Schweres Erdbeben erschüttert Haiti: Opferzahlen gestiegen

Ein Mann geht über die Trümmer eines eingestürzten Hauses, nachdem der Tropensturm «Grace» über das Gebiet hinweggefegt ist. Nach dem Erdbeben in Haiti mit mehr als 1400 Toten haben starke Regenfälle die Menschen in der betroffenen Region im Südwesten des Karibikstaates in neue Nöte gestürzt.  Foto: Matias Delacroix/AP/dpa

Fast 2000 Menschen verlieren in dem bitterarmen Land ihr Leben. Und noch sind die Bergungsarbeiten nicht am Ende.

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AUS ALLER WELT. Erneut hat in Haiti die Erde gebebt. Es gibt zahlreiche Opfer, viele Gebäude sind zerstört. Erinnerungen an das verheerende Beben im Jahr 2010 werden wach.

18. August Fast 2000 Tote: Opferzahlen nach Beben in Haiti deutlich gestiegen

Die vorläufige Zahl der Erdbeben-Todesopfer in Haiti ist noch einmal um mehr als 500 auf 1941 gestiegen. Mehr als 9900 Menschen seien verletzt worden, teilte die haitianische Zivilschutzbehörde am Dienstag auf Twitter mit. Einen Tag zuvor waren es noch 1419 bestätigte Tote gewesen. Die Such- und Rettungsarbeiten gingen am Dienstag weiter, nachdem der Tropensturm "Grace" in der Nacht über das betroffene Gebiet auf der südhaitianischen Halbinsel Tiburon hinweggefegt war und mancherorts Überschwemmungen verursacht hatte. Zehntausende Menschen, die im Beben ihr Zuhause verloren hatten, konnten sich mit Zelten und Planen nur notdürftig schützen.

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Es gab allerdings auch Hoffnungsschimmer: Am Dienstagmorgen (Ortszeit), drei Tage nach dem Beben, wurden nach Angaben des Zivilschutzes in der Ortschaft Brefèt aus den Trümmern eines früheren UN-Gebäudes 16 Menschen lebend geborgen. Auch kam allmählich Hilfe in der Erdbebenregion an. Die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) flog nach eigenen Angaben 52 Menschen zur medizinischen Behandlung aus. Die Krankenhäuser in der Gegend waren überlastet, schlecht ausgestattet, personell unterbesetzt und selbst beschädigt.

Das Beben der Stärke 7,2 hatte sich am Samstagmorgen (Ortszeit) nahe der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud östlich von Les Cayes in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Gut 37 000 Häuser wurden laut Zivilschutzbehörde zerstört, fast 47 000 beschädigt. Nach Unicef-Angaben waren 1,2 Millionen Menschen betroffen. Die Not war groß in dem Gebiet, das fünf Jahre zuvor von Hurrikan "Matthew" verwüstet worden war. Es fehlte am Nötigsten. "Die humanitäre Lage ist sehr besorgniserregend", erklärte das Büro des Interims-Premierministers Ariel Henry. Bei einem Erdbeben der Stärke 7,0 im Januar 2010 waren in Haiti, dem ärmsten Land Amerikas, mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen und mehr als eine Million Menschen obdachlos geworden. Der Wiederaufbau litt stark unter Korruption und Verschwendung.

Haitis ohnehin schwer unterfinanziertes Gesundheitssystem ist durch die sich zuletzt verschlimmernde Pandemie überstrapaziert. Hinzu kommt eine tiefe politische Krise, die sich nach der Ermordung des Staatspräsidenten Jovenel Moïse durch eine Kommandotruppe in seiner Residenz in der Nacht zum 7. Juli noch verschärft hat. Kämpfe zwischen Banden um Territorium legen Teile der Hauptstadt Port-au-Prince immer wieder lahm und trieben allein im Juni nach UN-Zahlen rund 15 000 Menschen in die Flucht.

