So glücklich sind die Deutschen

aus Was Schönes

Thema folgen
Wie glücklich die Deutschen sind, erforscht Bernd Raffelhüschen. Das Ergebnis steht im Glücksatlas.
© zaie - stock.adobe

Bernd Raffelhüschen analysiert jedes Jahr das Glück der Deutschen. Im Interview erklärt er, wovon Glück abhängt und wie man es messen kann.

Anzeige

REGION. Der Wissenschaftler Bernd Raffelhüschen erstellt jedes Jahr den Glücksatlas und weiß, dass Geld allein nicht glücklich macht. Warum das so ist und ob man Zufriedenheit erlernen kann, erläutert der Professor der Uni Freiburg im Interview.

Herr Raffelhüschen, Sie beschäftigen sich damit, wie glücklich die Deutschen sind. Sind Sie selbst ein glücklicher Mensch?

Absolut. Ich war sogar so glücklich, gerade einen schweren Unfall zu überleben - ohne eine Schramme, aber das Auto ist Schrott. Ich hatte Glück. Allerdings ist das die Art von Glück, die mit dem SKL-Glücksatlas nichts zu tun hat. Wir messen nicht Glück, sondern Zufriedenheit. 

Wie messen Sie Zufriedenheit?  

Zufriedenheit wird subjektiv gemessen auf einer Skala von 0 bis 10. Null ist absoluter Frust, zehn heißt total zufrieden. Wir messen, wie viele Teilnehmer was ankreuzen. Dann fragen wir dieselben Leute nach den objektiven Lebensumständen und ihre subjektive Empfindung. Wir fragen nach der Gesundheit, dem Einkommen, ob sie in einer Partnerschaft sind. Denn wenn es objektive Umstände gibt, die zufrieden machen, könnte man daran arbeiten.  

Ein Ergebnis des Glücksatlas 2022 ist, dass sich junge Menschen von der Pandemie langsamer erholen. Warum? 

Junge Menschen haben in der Pandemie deutlich stärker gelitten als Ältere. Im Lebenszyklus sind die Jüngeren immer die zufriedeneren, weil sie gemeinhin etwas blauäugig sind. Ihre Zufriedenheit hat durch Corona und Lockdowns einen Dämpfer bekommen, weil sie in dem einen der vier Gs für die Zufriedenheit, nämlich der Gemeinschaft, sehr stark eingeschränkt waren. 

Was sind die vier Gs? 

Das sind die Marker für Zufriedenheit: Gesundheit. Gemeinschaft, also Partnerschaft, Kinder, Freunde. Geld: Der Volksmund denkt, Geld macht nicht glücklich. Aber statistisch gesehen macht Geld glücklich. Das vierte G ist die genetische Disposition, die Mentalität.  

Pandemie, Krieg, Inflation – wie lange wird es dauern, bis die Menschen wieder so zufrieden sind wie 2019? 

Das können wir nicht sagen. Die Krisen haben wir nun zum ersten Mal statistisch erfasst. Wir wissen nur, Corona hat uns einen Dämpfer gegeben. Dieser wurde schon wieder aufgeholt. Der Aufstieg geht aber seit dem Krieg nicht mehr so steil nach oben. Es folgte wie üblich das Stimmungshoch im Juli/August. Dann haben uns die Reallohnverluste im Herbst einen neuen Dämpfer verpasst. 

Bei der Gleichberechtigung ist noch Luft nach oben. Beim Glück ist die Lücke zwischen Männern und Frauen nicht groß. Warum? 

Frauen sind immer die zufriedeneren. Das ändert sich nur im Alter. Wenn die Frauen 65 sind, geht die Zufriedenheit unter das Niveau der Männer. Manche unken, dass das daran liegt, dass der Mann ab 65 zuhause ist. Aber ältere Frauen haben meist einen Mann, der noch einige Jahre älter ist. Die Frauen werden unzufriedener, wenn der Mann nicht mehr da ist. In der Pandemie haben sich die Normalzustände jedoch umgekehrt. Frauen hatten die Hauptlast zu tragen: Homeoffice, Homeschooling, Haushalt. Damit sind die Frauen sind deutlich abgesackt unter das Niveau der Männer. Sie holen aber wieder auf. 

