TSG war vor zehn Jahren Spitzenkandidat der Hessen-SPD geworden. Er hat die Partie damals aus einem Albtraum geholt. Doch mit seinen drei Anläufen, Ministerpräsident zu werden, war er gescheitert.
Von Christoph Cuntz
Redakteur Politik
Die Zukunft sah Thorsten Schäfer-Gümbel für sich als Ministerpräsident. Das hat dreimal nicht geklappt.
(Archivfoto: dpa)
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WIESBADEN - Am Anfang stand der Zusammenbruch der Hessen-SPD: Es war Thorsten Schäfer-Gümbel, der die Partei vor gut neun Jahren aus einem Albtraum geholt hatte. Die damalige Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti hatte versucht, mit einem rot-rot-grünen Bündnis an die Regierung zu kommen. Teile ihrer eigenen Fraktion hatten das vereitelt: Abgeordnete, die ein solches Bündnis nicht mittragen wollten, galten bei den einen als Rebellen, bei den anderen als Verräter.
Ypsilanti hatte den damals völlig unbekannten Schäfer-Gümbel auf den Schild gehoben. Zu seinen Aufgaben gehörte es, die Gräben, die in der Hessen-SPD aufgebrochen waren, zuzuschütten, die zutiefst zerstrittenen Flügel zu vereinen. Er hat diese Aufgabe gemeistert. Das rechnen ihm viel Genossen heute an.
Es war nicht der einzige Erfolg, den sich TSG auf die Fahne schreiben darf. 2013 gelang es der Hessen-SPD, die zum zweiten Mal mit ihm als Spitzenkandidaten angetreten war, bei der Landtagswahl 30,7 Prozent zu holen. Das war ein Aufstieg aus dem Tal der Tränen. Und ein paar Wochen lang schien es, als könnte TSG tatsächlich Ministerpräsident werden, im Übrigen als Chef einer von den Linken geduldeten rot-grünen Regierung. Doch die Verhandlungen scheiterten. Und weil in Hessen deshalb erstmals Schwarz-Grün an die Macht kam, blieb TSG, was er war: Oppositionsführer – ein Job mit „eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten“, wie er heute sagt.
ZUR PERSON
Thorsten Schäfer-Gümbel wurde 1969 in Oberstdorf geboren. Seit seinem fünften Lebensjahr wuchs er mit drei Geschwistern in Gießen auf. Sein Vater arbeitete als Lastwagenfahrer, seine Mutter als Putzfrau.
TSG ist seit 2003 Abgeordneter des Landtags, seit 2009 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion und Landesvorsitzender seiner Partei. 2013 wurde er zudem stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD.
In den Landtagswahlkampf des vergangenen Jahres war Schäfer-Gümbel dann mit umso größeren Ehrgeiz gestartet. Die Hessen-SPD sollte ein Zeichen setzen gegen den Niedergang der Partei auf Bundesebene. Die Lage schien zwar aussichtslos. Und doch verkündete der Spitzenkandidat: „Ich setze auf Sieg, und nicht auf Platz“. Er scheiterte abermals. Und diesmal endgültig. Denn das schlechteste Ergebnis, das die hessischen Sozialdemokraten in der Nachkriegszeit erzielten, ließ keinen Interpretationsspielraum. Er habe schon am Tag nach der Wahl die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles informiert, dass es für ihn keinen vierten Anlauf geben werde, sagt er jetzt.
Aufstieg aus einfachen Verhältnissen
Umso erstaunlicher, dass er gleichwohl erneut die Rolle des Oppositionsführers einnahm. Er selbst spricht jetzt von einer „Übergangslösung“. Aber es stimmt auch: TSG war alternativlos. Denn in der Landtagsfraktion sind Talente ein rares Gut. Der Parteivorsitzende, der die SPD nunmehr auf Abruf noch bis zum Herbst führt, hat das erkannt und zu einer umfassenden Modernisierung des Apparates aufgerufen. Das Wahlergebnis erfordere personelle, organisatorische und inhaltliche Konsequenzen. Es bedarf aus seiner Sicht einer umfassenden Partei- und Organisationsreform.
Der gebürtige Bayer war fünf Jahre alt, als er mit seinen Eltern nach Gießen zog. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, aus denen heraus ihm der Aufstieg bis an die Spitze der Bundes-SPD gelungen war. Er war lange Zeit Hoffnungsträger seiner Partei, ein Status, der sich nach drei gescheiterten Anläufen am Ende abgenutzt hat.
TSG jedenfalls sieht für sich kaum noch Gestaltungsspielraum, wenn er Chef der Hessen-SPD bliebe. Auf den hofft er in seinem künftigen Job: Arbeitsdirektor bei der für Entwicklungshilfe zuständigen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Mit dieser neuen Herausforderung schließt sich für ihn der Kreis. Denn: „Ich wollte schon früher Entwicklungshelfer werden“.