Banden kontrollieren auch die Hauptstraße in den Süden des Landes und blockieren sie. Die Regierung und UN-Vertreter hätten ausgehandelt, dass zwei Hilfskonvois die Straße befahren dürften, teilte die UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) mit. Die haitianische Menschenrechtsorganisation RNDDH kritisierte die Katastrophenhilfe der Regierung als "totales Chaos". "Sie sind völlig sich selbst überlassen", hieß es hinsichtlich der Erdbebenopfer. Im Sturm seien viele der wenigen Zelte und Planen gerissen, so dass sie "nun wirklich gar kein Dach über dem Kopf mehr haben", sagte Sibille Buehlmann von der Organisation Handicap International aus Port-au-Prince der Deutschen Presse-Agentur. Auch in den noch stehenden Häusern in der Erdbebenregion schlafe niemand mehr - weil sie instabil geworden sein könnten und wegen ständiger Nachbeben.

16. August 1300 Todesopfer gemeldet - Sturm Grace naht

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Die Zahl der Todesopfer nach dem Erdbeben auf Haiti steigt weiter stark an - nun drohen heftige Regenfälle und Sturm auch noch die verzweifelte Suche nach Überlebenden zu erschweren. 1297 Tote meldete der Zivilschutz des Landes auf Twitter am Sonntagabend (Ortszeit). Befürchtet wird eine noch höhere Zahl, weil Tausende Gebäude zerstört wurden. Menschen wurden unter eingestürzten Wohnhäusern, Hotels, Schulen, Kirchen begraben. Bergungsarbeiten und Hilfsmaßnahmen sind angelaufen. Nun könnte bereits am Montag ein tropisches Tief das Katastrophengebiet treffen.

Zuvor hatte der Leiter des Zivilschutzes, Jerry Chandler, von mindestens 724 Toten berichtet. Mehr als 5700 Menschen wurden verletzt, wie die Zeitung "Le Nouvelliste" unter Berufung auf den Zivilschutz berichtete. Rund 13.700 Häuser wurden demnach zerstört und ebenso viele beschädigt. Haiti befindet sich weiter in Alarmbereitschaft, die nächste Gefahr steht möglicherweise bereits bevor: Das Nationale Hurrikan-Zentrum in Miami stufte Tropensturm "Grace", der sich Haiti näherte, zwar herab. Es sagte aber heftigen Regen für die Dominikanische Republik und Haiti am Montag vorher, was die Rettungsarbeiten weiter beeinträchtigen könnte.

Viele starke Nachbeben in der Nacht

Das Beben, dessen Stärke die US-Behörde USGS mit 7,2 angab, hatte sich am Samstagmorgen rund zwölf Kilometer von der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Bei vielen teils starken Nachbeben verbrachten zahlreiche Menschen nach Berichten in sozialen Medien die Nacht auf Sonntag im Freien.

Krankenhäuser waren überlastet. Im Innenhof eines Hospitals in Jérémie, einer der am meisten betroffenen Städte, warteten Verletzte in Zelten auf ihre Behandlung, wie in einem Video in sozialen Netzwerken zu sehen war. Straßen waren nach Erdrutschen versperrt.

Teile des armen Karibikstaats waren bereits im Jahr 2010 von einem schweren Erdbeben verwüstet worden. Im Zentrum des Bebens lag damals Haitis dicht besiedelte Hauptstadt Port-au-Prince. 222.000 Menschen starben, mehr als 300.000 wurden verletzt. Mehr als eine Million Menschen verloren ihr Zuhause. Auch politisch ist die Lage äußerst angespannt - erst Anfang Juli war Staatspräsident Jovenel Moïse in seiner Residenz ermordet worden.

