„Warum haben Sie ein Herz für Bekloppte, Herr Wischmeyer?“

Dietmar Wischmeyer

Der Kabarettist Dietmar Wischmeyer gehört von Anfang an zur Besetzung von Oliver Welkes „heute-show“ im ZDF – und ist doch froh, nicht nur aufs Fernsehen angewiesen zu sein.

Anzeige

Herr Wischmeyer, laden Sie noch zu Ihren legendären Mett-Partys ein?

Wie bitte? (Lacht)

Ich war mal bei Ihnen auf einer Party, da habe ich den größten Haufen Mett gesehen, den es jemals außerhalb einer Fleischerei gab.

Daran kann ich mich nicht erinnern.

Also war das kein Standard?

Nein. Das Mettbrötchen gehört ohnehin zu den gefährdeten Arten. Ich war an einer Autobahnraststätte, wo ich grundsätzlich ungern hingehe, da gab’s Bagels mit Knoblauchschinken. Die Zeiten, als man darauf vertrauen konnte, unterwegs Mettbrötchen zu bekommen, sind vorbei. Das deutsche Fast Food ist im Rückschritt begriffen.

Seit gut zehn Jahren in der ­„heute-show”

Ihnen lagen stets die Bekloppten und Bescheuerten am Herzen. Wie kommt das?

Das war einfach ein guter Titel für die erste Radiokolumne, die hieß „Logbuch aus dem Land der Bekloppten und Bescheuerten“. Das Konzept war, als Kolumnist die Menschen da draußen als Indi­gene einer anderen Welt wahrzunehmen. Man ist erstaunt über das, was andere für normal halten, und das ist dann halt bekloppt und bescheuert. Man ist ja nicht voller Bewunderung für das Alltagsleben anderer Menschen, die in Jogging­hosen am EC-Automaten stehen und sich an den Eiern kratzen.

Sie haben die Bescheuerten aber durchaus mit Sympathie betrachtet.

In gewisser Weise, ja. Ich habe schlimme Sachen über Maurer und Handwerker geschrieben, und am meisten haben sich die Maurer und Handwerker darüber gefreut. Die denken, so extrem sind die anderen Maurer alle. Jeder hat das Recht, gesichtswahrend aus einer Veranstaltung rauszugehen.

Seit gut zehn Jahren sind Sie Gast in der ­„heute-show”. Wie kamen Sie dazu?

Ich kenne Oliver Welke schon lange, aus der Zeit des Frühstyxradios. Als die „heute-show“ entstand, wurde ich gefragt, ob ich Headwriter werden wolle. Ich fand den Job nicht uninteressant, aber er hätte mich genötigt, nach Köln zu ziehen. Genauso gut hätte man mich fragen können, ob ich einen Lokus in Kuala Lumpur beaufsichtigen möchte.

Hat Oliver Welke Sie angerufen?

Ich habe mit Olli gesprochen, dann war ich für drei Tage Autor. Ich habe aber da nicht viel Gutes produziert. Dann hieß es: „Mach doch mal eine Figur.“ Die Wahl fiel auf das „Logbuch der Bekloppten und Bescheuerten“. Die „heute-show“ ist das einzige Fernsehen, das ich mache. Die sind alle nett und es ist eine kompetente Sendung; alles so, wie man es sich wünscht. Das reicht mir aber auch.

Sie haben für die „heute-show“ drei Deutsche Comedypreise, zwei Deutsche Fernsehpreise sowie den Bambi im Regal stehen. Sind das Ensemble-Auszeichnungen?

Ja, da hänge ich mit drin. Als Solokünstler habe ich mehrfach den Niedersächsischen Hörfunkpreis bekommen und einige andere. Darunter den Comedypreis einer Zigarettenmarke, die ich schon vergessen habe. Dafür gab es 20 000 DM. Das war der einzige dotierte Preis, den ich erhalten habe.

Ist so etwas steuerfrei?

Damals ja. Mittlerweile ist, glaube ich, der Preis für das Lebenswerk steuerfrei, bei den anderen muss die Hälfte versteuert werden. Die Dotierungen werden immer spärlicher.

Bedeuten Ihnen Preise etwas?

Nein. Den Nobelpreis werde ich nicht bekommen, also was käme infrage?

Eine schöne Dotierung wäre ein Buch weniger, das Sie schreiben müssten.

Ach nee. Stellen Sie sich vor, für den Kleinwümmeder Lustigpreis gäb’s 2000 Euro. Dafür muss ich mir die ganzen Lobhudeleien anhören. Wenn ich in Kleinwümmede auftreten wollte, sollte es mir möglich sein, 300 Leute zu finden, die Eintritt bezahlen. Dann habe ich auch 2000 Euro, kann machen, was ich will, und muss nicht mit dem Bürgermeister sprechen.