Anzeige

Klicken Sie auf Ihr Bundesland, um zu sehen, auf welchem Rang Hessen und Rheinland-Pfalz beim Glücks-Ranking sind.

Die glücklichsten Deutschen leben in Schleswig-Holstein. Im weltweiten Vergleich liegen skandinavische Länder vorne. Woran liegt das? 

Betrachten wir zunächst Hamburg und die vier Gs. Hamburger haben viel Einkommen und Vermögen. Stadtmenschen sind mehr unterwegs mit ihren Kumpels. Die Partnerschaften in einer Stadt sind nicht so stabil wie auf dem Land, aber wenn man sich scheiden lässt, muss man nur zwei U-Bahnstationen weiter und findet neues Glück. Auch bei der Gesundheit tun die Hamburger was. So viele joggen an der Alster. In Schleswig-Holstein sind die Menschen, was das Gehalt angeht, quasi Ostdeutsche. Sie haben eher weniger Einkommen. Gemeinschaft funktioniert auf dem Land ganz gut. Gesundheit: Sie fahren eher Auto als zu laufen und die Versorgung ist nicht so gut. Nach diesen drei Gs müsste man die Schleswig-Holsteiner hinter den Hamburgern finden. Tut man aber nicht. Das heißt, das vierte G, die genetische Disposition, ist entscheidend.  

Wie meinen Sie das?

Die Schleswig-Holsteiner machen es sich plauschig, schön, trinken am Nachmittag Tee mit ein wenig Köm. Das Land ist nah an Dänemark und dieses liegt immer unter den glücklichsten der Welt. Deren Mentalität zeigt sich auch im Dänischen. Wenn Sie sich von einem Kumpel verabschieden, sagen Sie: Mach es dir gemütlich.  

Ist die Mentalität das wichtigste G? 

Wenn Sie eine Analyse der Gs machen und schauen, ob sie additiv oder multiplikativ sind, finden wir in jedem Land der Welt die multiplikative Verknüpfung. 

Was heißt das? 

Additiv heißt zusammenzählen: G1 plus G2 plus G3 plus G4. Nehmen Sie einen Frustkopf, schütten ihn mit Geld zu, er ist fit wie ein Turnschuh und Sie binden ihm die schönste Frau der Welt um den Bauch. Dann hat er viel plus viel plus viel plus nichts, weil seine Mentalität so ist. Macht zusammen trotzdem viel. Der Mann ist aber nicht zufrieden im Leben. Multiplikativ heißt: Man multipliziert die Gs. Viel mal viel mal viel mal null ergibt null. Bei der Glücksforschung auf der ganzen Welt zeigt sich: Es geht nie ums Extreme, sondern um die Balance.

Was folgt aus den Ergebnissen des Glücksatlas?  

Man weiß, warum wir zufrieden sind. Wenn wir wissen, was die vier Gs sind, wissen Sie, woran Sie arbeiten können und dass Sie die anderen nicht vernachlässigen. 

Und an wen richtet sich der Glücksatlas? An Privatpersonen, Politik, Krankenkassen? 

An alle, die Sie nennen. Es ist ein populärwissenschaftliches Buch. Wir haben versucht, es verständlich zu schreiben. Für diejenigen, die darin das Glück suchen: Sie werden es nicht finden, aber ein paar Tipps sind drin. 

Das heißt: Glück kann man lernen? 

Nein, aber man kann an seiner Zufriedenheit arbeiten. 

Bernd Raffelhüschen, Professor an der Universität Freiburg.
Bernd Raffelhüschen, Professor an der Universität Freiburg.
© Raffelhüschen/privat
Anzeige