Vortrag in Worms: Die „Identitären“ stilisieren sich als...

Wer sind die „Neuen Rechten“ und die „Identitären“? Was wollen sie? Wie arbeiten sie? Um mehr darüber zu erfahren, hatten der Runde Tisch der Luthergemeinde gegen...

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WORMS. Wer sind die „Neuen Rechten“ und die „Identitären“? Was wollen sie? Wie arbeiten sie? Um mehr darüber zu erfahren, hatten der Runde Tisch der Luthergemeinde gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus und das Aktionsbündnis „Schöner Leben – Nazis stoppen“ die junge österreichische Politikwissenschaftlerin Kathrin Glösel in den Luthersaal eingeladen, die sich bereits in mehreren Publikationen mit der sogenannten „Identitären Bewegung“ beschäftigt hat und einen sehr kenntnisreichen Vortrag hielt.

Vernetzungen im vorpolitischen Raum

Es handle sich nicht um eine Massenbewegung, schränkte sie ein, in Deutschland gehörten ihr etwa 400 Menschen an, in Österreich 300. 2012 sei sie erstmals in Frankreich fassbar geworden. Glösel zeigte dazu das Foto einer Aktion gegen den Bau einer Moschee in Poitiers. Der Verweis auf das Jahr 732, Sieg Karl Martells über die Mauren, mache die Stoßrichtung der Bewegung deutlich. Die Identitären betrieben keine Parteiarbeit, sondern fokussierten sich auf Publikationen und Vernetzungen im vorpolitischen Raum. Die Grenzen zur AfD, zu EinProzent und anderen rechten Gruppierungen seien fließend.

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Die „Neue Rechte“ vermeide im Gegensatz zu der „Alten Rechten“ die direkte Bezugnahme auf den Nationalsozialismus. Bei der Suche nach anderen Identifikationsfiguren sei man im Deutschland der Weimarer Zeit fündig geworden. Dort habe es ein Netzwerk von rechten Intellektuellen gegeben (Konservative Revolution), die die Demokratie als verweichlichte Regierungsform abgelehnt und eine autoritäre Einzel- beziehungsweise Eliteherrschaft angestrebt habe (unter anderem Carl Schmitt, Oswald Spengler, Ernst Jünger). Um diese Vorstellungen wieder salonfähig zu machen, versuche man, sie so zu „verpacken“, dass sie annehmbar sei. Als Beispiele führte Glösel an, dass der Begriff „Rasse“ als Ethno-Pluralismus bezeichnet werde; der Holocaust werde zwar nicht geleugnet, aber mit Bevölkerungsaustausch umschrieben; die Wortneuschöpfung Ethnomasochismus stehe für kulturellen Selbsthass. Zu den Strategien der Identitären gehöre es, dass man sich selbst als bedrohte Minderheit stilisiere, die quasi in Notwehr gegen übermächtige Eindringlinge handelt. Identitäre seien unbedingt gewaltbereit, betonte Glösel, zumindest arteten viele ihrer Aktionen in Schlägereien aus.

Als Abgrenzungsmerkmale der Identitären gegenüber anderen rechten Gruppen erwähnte sie, dass man sich besonders an die Jugend wende, sich unverbrauchte Identifikationsfiguren der Popkultur zunutze mache und gerne durch Aktionismus, zum Beispiel Störkampagnen bei Veranstaltungen, auf sich aufmerksam mache. Zur länderübergreifenden Corporate Identity gehöre das Lambda als Erkennungszeichen. Was genau unter identitär verstanden werde, wer dazu gehöre und warum, sei nirgendwo erklärt. Es gehe um Abgrenzung gegen Liberalismus und Dekadenz, gegen eine Vermischung mit Fremden, um „weltweite Apartheid“, wie Glösel es sarkastisch nannte. Entsprechend sei Gebärfreudigkeit oberstes Gebot für die Frauen.