aufgefordert, ihren Gesetzentwurf zur Neuordnung der Wahlkreise zur Landtagswahl zurückzunehmen. Andernfalls behalte sich die Fraktion vor, gegen die geplante Regelung vor dem Staatsgerichtshof zu klagen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Günter Rudolph nach einer Anhörung im Innenausschuss des Landtags. Dabei hatten Juristen verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Vorhaben erhoben.
Die Koalition plant, 16 der 55 Wahlkreise noch für die Landtagswahl im nächsten Jahr neu zuzuschneiden, um die gröbsten Abweichungen in der Größe zu bereinigen. Nach der Reform würde die Zahl der Wahlberechtigten in keinem Wahlkreis um mehr als 25 Prozent vom Landesdurchschnitt abweichen, der bei 79 790 liegt. Derzeit betragen die Abweichungen bis zu 28,9 Prozent.
Aus Sicht von Professor Martin Will von der EBS Law School ist eine Abweichung von 25 Prozent verfassungsrechtlich problematisch. Er sagte in der Anhörung, ein Grenzwert von zehn bis 15 Prozent sei angemessen. Bei der Festlegung der Grenze hat sich die Koalition am Bundeswahlgesetz orientiert. Dort seien die 25 Prozent aber als äußerste Grenze definiert, die eine Neuabgrenzung der Wahlkreise erforderlich mache, wandte Will ein. Laut Bundesgesetz solle die Abweichung in der Regel bei 15 Prozent liegen.
„Parteien könnten von der Neuordnung profitieren“
Höchst problematisch sei der Umstand, dass die Neuordnung dazu führen könne, dass „Parteien oder Personen, welche die Neuabgrenzung initiiert haben, ein Vorteil erwächst“, meinte Will. Im Entwurf hätten die konkreten Vorschläge für den Neuzuschnitt näher begründet werden müssen,.
Als Beispiel für diesen Kritikpunkt nannte Rudolph die geplante Verlegung der Gemeinde Eiterfeld vom Wahlkreis Fulda in den Wahlkreis Hersfeld. Hier würde, wenn man das Wahlergebnis von 2013 zugrunde lege, die CDU den Wahlkreis Hersfeld gewinnen. Vor vier Jahren holte der SPD-Abgeordnete Torsten Warnecke den Wahlkreis mit 4,3 Prozentpunkten Vorsprung auf den CDU-Kandidaten.
Der Frankfurter Staatsrechtler Professor Rainer Hofmann nannte den Gesetzentwurf wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichheit der Wahl verfassungsrechtlich hoch problematisch, da bei der Ermittlung der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise nicht die vorhandenen aktuellen Zahlen zugrunde gelegt worden seien. Tatsächlich legt der Gesetzentwurf die Zahl der Wahlberechtigten zum Stichtag 31. Dezember 2015 zugrunde.
Der Bonner Verfassungsrechtler Professor Klaus Gärditz bescheinigte dem Gesetzentwurf Verfassungskonformität. Eine Abweichung von der Durchschnittsgröße von 25 Prozent entspreche der verfassungsrechtlichen Interventionsschwelle, bei der eine Anpassung erforderlich sei.
Es sei unbestritten, dass eine grundsätzliche Reform der hessischen Wahlkreise nötig sei, erklärte Rudolph. Dies sollte aber in der nächsten Wahlperiode erfolgen, ohne Zeitdruck, in Abstimmung mit den Kommunen und im Konsens aller Fraktionen im Landtag. Dabei sollte auch der Vorschlag von Professor Will aufgegriffen werden, eine Wahlkreiskommission einzurichten, wie sie das Bundeswahlgesetz vorsehe. „Das wäre eine echte Alternative zu dem schwarz-grünen Hauruck-Verfahren, mit dem wir uns jetzt auseinandersetzen müssen“, sagte Rudolph. Die geplante Wahlkreisreform sei verfassungswidrig und müsse gestoppt werden.