Auf dem Friedhof Hochheimer Höhe geben besonders gestaltete Grabstein Einblicke in das Leben des Verstorbenen.
Von Susanne Müller
Motoradfan auch noch im Tod: Rocker, aber auch andere Bikerfans wählen ihre „Maschine“ als Motiv.
(Foto: BilderKartell/ Ben Pakalski)
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HOCHHEIM - „Wir würden es nicht verbieten, würden aber sehen wollen, was sich hinter einem QR-Code verbirgt.“ Der Leiter des Friedhofsbetriebs, Ralf Quirin Heinz, hätte nichts dagegen, wenn die Angehörigen eines Verstorbenen auf einem Grabstein einen QR-Code anbringen ließen. Um so Trauernden, die am Grab stehen, oder auch Fremden hierüber zu vermitteln, wer der Verstorbene war. Jeder könnte sein Handy zücken und dann Bilder, Texte, Videos oder eine Internetseite abrufen, die den Verstorbenen porträtieren.
In Worms trägt noch kein Grabstein auf dem Friedhof Hochheimer Höhe oder in den Stadtteilen einen QR-Code, „aber trotzdem haben wir einige sprechende Grabsteine“, sagt Heinz – und meint damit individuell gestaltete Steine, die so über den Verstorbenen erzählen. Nicht alles gefällt dabei allen, so manche Angehörige, die ihre Verstorbenen neben einem solchen Grab bestatten, haben sich auch schon beschwert über für sie ungewohnte Anblicke.
„Jede Grabstätte ist so zu gestalten und an die Umgebung anzupassen, dass die Würde des Friedhofs in seinen einzelnen Teilen und in seiner Gesamtanlage gewahrt wird“, zitiert Heinz aus der Friedhofsordnung der Stadt. Es gibt also keine exakten Festlegungen etwa zur Höhe eines Steins oder einer Skulptur oder wie eine Grablege auszusehen hat: „Wir entscheiden je nach Einzelfall.“
Und so können Friedhofsbesucher an einigen wenigen Gräbern staunen, sich berühren lassen oder auch eintauchen in die Welt, die ein Verstorbener nach seinem Ableben auf der Hochheimer Höhe sichtbar werden lassen möchte. Es sind weniger als ein Prozent so individuell gestaltete Gräber von rund 80 000, die es auf dem großräumigen Parkfriedhof gibt. „Das ist schade“, sagt Heinz. Immer mehr uniform kommen Gräber daher, nur noch selten erhalten Steinmetze Aufträge für Individuelles.
So lauert etwa auf dem Grabmal des Mannes, der sein Leben Reptilien verschrieben hat, der in der Jahnturnhalle Ausstellungen mit solchen Tieren veranstaltet hatte, ein Krokodil auf dem Grab. Und ein in die große und opulent gestaltete Grablege integriertes Foto zeigt den Verstorbenen in jungen Jahren mit einem Alligator auf dem Arm.
„Motorräder haben wir inzwischen viele“, sagt Heinz – was einen traurigen Hintergrund hat. So ist auf Grabsteinen noch sehr junger Männer nicht selten die Maschine abgebildet, mit der sie in den Tod gefahren sind – das für sie tödliche Hobby soll auch den Vorbeikommenden aufgezeigt werden. Ein anderes Bild werfen als ganze Motorräder gestaltete Grabsteine auf diejenigen, die ebenfalls jung verstorben unter ihnen liegen: Angehörige von Rockergruppen wählen dieses Motiv für ihre Grabstelle, auch auf dem Friedhof Hochheimer Höhe.
Auf Kindergräbern rühren übergroße Spielfiguren. Motive wie ein Riesenrad erinnern an die Profession des Toten, den Vorfahren einer Wormser Schaustellerfamilie, Pferde an einen Zirkusdirektor, Künstlerisches an Künstler.
So steht auf der Grabstätte von Gustav Nonnenmacher ein Knoten aus Metall: „Er wird für immer hier stehen, dieses Grab wird wie andere Ehrengräber nie aufgelöst“, so Heinz. Ganz jung ist der Wormser Künstler Michael Koch gestorben, der Holzbildhauer wurde mit 48 Jahren zu Grabe getragen. Auf seiner Grabstelle steht ein Werk von ihm. Eine Skulptur aus Holz, auf einem rohen Stamm. Ein in sich gekrümmter Verzweifelter. Die Figur ist nackt, zu sehen ist daher auch allzu Menschliches: ein Po. Dies hatte Angehörige nebenliegender Gräber verstört, ein nackter Po schien nicht hinnehmbar. Dabei hatte der Künstler mit seiner Gestalt doch nur den Menschen darstellen wollen, der in seiner Ungeschütztheit Gefühle hat wie Scham, Innehalten, aber auch Liebe – so hatte er es einmal auf einer seiner Ausstellungen gesagt.