Prozess gegen „Vereinte Patrioten” startet im Mai

Sie kommen aus der Reichsbürger-Szene, wollten Minister Lauterbach entführen und die Regierung stürzen – bald steht die Terrorgruppe in Koblenz vor Gericht. Das sind die Vorwürfe.

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Koblenz. Fünf mutmaßlichen Mitgliedern der terroristischen Vereinigung „Vereinte Patrioten” wird von Mai an in Koblenz der Prozess gemacht. Der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) hat die Anklage des Generalbundesanwalts zugelassen, wie das Gericht am Mittwochmittag mitteilte. Die Gruppe, vier Männer zwischen 44 und 56 Jahren sowie eine 75-jährige frühere Lehrerin aus Mainz/Wiesbaden, soll den Sturz der Regierung und die Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben. Der genaue Termin für den Prozessbeginn steht noch nicht fest und soll später mitgeteilt werden.

Den Angeklagten wird unter anderem die Gründung einer terroristischen Vereinigung, die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund sowie die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen. Die vier Männer wurden vor knapp einem Jahr unter anderem im rheinland-pfälzischen Neustadt festgenommen. Ebenfalls angeklagt ist Elisabeth R., eine frühere Religionslehrerin an einem Gymnasium in Mainz-Gonsenheim, die früher lange in Wiesbaden gelebt hat. Sie wurde im Oktober an ihrem späteren Wohnort Flöha in Sachsen festgenommen.

Terrorgruppe wollte laut Anklage „bürgerkriegsähnliche Zustände” auslösen

Sie sollen sich laut Anklage zum Ziel gesetzt haben, „mittels Gewalt sowie zumindest unter Inkaufnahme von Todesopfern in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen”. Damit habe die Gruppe, die sich spätestens Mitte Januar 2022 zusammengeschlossen habe, „den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie” herbeiführen wollen. Dazu wollte sie mithilfe von Anschlägen auf die Stromversorgung einen längeren bundesweiten Stromausfall („Blackout”) verursachen, zudem Gesundheitsminister Lauterbach gewaltsam entführen. So sollte das Land ins Chaos gestürzt werden, das die Gruppe für eine „konstituierende Versammlung” und die Absetzung der Regierung nutzen wollte. Die Versammlung sollte auch eine neue „Führungsperson” bestimmen.

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Die Ideologie der Gruppe sei maßgeblich durch Elisabeth R. geprägt, erklärte das Gericht. Aus deren Sicht habe das Grundgesetz und die Grundordnung der Bundesrepublik keine Geltung, stattdessen existiere das Deutsche Kaiserreich von 1871 weiter. Daher müsse auch wieder ein autoritär geprägtes Regierungssystem geschaffen werden. Elisabeth R. gehöre wie der Angeklagte Michael H. (44) zum „administrativen Arm” der Gruppe, Sven B. (55), Thomas K. (51) und der in Neustadt festgenommene frühere NVA-Soldat Thomas O. (56) bildeten demnach den „militärischen Zweig”. Zur Realisierung ihrer Umsturzpläne sollen Sven B. und Thomas O. schon spätestens seit Oktober 2021 in verschiedenen Telegram-Chatgruppen, danach bei persönlichen Zusammenkünften, nach Unterstützung gesucht haben. 

Elisabeth R. drängte auf schnelle Umsetzung der Terrorpläne

Elisabeth R. sei gemeinsam mit Sven B., Michael H. und Thomas O. mit der Anwerbung potenzieller Mitglieder befasst gewesen. Sie habe auf eine rasche Umsetzung des Vorhabens gedrängt und habe dazu wiederholt bestimmte Termine benannt. Zudem soll sie Schriftstücke, die bei den geplanten Aktionen verwendet werden sollten, verfasst haben. Thomas O. und Sven B. wiederum sollen laut Anklage versucht haben, Waffen und Sprengstoff zu beschaffen. Mehrere Tonnen wollten sie mutmaßlich aus dem ehemaligen Jugoslawien einführen. Thomas O., der federführend für die Planung des „Blackouts“ zuständig gewesen sein soll, habe hierfür mehrere aus seiner Sicht anschlagsgeeignete Objekte ausgekundschaftet und sich Kartenmaterial zur Strominfrastruktur beschafft. 

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Die vier Männer waren am 13. April 2022 an verschiedenen Orten in Deutschland festgenommen worden. Vorausgegangen war ein Treffen von Thomas O. mit einem verdeckten Ermittler zu einem Waffengeschäft, dabei wurde er auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes in Neustadt festgenommen. Er hatte zwei vollautomatische Sturmgewehre des Typs AK 47 sowie vier Kurzwaffen der Marke Glock mit Munition bestellt und erhalten. Bei bundesweiten Durchsuchungen waren damals etliche Schusswaffen und Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sichergestellt worden. Wenig später hatte die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen.

Weitere, noch größere „Reichsbürger”-Terrorgruppe flog im Dezember auf

Die Ermittlungen zu dieser Gruppierung führten offenbar auch zu einer anderen Gruppierung aus dem „Reichsbürger“- und Coronaleugner-Milieu, die im Dezember aufflog. Dabei wurden bundesweit sowie in Österreich und Italien mehr als 20 Personen festgenommen, Kopf der Gruppe soll der Frankfurter Immobilienunternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß sein. Auch diese Gruppe plante laut Bundesanwaltschaft den gewaltsamen Sturz der Regierung.