Trotz Richterspruchs: Mitarbeiter der Wormser Ordnungsbehörde...

Die Mitarbeiter der Ordnungsbehörde tauschten sich in einer privaten WhatsApp-Gruppe aus. Foto: photoagenten/Ben Pakalski

Obwohl die vier Mitarbeiter der Ordnungsbehörde Worms nach der fristlosen Kündigung wegen rassistischer Äußerungen in einer privaten WhatsApp-Gruppe vor dem Arbeitsgericht...

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WORMS. Die vier Angestellten der Ordnungsbehörde, die gegen ihre fristlosen Kündigungen geklagt und vor dem Arbeitsgericht Recht bekommen hatten, sind weiter zu Hause. Sie hatten nach dem für sie positiven Richterspruch wieder ihren Dienst antreten wollen, erfuhren aber an ihrem ersten Arbeitstag nach dem Urteil, dass sie weiter freigestellt sind. Diese Information der WZ hat Oberbürgermeister Kissel am Dienstagabend bestätigt, ohne Gründe hierfür anzugeben.

Der Richter am Arbeitsgericht hatte sein Urteil unter anderem damit begründet, dass die vorgeworfenen fremdenfeindlichen Äußerungen im privaten Rahmen, in einer geschlossenen WhatsApp-Gruppe, ausgetauscht worden seien und eine Kündigung aus „Gesinnungsgründen“ nicht möglich sei.

Michael Kissel betonte, dass das bisherige Vorgehen der Stadt keineswegs unbedacht, sondern „überlegt“ gewesen sei. Denn nach seiner Beurteilung gehe es hier nicht um eine „private Verfehlung“. Der Austausch der Bilder und Posts habe zum Dienst der Angestellten „einen klaren Bezug“ gehabt. Die Qualität der zutage getretenen „menschenverachtenden Äußerungen, etwa über „Flüchtlinge, Asylbewerber und ausländische Mitbürger sowie unverhohlene Hitler-Verehrung“, zeuge von einer rechtsextremen und latent rassistischen Grundhaltung und einem entsprechenden Menschenbild „mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Ausübung des Dienstes“.

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Warten auf die Urteilsbegründung

Dies sei nach seiner festen Überzeugung nicht mit einer Tätigkeit im Öffentlichen Dienst und im ständigen Umgang mit Mitbürgern tragbar, denn die Allgemeinheit habe einen Anspruch auf generelle Unvoreingenommenheit ihrer Behörde. Erst recht, wenn – wie hier – eine ordnungsbehördliche Tätigkeit ausgeübt werde, auch in unmittelbaren Kontakt mit ausländischen und deutschen Mitbürgern mit Migrationshintergrund. Seit Jahren sensibilisiere und schule die Stadt ihre Mitarbeiter in Sachen „interkulturelle Kompetenz“. Im Fortbildungsprogramm der Verwaltung gebe es entsprechende Seminarangebote. Bevor über den weiteren Fortgang entschieden werde, wolle er zunächst die Begründung des Urteils abwarten.

„Mit großer Besorgnis“ hat Pavel Zolotarev, Beauftragter für Migration und Vielfalt der SPD Worms, auf die Debatte zum Urteil im Fall der gekündigten Mitarbeiter reagiert: „OB Michael Kissel hat als oberster Dienstherr nachvollziehbar und konsequent gehandelt und damit ein notwendiges Signal gegen rechtsradikale Auswüchse im Öffentlichen Dienst gesetzt.“ In der aktuell aufgeheizten politischen Zeit dürften Verantwortungsträger nicht die Augen verschließen: „Demokratie und Meinungsfreiheit heißen gewiss nicht, dass alles erlaubt und vor allem hinzunehmen ist.“ Die Privatsphäre müsse selbstverständlich mit Vehemenz geachtet und beschützt werden, dürfe jedoch nicht in einer „Tyrannei der Intimität“ münden.

Urteil sei kein "Freibrief"

Für das „Bündnis gegen Naziaufmärsche“ sagte Heiner Boegler, dass auch das Private politisch sei. „Selbst wenn die Privatsphäre zu Recht geschützt wird und für Schnüffeleien aller Art tabu sein sollte, darf in ihr nicht alles erlaubt sein.“ Insbesondere nicht, „fremdenfeindliche Parolen oder Fotos zu posten“. Wer sich beherzt, mutig und mit Zivilcourage gegen jede Form und jede Äußerung von Fremdenfeindlichkeit wehre, „der blamiert sich nicht“. Fremdenhass sei nicht „legal“ und dürfe es nicht werden. Vor diesem Hintergrund sei die politische und juristische Reaktion des Oberbürgermeisters Michael Kissel zu begrüßen.

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Die Gerichte mögen Äußerungen dieser Art im tatsächlich oder scheinbar Privaten nicht als ausreichend für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beurteilen, so Boegler. Das „Bündnis gegen Naziaufmärsche Worms“ sehe dennoch in solchen Urteilen keinen „Freibrief“, menschenverachtendes Verhalten und Denken künftig als „normal“ und „legal“ zu betrachten oder gar zu dulden.