15. August Mindestens 300 Todesopfer, viele werden noch vermisst

Bei einem schweren Erdbeben im Süden Haitis sind mindestens 304 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 1800 Menschen wurden verletzt, wie der Katastrophenschutz des Landes auf Twitter am Samstagabend (Ortszeit) meldete. Darüber hinaus wurden zahlreiche Gebäude zerstört. Rettungskräfte und Bürger bargen zahlreiche Menschen aus den Trümmern. Es werden noch mehr Opfer befürchtet.

Das Beben, dessen Stärke die US-Behörde USGS mit 7,2 angab, ereignete sich am Samstagmorgen rund zwölf Kilometer von der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud in einer Tiefe von rund zehn Kilometern. Danach wurde Haiti von mehreren Nachbeben erschüttert, die nach USGS-Angaben Stärken bis zu 5,2 erreichten. Das Beben weckt Erinnerungen an das verheerende Erdbeben im Jahr 2010, bei dem mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen waren.

Der Nationale Wetterdienst der USA (NOAA) gab zunächst eine Tsunami-Warnung heraus - nahm diese aber kurze Zeit später wieder zurück. Viele Gebäude wurden durch das Beben zerstört, wie auf Fotos und Videos in sozialen Netzwerken zu sehen war. Berichten zufolge wurden Menschen unter Trümmern begraben, Krankenhäuser waren überlastet und beschädigt. Die Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO) schickte ein Expertenteam.

Noch immer Suche nach eingeschlossenen Menschen

Such- und Rettungsarbeiten des Internationalen Rote Kreuzes konzentrierten sich auf die Gegend um die besonders betroffenen Städte Jérémie und Les Cayes, weil dort noch Menschen eingeschlossen sein könnten. Die Organisation sandte ebenfalls Notfallspezialisten. Hilfsgüter für mindestens 4500 Menschen stünden bereit. Darüber hinaus würden in Panama und der Karibik Notfallgüter bereitgehalten und zur Verfügung gestellt.

Interims-Premierminister Ariel Henry besuchte nach eigenen Angaben das Department Grand' Anse und überflog die Stadt Les Cayes, um sich ein Bild vom Ausmaß der Schäden zu machen. Er rief einen einmonatigen Notstand aus. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Kolumbien, Argentinien, Mexiko, Kanada und die USA boten Hilfe an.

"Die Vereinigten Staaten bleiben dem haitianischen Volk ein enger und beständiger Freund, und wir werden auch nach dieser Tragödie da sein", hieß es in einer Mitteilung des US-Präsidenten Joe Biden. "Wir sprechen all jenen unser tiefstes Beileid aus, die einen geliebten Menschen verloren haben oder deren Häuser und Geschäfte zerstört wurden".

Die Bundesregierung rief dazu auf, die betroffenen Gebiete im Südwesten des Inselstaates zu meiden. "Es muss mit zahlreichen Toten und Verletzten sowie starken Schäden an Gebäuden und Infrastruktur gerechnet werden. Es kommt weiterhin zu starken Nachbeben", warnte das Auswärtige Amt am Samstagabend. "Meiden Sie die betroffene Gegend", hieß es in den Reise- und Sicherheitshinweisen. Von Reisen nach Haiti wird schon seit längerem dringend abgeraten.

Erbeben 2010 hinterließ schwere Verwüstung

Teile des armen Karibikstaats Haitis waren bereits im Jahr 2010 von einem schweren Erdbeben verwüstet worden. Im Zentrum des Bebens lag damals Haitis dicht besiedelte Hauptstadt Port-au-Prince. 222 000 Menschen starben, mehr als 300.000 wurden verletzt. Mehr als eine Million Menschen verloren ihr Zuhause.

Der Wiederaufbau kam auch durch die politische Instabilität nur schleppend in Gang. Der bitterarme Karibikstaat Haiti wird immer wieder von Krisen heimgesucht. Im Juli war Präsident Jovenel Moïse ermordet worden. Er wurde in seiner Residenz von einer schwer bewaffneten Kommandotruppe überfallen und erschossen.

Von dpa