Präsident der Mennonitischen Weltkonferenz besucht Gemeinde in Worms-Ibersheim
Von Lukas Kissel
Andreas Kohrn (l.) führt Nelson Kraybill, den Präsidenten der Mennonitischen Weltkonferenz, durch die Ibersheimer Kirche. Foto: pa/Balzarin
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IBERSHEIM - Die Zeit, in der die erste Mennonitische Weltkonferenz abgehalten wurde, war geprägt von nationalistischen Bewegungen auf der ganzen Welt. Weltweit wollten mennonitische Glaubensanhänger diesen Entwicklungen entgegentreten und, als Reaktion darauf, näher zusammenrücken. 1925 trafen sich die Mennoniten in Basel das erste Mal, und sie taten es nach dem Zweiten Weltkrieg alle paar Jahre aufs Neue.
„Heute versteht sich die Weltkonferenz als ein Netzwerk für eine Kommunikation zwischen Mennoniten auf der ganzen Welt“, erklärte Nelson Kraybill. Er ist Pastor in einer Gemeinde in Indiana in den USA und ist seit Juli 2015 ehrenamtlicher Präsident der Mennonitischen Weltkonferenz. Für eine Konferenz des Exekutivkomitees war er in dieser Funktion gerade in Augsburg, aber seine Tage in Deutschland wollte er auch nutzen, um hierzulande einige mennonitischen Gemeinden zu besuchen. Er machte deshalb für zwei Stunden auch Halt in Ibersheim, zusammen mit Rainer Burkart, der hier früher mal mennonitischer Pfarrer war. Dass der Amerikaner ausgerechnet in den kleinsten der Wormser Stadtteile gekommen war, hing natürlich mit der stark mennonitischen Prägung von Ibersheim zusammen.
Nachdem das Dorf im Dreißigjährigen Krieg völlig zerstört worden war, siedelten hier Mennoniten: eine Glaubensgemeinschaft, die sich in der Reformationszeit aus den Täuferbewegungen entwickelt hatte. Woanders wurden sie verfolgt, doch hier in Ibersheim wurde jede Hand für den Wiederaufbau gebraucht. „In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Ibersheim fast nur mennonitische Einwohner“, daran erinnerte Pastor Andreas Kohrn, der dem amerikanischen Gast die örtliche Geschichte vorstellte. Heute zählt die Ibersheimer Mennonitengemeinde 125 Mitglieder, von denen 23 auch direkt im Ort leben, viele weitere wohnen im näheren Umkreis. Die einzige Kirche im Ort ist mennonitisch. Hier feiern auch die evangelischen und katholischen Gemeinden Gottesdienst, und oft feiern alle drei Konfessionen zusammen. Zum Besuch von Nelson Kraybill waren auch katholische und evangelische Ibersheimer gekommen. „Wir haben viel gemeinsam mit Katholiken und Protestanten“, versicherte Kraybill, „es sind unsere Brüder und Schwestern im Glauben.“ Aber es gebe auch vieles, was speziell mennonitisch sei: das Priestertum aller Gläubigen, die Bekenntnistaufe der Erwachsenen oder ihr bedingungsloses Verbot, Waffen zu tragen.
Kraybill nahm sich viel Zeit für einen Rundgang in der Kirche und für Gespräche mit den Gemeindemitgliedern. Er war interessiert, machte Fotos über Fotos, auch vom „Ammeheisje“, dem Wahrzeichen von Ibersheim, nur wenige Fußminuten von der Kirche entfernt. Das kleine Fachwerkhaus am Ortsrand, laut Inschrift 1788 erbaut, war früher eine Herberge für alle auswärtigen Besucher, wenn sie im Ort übernachteten. Die Mennoniten mussten sich laut Gesetz nämlich nachts hinter den Ortstoren einschließen, damit sie die Besucher anderer Konfessionen nicht missionieren konnten.
Wenn die Mennonitische Weltkonferenz vor nunmehr 90 Jahren also als Gegenreaktion auf den weltweiten Nationalismus entstand, dann ist sie heute aktueller denn je. Er sei auf seinem Weg durch Kallstadt gekommen, erzählte Kraybill – die pfälzische Ortschaft, die sich rühmen kann, die Heimat von Donald Trumps Großvater zu sein. Kraybill hat ein Foto vom Ortsschild gemacht. In einer Zeit, in der der Nationalismus heute wieder stärker werde, müssten wir einander zuhören, welche Geschichten wir zu erzählen hätten, sagte der Amerikaner. Genau das werde durch das Netzwerk der Mennonitischen Weltkonferenz erreicht. „Wir Mennoniten verspüren eine Berufung“, erläuterte Kraybill: „Friedensstifter in einer sehr gewalttätigen Welt zu sein.“