Es gebe gute Gründe für Russland, die eigenen Pipelines zu zerstören, meint der Sicherheitsexperte Peters. Welche das sind und warum er die USA als Verursacher ausschließt.
BERLIN. Der Sicherheitsexperte Johannes Peters hält es für "relativ unwahrscheinlich", dass die Schäden an den Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und 2 durch einen Unfall entstanden sein könnten. Vielmehr vermute er Russland hinter dem mutmaßlichen Sabotageakt. "Das wirkt vordergründig natürlich etwas widersinnig, die eigenen Pipelines zu zerstören", sagte der Experte vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin". Es gebe aber durchaus gute Gründe dafür.
Ein Grund sei sicherlich, ein "starkes Signal" an Europa zu senden, vor allem an Deutschland und Polen, dass man dasselbe auch mit Pipelines machen könnte, die für unsere Versorgungssicherheit deutlich wichtiger seien, etwa die Pipelines aus Norwegen: "Also seid euch mal nicht so sicher, dass ihr für den Winter gut aufgestellt seid und dass ihr in der Lage seid, unser Gas zu kompensieren."
Experte hält USA als Verursacher der Gaslecks für nahezu ausgeschlossen
Ein weiterer möglicher Grund für einen möglichen russischen Sabotageakt sei, dass man im Winter "die noch intakte Nordstream-2-Röhre dazu nutzen kann, um Druck auf Deutschland zu erhöhen, wenn beispielsweise der innenpolitische Druck auf die Regierung wachsen sollte, weil die Gaspreise hoch sind, weil wir vielleicht doch nicht genügend Gas haben für den Winter." Dann könnte Russland anbieten, durch die intakte Leitung doch noch Gas zu liefern. Dafür müsste Deutschland aber "aus dem westlichen Sanktionsregime ausscheren."
Die ebenfalls verbreitete These, dass die USA die Lecks verursacht haben könnten, "um zu verhindern, dass Europa in einem kalten Winter doch zu den Russen zurückfindet", hält Peters indes für nahezu ausgeschlossen.
Weiteres Leck entdeckt
In der Nacht zum Montag war zunächst in einer der beiden Röhren der nicht genutzten Pipeline Nord Stream 2 ein starker Druckabfall festgestellt worden. Später meldete der Nord-Stream-1-Betreiber einen Druckabfall auch in diesen beiden Röhren.
An den Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee gibt es insgesamt vier statt wie bisher bekannt drei Lecks. Zwei davon befinden sich in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens und zwei in derjenigen Dänemarks, wie die Kommandozentrale der schwedischen Küstenwache am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Bislang war stets von drei Lecks die Rede gewesen, auch von Regierungsseite – zwei in der Wirtschaftszone Dänemarks und eines in der von Schweden. Zuerst hatte die schwedische Zeitung "Svenska Dagbladet" darüber berichtet. Demnach sollen sich die beiden Lecks in schwedischen Gewässern dicht beieinander in der Nähe von Simrishamn befinden. Bisherigen Erkenntnissen zufolge scheint das größere der beiden an Nord Stream 1 zu liegen, das kleinere an Nord Stream 2.
Mehrere Länder brachten bereits am Dienstag einen Anschlag auf die europäische Gasinfrastruktur als Ursache für die als beispiellos geltenden Schäden ins Spiel. Die EU und die Nato gehen von Sabotage aus. US-Außenamtssprecher Ned Price sagte, die US-Regierung wolle keine Mutmaßungen über mögliche Hintermänner einer Sabotage-Aktion anstellen, bis Untersuchungen an den Erdgasleitungen abgeschlossen seien. Der Kreml hatte am Mittwoch Spekulationen über eine russische Beteiligung an der Beschädigung der Pipelines als "dumm und absurd" zurückgewiesen.
Von dpa