ZDF-Fernsehgottesdienst aus Worms zum Luther-Jubiläum

Dekanin Jutta Herbert, Vikarin Franziska Schwarz und Kirchenpräsident Volker Jung (v.l.) am Samstag bei der Probe zum ZDF-Fernsehgottesdienst zum Reichstagsjubiläum. Bei der Livesendung am Sonntag wurde der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf per Video zugeschaltet. Foto: pakalski-press/Christine Dirigo
© pakalski-press/Christine Dirigo

Beim TV-Gottesdienst am Sonntag in der Wormser Magnuskirche hat sich Kirchenpräsident Jung gegen die Vereinnahmung des Reformators durch die Querdenken-Bewegung gewandt.

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WORMS. Dass der ZDF-Fernsehgottesdienst mit dem Titel „Wagemut“ am vergangenen Sonntag aus Worms kommen musste, war eine Selbstverständlichkeit. Schließlich hatte am Freitag das Lutherjubiläum mit einem Festakt im Kulturzentrum begonnen, gefolgt am Samstag von der multimedialen Inszenierung „Luther-Moment“ an der Dreifaltigkeitskirche. Beide Veranstaltungen fanden coronabedingt ohne Zuschauer statt. Auch in der Magnuskirche schwenkten die Kameras (Regie: Manfred Wittelsberger) immer mal wieder über leere Stühle.

Die einzigen Menschen, die mit entsprechendem Abstand zueinander im Kirchenschiff zu sehen waren, waren die Solisten des Lutherchors, die mit Kantor Christian Schmitt-Engelstadt für die musikalische Gestaltung dieses besonderen Gottesdienstes sorgten.

Sehr viel an Information und Gedankentiefe wurde in diese durch kleine Einspieler aufgelockerten 45 Minuten hineingepackt (Konzeption: Simone Hahn, EKHN, Redaktion: Charlotte Magin, ZDF). Die junge Vikarin Franziska Schwarz hatte die ehrenvolle Aufgabe, durch den gesamten Gottesdienst zu führen, an dem auch Kirchenpräsident Volker Jung, Dekanin Jutta Herbert und Präses Ulrich Oelschläger mitwirkten.

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Bischof Peter Kohlgraf via Video mit dabei

Mit natürlicher Authentizität erzählte sie, dass der Augustinermönch und Theologieprofessor Martin Luther sich gegen die Missstände in der Kirche, insbesondere den Ablass gewandt habe, weil er selbst die Erfahrung gemacht hatte, dass Glaube nicht ängstigen, sondern befreien soll. Sie vollzog nach, wie er in der Nacht zum 18. April um seine Entscheidung gerungen habe, stellte die Frage, was uns davon abhält, Haltung zu zeigen, und bat um die Kraft, in entsprechenden Situationen mutig zu sein. Nach einer eingespielten Filmsequenz, die den historischen Moment beim Reichstag zeigte, kam Bischof Peter Kohlgraf per Video zu Wort. Er hatte zu seinem Bedauern nicht wie geplant selbst kommen können, weil er sich in Quarantäne befindet. Papst Franziskus zitierend, sprach er von einem Zeitalter der Ökumene. Ökumene sei nicht nur eine Auseinandersetzung von Ideen, sondern eine Begegnung zwischen Menschen, stellte er klar.

Gerade weil damals, vor 500 Jahren, keine Begegnung stattgefunden habe, denn das Urteil habe ja schon festgestanden, sei es zu dieser schmerzhaften Trennung gekommen. Er bewundere Luthers Mut, sich in Lebensgefahr zu begeben, weil sein fester Glaube und sein Gewissen ihn dazu drängten. Seit dieser Zeit habe sich das katholische Bewusstsein sehr gewandelt, schloss er seinen Beitrag. „Auch heute ermutigen uns Menschen wie Martin Luther zur ständigen Erneuerung aus dem Evangelium.“

Kirchenpräsident wendet sich gegen Corona-Leugner

Kirchenpräsident Jung machte in seiner Predigt deutlich, dass Widerspruchsgeist kein Wert an sich sei. „Es gibt Menschen, die standhaft widersprechen und sehr viel Unsinn vertreten“, wandte er sich gegen Corona-Leugner und Querdenker, die sich auch in Worms an diesem Wochenende versammelten. Es lasse sich sicher manches in der Bekämpfung der Pandemie kritisieren, fuhr er fort, aber zu bestreiten, dass Corona nicht gefährlicher sei als Grippe, sei völlig unangemessen. „Für die, die unter Corona leiden oder einen Menschen verloren haben, ist das ein Schlag ins Gesicht. Wer sich dabei auf Luther beruft, hat ihn nicht verstanden.“ Ob er dabei auch an die Nazis dachte, die am Vortag in Worms den „wahren Luther“ feiern wollten, ließ er nicht erkennen.

Jung ging im Folgenden vor allem auf Luthers Begründung für seine Widerrufsverweigerung ein. Er habe sich auf sein Gewissen berufen und zwei Quellen dafür angegeben, das Evangelium und die Vernunft. Auch für ihn heute sei es eine Prüffrage, ob jemand bereit sei, kritisch auf die eigene Meinung zu schauen. Luther sei überzeugt davon gewesen, dass seine Kirche das Evangelium von der Liebe Gottes verdunkelt habe. Deshalb habe er nicht widerrufen können. Evangelium bedeute auch in heutiger Zeit, dass die Liebe Gottes allen Menschen gelte, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung.

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„Kirche muss wagemutig sein“

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das bedeute in der Corona-Pandemie, sich gegenseitig zu schützen. Es heiße aber auch, den Mund aufzumachen, wenn es um die Situation von Flüchtlingen gehe, um Folter, Erniedrigung und Vergewaltigung, um Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit. „Wer sich heute in Luthers Schuhe stellt, muss hier protestieren!“, betonte er. Auf Luther zurückkommend, sagte er, dieser sei in großer Sorge und Anspannung nach Worms gereist, doch in vielen Gebeten habe er die Kraft erfahren, um in den eigenen Schuhen stehen zu können.

Im Interview mit Franziska Schwarz räumte Jung ein, dass auch die Kirche derzeit in vieler Hinsicht wagemutig sein müsse. „Wir werden weniger und erreichen viele Menschen nicht mehr, aber das darf uns nicht zaghaft machen. Uns sind so viele Möglichkeiten geschenkt, vor allem die frohe Botschaft, die uns die Kraft gibt, Gutes für die Welt zu tun.“