Was war am Wormser Dom, bevor der Dom stand?

Auf dem Wormser Domvorplatz sind mit Hilfe von Boden-Messsonden Bodenradaruntersuchungen durchgeführt worden. Im Bild sind zu sehen Leon Hermann (Universität Mainz, links) und Arno Braun (Universität des Saarlandes, rechts). Foto: Andreas Stumpf/pakalski-press
© Andreas Stumpf/pakalski-press

Vor allem die Jahre zwischen 500 und 1000 wollen Wissenschaftler erforschen. Geophysikalische Untersuchungen können aber auch Erkenntnisse über spätere bauliche Epochen bringen.

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Worms. Kaum hat Arno Braun das einem Rasenmäher ähnliche Fahrzeug in Bewegung gesetzt, da erscheinen schon die ersten Strukturen auf dem Bildschirm. In dem stark verdichteten Boden direkt unter der Oberfläche vermutet der Vor- und Frühgeschichtler der Universität des Saarlandes Steine, Schutt, im besten Fall eine Mauer. Genau das ist das Ziel der geophysikalischen Messungen rund um den Dom, die am Freitag auf dem Domplatz begonnen haben: die Baugeschichte des Gotteshauses – und eventuell seiner Vorgängerbauten – systematisch zu erforschen.

Domplatz wird mit Georadar vermessen

Noch immer ist Holger Grewe, Leiter der Forschungsstelle Kaiserpfalz in Ingelheim, mit der Auswertung der Funde beschäftigt, die 2015 und 2016 beim Bau des Hauses am Dom entdeckt wurden. Und von denen die frühmittelalterliche Taufpiscina der spektakulärste war. „In diesem Zusammenhang wollen wir alle Erkenntnisse zusammenziehen – die Grabungen, Aufzeichnungen, Archivalien und vieles mehr.“ Jetzt geht es um das bauliche Umfeld dieser Anlage. Die geophysikalischen Untersuchungen sollen weitere Erkenntnisse bringen. Geleitet werden sie vom Team um Dr. Peter Haupt vom Institut für Altertumswissenschaften an der Uni Mainz, am ersten Tag sind auch die Kollegen aus Saarbrücken dabei.

Zunächst wird die Rasenfläche des Domplatzes mit Georadar vermessen – elektromagnetische Wellen charakterisieren dabei den Untergrund. Gerade wird mit dem Tachometer in der Mitte des Platzes eine Messstation eingerichtet – für die Mitarbeiter entsteht so ein Raster, anhand dessen sie alle späteren Untersuchungen genau lokalisieren können. Dann tun der „Rasenmäher“ mit dem Computerdisplay aus Saarbrücken und ein selbst gebauter Wagen der Mainzer Altertumswissenschaftler ihre Arbeit. „Wir befahren das Gelände streifenförmig“, erklärt Holger Grewe. Die beiden Messwagen haben unterschiedliche Antennen. „Die eine hat eine höhere Frequenz und erzeugt Bilder mit höherer Auflösung“, sagt Peter Haupt, „erreicht aber nur eine Tiefe von 1,50 Metern.“ Die zweite Antenne habe eine niedrigere Frequenz und Auflösung, könne aber in fünf bis sieben Meter Tiefe „blicken“. Eine gute Ergänzung also.

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Auf dem Wormser Domvorplatz sind mit Hilfe von Boden-Messsonden Bodenradaruntersuchungen durchgeführt worden. Foto: Andreas Stumpf/pakalski-press
Mit dem Boden- oder Georadar erforschen die Wissenschaftler den Untergrund mithilfe von elektromagnetischen Wellen.
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Die Computersoftware fasst die Messergebnisse danach in verschiedenen Darstellungen zusammen, die dann verglichen werden, erläutert Grewe. „Wir müssen klären, was eine Störung im Boden und was tatsächlich ein Befund ist.“ Je nachdem, welche Erkenntnisse das Georadar bringt, wäre später noch eine geomagnetische Untersuchung denkbar – allerdings vermuten die Wissenschaftler im Boden viele Metalle, sodass diese Methode weniger erfolgversprechend sein dürfte. Bei der Geoelektrik wiederum würden Sonden in den Boden eingebracht, um zu schauen, an welchen Stellen der Untergrund weniger leitfähig ist – dort könnten sich Steine oder Mauerreste befinden. Im Mittelalter jedenfalls gab es keine große Freifläche vor dem Dom wie heute.

Blinder Fleck in der Geschichte des Bistums Worms

Doch was hoffen die Forscher genau zu finden? „Das bedeutende Bistum Worms hat zwischen 500 und 1000 einen blinden Fleck“, sagt Holger Grewe, „hier wollen wir Wissen generieren.“ Eine Fragestellung lautet also: Was war vor Bischof Burchard? Es ist die erste systematische Untersuchung des Domumfeldes – bei Grabungen im Zusammenhang mit Bauvorhaben wie dem Haus am Dom stehen die Archäologen unter großen Zeitdruck. Deshalb gebe es bislang nur Einschätzungen des Potenzials, das da unter der Erde schlummern könnte, aus denen man denkbare Szenarien entwickelt habe. Das alles soll jetzt wissenschaftlich untermauert werden.

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Bekannt ist, dass unter dem östlichen Teil der heutigen Rasenfläche die große Johanniskirche stand. Gegründet wurde sie im Hochmittelalter, abgerissen 1806. Eine Kirche so nahe beim Dom? „In Worms finden wir häufig solche Doppelkirchen“, berichtet Propst am Dom Tobias Schäfer. „Die Johanniskirche war die Stifts- und der Dom die Pfarrkirche.“ Das erkläre auch, warum der Taufstein aus der Johanniskirche heute im Dom stehe.

Wie also wird sich diese Kirche auf den mit dem Georadar erzeugten 3D-Bildern darstellen? Wie korrespondiert ihre Mittelachse mit dem Fundort der Taufpiscina? Und was sagt der gut sichtbare Bereich der einstigen Kirche über das noch unerforschte Gelände aus? „Das Areal um den Dom hat sich ja über die Jahrhunderte extrem verändert“, sagt Tobias Schäfer. „Anfang des 20. Jahrhunderts war das alles hier eine einzige Dombauhütte, in den 1930er-Jahren wurde der Domplatz angelegt.“ Wie also waren die verschiedenen Zeithorizonte, wann sah es rund um den Dom wie aus?

Für die Klärung dieser Fragen wollen sich die Wissenschaftler von Forschungsstelle und Universität dank der Unterstützung der Generaldirektion Kulturelles Erbe, des Bistums Mainz und der Landesarchäologie 18 bis 24 Monate Zeit nehmen. In diesem Zusammenhang seien noch viele weitere Messungen auf dem gesamten Gelände, auch auf der Nordseite des Domes, geplant. Doch schon am Freitag, 22. September, plant die Domgemeinde in Kooperation mit dem Altertumsverein einen Vortrag im Haus am Dom, bei dem Holger Grewe einen Zwischenbericht präsentieren möchte.