Anzeige

Sie sind durch die „heute-show“ bundesweit bekannt geworden. Ihre Tour ab April findet aber trotzdem nur in Norddeutschland statt.Sie sind durch die „heute-show“ bundesweit bekannt geworden. Ihre Tour ab April findet aber trotzdem nur in Norddeutschland statt.

„Günther, der Treckerfahrer – Jahreshauptversammlung“ heißt die Tour. Die Figur ist aus dem Radio nur in Norddeutschland bekannt. Im angrenzenden Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt trete ich auch auf. Mit anderen Touren bin ich in ganz Deutschland gewesen. Durch die „heute-show“ kann ich genauso gut in München oder Stuttgart auftreten, das mache ich aber nicht so häufig.

Warum nicht?

Ist zu weit.

Treten Sie gerne live auf?

Nein. Aber ein Live-Auftritt ist die einzige Erlössituation, die man noch hat. Wir haben zu Anfang Kassetten verkauft, dann CDs, dann Bücher. Kannst du alles vergessen. Durch das Streaming ist der Hardware-Verkauf von Comedy-Inhalten zum Erliegen gekommen. Deswegen drängen ja alle auf den Live-Markt: Hundetrainer, Köche, Coaches. Ich bin jetzt nicht so die Rampensau. Ich freue mich, wenn die Leute sich freuen, und habe null Lampenfieber. Es kann aber schon mal was schiefgehen. Ich habe neulich das Manuskript vergessen und musste die erste Stunde improvisieren.

Haben Sie aus dem Stegreif gesprochen?

Ich war Gott sei Dank mit einer Kollegin auf der Bühne. Die hatte ein Manuskript, also konnte sie mir ab und zu ein Stichwort rüberschicken. Die hat Blut und Wasser geschwitzt, weil sie ja auch auf meine Stich­worte angewiesen war.

Achten Sie bei Ihren Texten für die „heute-show“ darauf, dass die kein Shitstorm-Potenzial enthalten?

Nein. Erstens ist mir das egal, zweitens werden die von zig Leuten gelesen, vom Head-Autor, vom Justiziar des ZDF. Trotzdem kommen natürlich Shitstorms, allein schon durch die ganzen Bots der rechten Szene. Welke hat gesagt: „Der Shitstorm ist der Kleinkunstpreis der Gegenwart.“ Da ist was dran.

Sorgt die Political Correctness für eine Schere im Kopf?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das gar nicht im Kopf habe. Manche Worte, die einem früher über die Lippen gingen, sagt man heute nicht mehr. Es ist ein Zugeständnis an den Zeitgeist. Dass sich sprachlich etwas ändert, muss man nicht gut finden, aber Rücksicht nehmen. Ich meine aber nicht, dass man jeden Eskimo Inuit nennen muss, obwohl er das will. Manchmal ärgere ich mich über Neusprech. Früher sagte man Farbige, dann Schwarze, jetzt heißt es People of Colour, was ich abartig finde. Wenn die Hautfarbe gleichgültig ist, was ich so empfinde, sollte man sie nicht in der Bezeichnung einer Gruppe von Menschen finden. Ich gendere auch nicht. Das ist eine Frechheit den Frauen gegenüber. Menschen auf die Geschlechtszugehörigkeit zu reduzieren, finde ich genauso blöd wie auf die Hautfarbe.

Bekommen Sie von jenen, die Ihre Texte lesen, manchmal die Rückmeldung, was zu ändern?

Ja, sicher. Ich bin auch für den WDR tätig. Wenn die fragen, ob ich gendern will, sage ich Ja und mache es einfach nicht. Gendern ist ein Distinktionsmerkmal einer Gruppe, die nicht mehr weiß, wie sie sich abgrenzen soll. Du musst dich als hipper junger Mensch durch was ausweisen, was Menschen über 40 blöd finden, und da ist Gendern super.

Sind Sie in Bezug auf Ihre Gags sperrig oder verständig?

Ich bin unkompliziert. Meine Texte für die „heute-show“ werden oft umgebaut, weil ich gar nicht den Überblick über die gesamte Sendung habe. In dem Podcast, den ich mit Tina Voß für Radio Bremen Zwei mache, haben wir mal auf absurde Zeitgeisterscheinungen rekurriert: Anal-Bleaching. Das ist mehrfach rausgeschnitten worden. Seitdem suchen wir Möglichkeiten, Anal-Bleaching unterzubringen. Das finden die Redakteure auch lustig.

pnawai. Ucc illneyx ajlrkfipe