Das deutsche Parlament hat am Donnerstag gegen eine Einführung der Impfpflicht ab 60 Jahren gestimmt. Zuvor wurde hitzig debattiert.
Von epd und dpa
Eine Impf-Dosis wird vorbereitet.
(Symbolfoto: dpa)
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BERLIN - Der Entwurf für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland ist im Bundestag gescheitert. Den Vorschlag für eine Pflicht zunächst ab 60 Jahren lehnten am Donnerstag 378 Abgeordnete ab, dafür votierten 296 Abgeordnete und neun enthielten sich. Für eine allgemeine Impfpflicht als Vorsorge für den Herbst hatte sich auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) ausgesprochen. Wegen offenkundiger Meinungsverschiedenheiten hatte die Ampel-Koalition dazu aber keinen Regierungsentwurf eingebracht. Abgestimmt wurde daher weitgehend ohne die sonst üblichen Fraktionsvorgaben.
Um eine Mehrheit zu erreichen, hatten Abgeordnete aus SPD, FDP und Grünen noch einen Kompromiss-Entwurf vorgelegt. Dafür weichten die Befürworter einer Impfpflicht ab 18 Jahren ihren Vorschlag auf und einigten sich mit einer Abgeordnetengruppe, die für eine mögliche Impfpflicht ab 50 eintrat, auf eine gemeinsame Initiative. Dieser Vorschlag wurde als einziger ausgearbeiteter Gesetzentwurf zur Abstimmung gestellt, verfehlte aber eine Mehrheit.
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Führende FDP-Politiker begründen Nein zur Impfpflicht im Bundestag
Die FDP-Spitze hat in einer langen schriftlichen Erklärung ihr Nein bei der Abstimmung im Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht erläutert. Im Moment lasse sich eine Impfpflicht "nicht ausreichend gut begründen", heißt es darin. Unterschrieben wurde die Erklärung von allen vier Bundesministern - Christian Lindner (Finanzen), Marco Buschmann (Justiz), Bettina Stark-Watzinger (Bildung), Volker Wissing (Verkehr) - und von weiteren führenden FDP-Politikern wie Fraktionschef Christian Dürr und dem designierten Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.
In der Erklärung heißt es: Bei den aktuellen Virus-Varianten wäre eine Impfpflicht nur gerechtfertigt, wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems drohen und diese durch eine Impflicht verhindert werden würde. "Für eine solche Gefahr haben wir im Moment – glücklicherweise – trotz sehr hoher Inzidenzen keine Anhaltspunkte."
Auch das Argument, die Einführung einer Impfpflicht heute könne garantieren, dass es im Herbst keiner Corona-Schutzmaßnahmen mehr bedürfe, wiesen die FDP-Politiker zurück. "Dieses Versprechen kann nach unserer Überzeugung heute niemand sicher abgeben." Denn das Virus mutiere schnell. Wie sich dies auf die Wirksamkeit der heute bekannten Impfstoffe, die Pathogenität des Virus und die Schwere der Krankheitsverläufe auswirke, sei nicht mit Sicherheit vorhersehbar.
Konkret sahen die Pläne vor, dass für alle ab 60 Jahren eine Pflicht kommen sollte, bis zum 15. Oktober über einen Impf- oder Genesenennachweis zu verfügen. Für 18- bis 59 Jährige, die nicht geimpft sind, sollte zunächst eine Beratungspflicht kommen. Über die Pflichten, Beratungs- und Impfangebote sollten die Krankenkassen bis 15. Mai die Bürger informieren.
Seit Beginn der Pandemie war eine allgemeine Impfpflicht lange über Parteigrenzen hinweg ausgeschlossen worden. Angesichts schleppender Impfungen sprachen sich Ende vergangenen Jahres Scholz und die Ministerpräsidenten doch dafür aus. Aktuell haben mindestens 63,2 Millionen Menschen oder 76 Prozent aller Einwohner den Grundschutz mit der nötigen zweiten Spritze. Die Impf-Kampagne ist aber nahezu zum Erliegen gekommen. Bereits seit Mitte März greift eine Impfpflicht für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen.
In der Aussprache unmittelbar vor der Abstimmung im Bundestag hatten sich Befürworter und Gegner einer allgemeinen Impfpflicht einen heftigen Schlagabtausch geliefert.
Clemens Hoch: „Das Signal ist fatal“
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch hat das Scheitern des Entwurfs für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland zunächst ab 60 Jahren bedauert. „Das Signal ist fatal“, teilte der SPD-Politiker am Donnerstag in Mainz mit. „Wir hätten in Deutschland eine allgemeine Impfpflicht dringend gebraucht, denn wir erwarten spätestens im Herbst eine weitere Welle. Diese Welle werde wieder Einrichtungen wie Krankenhäuser belasten, insbesondere wegen des hohen Risikos für schwere Verläufe bei ungeimpften Menschen über 60 Jahren.
Hoch sagte weiter, es müsse mit neuen Virusvarianten gerechnet werden. Daher sei auch nicht ausgeschlossen, dass wieder Maßnahmen nötig würden, die von einer breiten Akzeptanz getragen werden müssen. „Und die ist nicht garantiert, wenn es kein Instrument gibt, das auch jene in die Pflicht nimmt, die bisher glaubten, die Pandemie gehe sie nichts an und die Verantwortung für den Weg zurück in die Normalität läge bei allen anderen.“ Es sei schwer vermittelbar, Einschränkungen für Jüngere damit zu begründen, dass es zu viele ungeimpfte Ältere gebe. „Die heutige Entscheidung ist alles andere als weitsichtig und macht die Herausforderungen im Umgang mit der Pandemie noch größer.“
Kai Klose: „Impfpflicht wäre wichtig und richtig gewesen“
Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) hat das Scheitern des Entwurfs für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland zunächst ab 60 Jahren bedauert. „Die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht wäre wichtig und richtig gewesen“, erklärte Klose am Donnerstag in Wiesbaden. Die Corona-Pandemie sei noch nicht vorbei. Bei allen regionalen Unterschieden sei die Impfquote in Deutschland insgesamt zu niedrig.
„Allein mit freiwilligen Appellen werden wir die Pandemie nicht zu einem Ende bringen“, betonte Klose in einer gemeinsamen Mitteilung mit seinen Amtskolleginnen aus Baden-Württemberg, Berlin und Brandenburg. Ohne ausreichend hohen Impfschutz in der Bevölkerung drohten im Herbst eine erneute Welle und damit erhebliche Freiheitseinschränkungen.
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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 07.04.2022 um 12:48 Uhr publiziert.