Statt Gewinn gab’s lange Gesichter: Wegen anhaltender...

Top: Die Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach der neuen TGW-Jahnturnhalle auf der Jahnwiese liefert Strom wie erwartet.Foto: pa/Stumpf   Foto: pa/Stumpf

Sein Geld anlegen und eine ordentliche Dividende kassieren, gleichzeitig aber auch Gutes tun in Sachen Atomausstieg und Energiewende: Das war für rund 80 Bürger der Grund,...

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WORMS. Sein Geld anlegen und eine ordentliche Dividende kassieren, gleichzeitig aber auch Gutes tun in Sachen Atomausstieg und Energiewende: Das war für rund 80 Bürger der Grund, warum sie sich 2013 entschlossen, bei der Energiegenossenschaft Worms-Wonnegau eG einzusteigen. Der Genossenschaft gehören die Fotovoltaikanlage auf dem Dach der neuen TGW-Jahnturnhalle sowie drei Windräder im Alsheimer Windpark. Jetzt, fünf Jahre später, ist klar: Das ehrgeizige und anfangs auch als Musterbeispiel für gelungene Bürgerbeteiligung gefeierte Projekt ist gescheitert. Die Genossenschaft wird 2019 aufgelöst.

Es wehte lange nicht so wie vorausberechnet

Die Fotovoltaikanlage lieferte zwar die erwarteten Strommengen. Nicht aber die drei Windräder, die im Schnitt 30 bis 40 Prozent weniger Strom erzeugten als dies in zwei unabhängigen Gutachten vorher prognostiziert worden war. Die üble Folge für alle Anleger, die Genossenschaftsanteile von 500 bis 5000 Euro erworben hatten: Statt Gewinn gab’s Verlust, statt Dividende lange Gesichter und Beschwerden über Beschwerden bei den beiden Geschäftsführern Armin Bork (Volksbank-Vorstand) und Stephan Wilhelm (EWR-Vorstand). Die beiden haben dann zusammen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden, OB Michael Kissel, in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 13. Dezember 2017 die Reißleine gezogen.

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„Wir haben vorgeschlagen, die Energiegenossenschaft aufzulösen. Gleichzeitig konnten wir allen Anlegern versprechen, dass sie ihre Einlage zu 100 Prozent zurückbekommen. Dem haben alle bis auf zwei, drei Gegenstimmen einmütig zugestimmt“, berichtet Armin Bork.

Möglich wurde dieser Deal dadurch, dass EWR die Fotovoltaikanlage kauft, die 24-prozentige Genossenschaftsbeteiligung am Alsheimer Windpark übernehmen EWR und Volksbank zu jeweils zwölf Prozent. Momentan befindet sich die Genossenschaft in Liquidation, das heißt, Bork und Wilhelm wickeln die Geschäfte ab. Im Frühjahr sollen die Anteilseigner ausgezahlt werden, dann ist die Energiegenossenschaft Geschichte. „Bis auf ganz wenige Ausnahmen waren die Mitglieder froh und glücklich, dass wir ihnen diese Lösung anbieten konnten“, versichert Stephan Wilhelm.

Ludger Sauerborn, selbst Genosse, aber auch Pressesprecher der AfD, kritisierte diese Abwicklung heftig. Er sowie die AfD-Vertreter Heribert Friedmann und Matthias Lehmann machen OB Kissel, Bork und Wilhelm für das „vorhersehbare finanzielle Desaster“ verantwortlich. Private Investoren gingen Risiken ein. „Wenn die Investitionen erfolgreich sind, werden die Gewinne von diesen eingestrichen. Wenn die Investitionen jedoch floppen und es zu Verlusten kommt, dann soll die Allgemeinheit diese tragen“, hält die AfD den Verantwortlichen „Kasino-Kapitalismus“ vor. Die Leidtragenden seien die Mitglieder der Volksbank sowie die Kunden von EWR, die indirekt die Verluste der Windkraftinvestoren auffangen müssten.

Vorwürfe, die Wilhelm und Bork entschieden zurückweisen. „Es stimmt, die Gutachten waren falsch. Aber das haben nicht wir zu verantworten, das ist leider bundesweit der Fall und trifft alle Windanlagenbetreiber.“ Deshalb sei man froh, die Anteilseigner zwar ohne Gewinn, aber mit 100 Prozent ihrer Einlagen entschädigen zu können. Weder Volksbank-Mitglieder noch EWR-Kunden müssten das gescheiterte Unternehmensmodell jedoch ausbaden, niemand werde geschädigt, beteuern die beiden Geschäftsführer. „Denn langfristig betrachtet gehen wir fest davon aus, dass wir mit der Windkraft auch Gewinn machen werden“, erläutert Bänker Armin Bork. Die Anlagen würden auf 20 Jahre abgeschrieben, der Zinsaufwand gehe durch die Tilgung zurück. „Am Schluss wird sich die Anlage rechnen, auch bei weiter von den Prognosen abweichenden Ergebnissen“, sind Bork und Wilhelm felsenfest überzeugt. Dafür brauche man jedoch einen langen Atem. „Für Privatanleger, die verständlicherweise gleich Gewinne sehen wollen, ist das nichts, sie können auch nicht so ins Risiko gehen wie EWR und Volksbank.“ Aus diesem Grund ist Wilhelm auch überzeugt, dass es ähnliche Bürgerprojekte so schnell nicht mehr geben wird. „So etwas funktioniert nur bei Offshore-Windparks in der Nordsee mit garantiert hohen und gesicherten Erträgen.“