
34 seniorengerechte Wohnungen und eine WG will der Hessische Diakonieverein im alten Martin-Luther-Haus bauen. Losgehen soll es schon bald.
Pfeddersheim. Wer das Foyer betritt, dem schlägt ein kalter Luftzug entgegen. Das unbeheizte, alte Gebäude ist völlig ausgekühlt, zur Rechten stapeln sich Stühle und einige verhüllte Möbel, die wirken, als habe der Umzugsdienst vergessen, sie mitzunehmen. Die Wände des ehemaligen Speisesaals sind kahl, vor seinen Fenstern wuchert langsam das Unkraut durch die Ritzen des Terrassenbodens. Vor sieben Monaten mussten die letzten Bewohner das von Agaplesion betriebene Seniorenheim „Martin-Luther-Haus” verlassen. Sowohl Brandschutz als auch die Statik machten Probleme, Agaplesion hätte das aus einem Altbau und einem 1986 eröffneten Ostflügel bestehende Gebäude generalsanieren müssen. Doch der Weiterbetrieb als Altenheim wäre nach einer so umfassenden Sanierung nicht mehr wirtschaftlich gewesen.
Groß war die Sorge in Pfeddersheim daher, dass das prominente Gebäude, das als erstes im Stadtteil südlich des Bahnübergangs gebaut wurde, ein ähnliches Schicksal ereilen könnte wie die alte Bergschule, die seit mehr als drei Jahren leer steht. Zwischenzeitlich sei im Stadtrat diskutiert worden, das Martin-Luther-Haus vom Träger, dem Hessischen Diakonieverein (HDV), zu pachten, um dort Flüchtlinge unterzubringen, berichten die Stadtratsmitglieder Dr. Klaus Karlin (CDU) und Heidi Lammeyer (SPD). „Ein Waisenhaus für ukrainische Flüchtlinge war im Gespräch, aber der HDV hatte andere Pläne mit dem Gebäude”, bestätigt Stadtentwicklungsdezernent Timo Horst (SPD).
Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, nicht zuletzt auch für Senioren
Denn der HDV, der das Haus ursprünglich an das Pflegeunternehmen Agaplesion verpachtete, möchte das ehemalige Altenheim nun in 34 Seniorenwohnungen und eine Senioren-WG aufteilen. „Bezahlbarer Wohnraum ist knapp, nicht zuletzt auch für Senioren”, sagt HDV-Vorstandsvorsitzender Werner Böck. Die Wohnungen sollen zwischen ein bis zwei Zimmer haben und 50 bis 70 Quadratmeter umfassen. Damit seien sie nicht nur für Alleinstehende, sondern auch für Paare interessant. Das Foyer mit dem Gemälde Barbara Heinischs soll erhalten bleiben, ebenso der Andachtsraum. Im Keller soll ein Gemeinschaftsraum für Feiern entstehen, so Böck.
Im ehemaligen Verwaltungstrakt zur viel befahrenen Odenwaldstraße hin soll eine Sozialberatung eingerichtet werden. Denkbar seien auch ein Friseursalon oder eine Physiotherapie-Praxis im Keller, führt Michael Hackmer vom Architekturbüro Aecon weiter aus. Man versuche, möglichst wenig am Gebäude zu verändern, außer dem Anbau von Balkonen sowie dem Bau einer Dachterrasse seien keine äußerlichen Veränderungen geplant. Eines aber soll das Martin-Luther-Haus nicht mehr werden: ein Altenheim.
Baubeginn schon im Oktober
„Mit Demenz wird man hier nicht mehr wohnen können, das ist auch mit ambulanter Pflege nicht möglich”, erklärt Böck. An Rollstuhlfahrer oder körperlich stark eingeschränkte Personen sei aber gedacht, für diese stünden eigens sieben behindertengerechte Wohnungen zur Verfügung. HDV werde aber keine Verpflegung oder Betreuung anbieten: „Die Seniorenwohnungen bieten eine Chance, im Alter nicht zu vereinsamen. Wir möchten die baulichen Voraussetzungen schaffen, die Initiative muss von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst kommen.”
Pfarrerin Almut Kunzmann hat bereits angeboten, einen Besuchsdienst zu organisieren. Das Haus gehöre zur Kirchengemeinde – auch wenn es nicht mehr so sei wie früher. Daran, dass es im Ort nun kein Altenheim mehr gebe, müssten sich einige Pfeddersheimer noch gewöhnen, so Ortsvorsteher Jens Thill (SPD). Er wolle sich dafür einsetzen, dass Pfeddersheim wieder ein Seniorenheim bekomme, auch wenn er die Pläne von HDV begrüße. Baubeginn soll bereits im Oktober sein, bis die ersten Bewohner einziehen, wird es laut HDV aber noch bis mindestens 2025 dauern. Trotzdem, so Kunzmann, hätte sie aus ihrer Gemeinde bereits Anfragen von Interessenten bekommen.