Volker Gallé und Dr. Gunter Mahlerwein entwickelten vor einigen Jahren eine Stadtführung durch die lokale Demokratiegeschichte, die im Rahmen der Regionalbuchtage und des...
WORMS. Volker Gallé und Dr. Gunter Mahlerwein entwickelten vor einigen Jahren eine Stadtführung durch die lokale Demokratiegeschichte, die im Rahmen der Regionalbuchtage und des Pop-up-Festivals wieder einmal angeboten wurde, vielleicht auch, um sich einen Tag vor der Wahl der alten Traditionen zu vergewissern.
Vor dem Stadtmodell für Blinde erläuterte Gästeführerin Maria Storf-Felden, dass die Wormser schon immer einen Hang zu Unabhängigkeit und Mitbestimmung hatten. Frühe Versuche, sich von der bischöflichen Stadtherrschaft zu emanzipieren, misslangen zwar, doch mit wachsendem Selbstbewusstsein erkämpften sich die Bürger in zahllosen Auseinandersetzungen mehr und mehr Rechte. Von Demokratie konnte damals allerdings noch keine Rede sein.
Für Nationalversammlung in Dreifaltigkeitskirche gewählt
Immerhin gab es schon Ende des 18. Jahrhunderts so etwas wie Pressefreiheit. Vor der Wormser Zeitung erzählte Maria Storf-Felden von der tapferen Witwe Maria Elisabeth Kranzbühler, die vom Kaiser selbst privilegiert wurde, das „Reichsstadt Wormsische Intelligenz- und Zeitungs-Manual“ herauszugeben, das ab 1814 Wormser Zeitung hieß. Große Veränderungen bahnten sich dann 1789 mit der Französischen Revolution an. Im Bischofshof, von dem heute nur noch der Eiskeller existiert, nistete sich der aus Frankreich geflüchtete Prinz Condé mit großer Entourage ein, um von hier aus die Gegenrevolution zu organisieren. Die Revolutionstruppen trafen ihn zwar 1794 dort nicht mehr an, aber sie brannten den prächtigen Barockbau völlig nieder.
Die napoleonische Zeit brachte viele Neuerungen und Verbesserungen, die die Bevölkerung zu schätzen lernte. Nach dem Wiener Kongress sicherte Großherzog Ludwig I. seiner neuen Provinz Rheinhessen zwar den Fortbestand der französischen Rechtsinstitutionen zu, aber immer wieder wurde der Versuch unternommen, die alten Verhältnisse wiederherzustellen. Das stieß auf erheblichen Widerstand. Etliche Wormser nahmen 1832 am Hambacher Fest teil. In der Folge wurde mit der Einrichtung von Kreisräten und Kreisämtern – in Worms war das Kreisamt im Bettendorfhof untergebracht, heute Andreasstraße – wurde die Kontrolle der Bevölkerung intensiviert. Soziale Krisen führten 1832 und 1845/46 zu Aufständen. Ein Bürgerkomitee gründete sich.
Preußischer Einmarsch beendet Revolution
Die neuerliche Revolution in Frankreich fiel deshalb auch in Rheinhessen auf fruchtbaren Boden. Noch am 6. März 1848 garantierte der Großherzog auf dem Ludwigsplatz den Wormsern Presse- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Petitionsrecht und die Beibehaltung der rheinhessischen Institutionen bis zur Einführung einer deutschen Gesetzgebung.
Am 17. Mai fanden dann die Abgeordnetenwahlen für die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche statt. Wahllokal in Worms war die Dreifaltigkeitskirche. Hier berichtete denn auch Maria Storf-Felden von den weiteren Entwicklungen, unter anderem von den Wormser Bürgermeisterwahlen 1849, aus denen Ferdinand Eberstadt als erster jüdischer Bürgermeister Deutschlands hervorging.
Nachdem der preußische König Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 die Kaiserwürde abgelehnt habe, habe eine Massenbewegung zugunsten der Reichsverfassung eingesetzt, auch die Wormser bekannten sich am 5. Mai einmütig dazu. Am 9. Mai brach von Worms aus die Bürgerwehr unter der Leitung von Ludwig Blenker auf, um die Pfälzer Gleichgesinnten im Kampf gegen die bayrischen Truppen zu unterstützten.
Der preußische Einmarsch in Worms und schließlich auch in Baden und der Pfalz beendete die letzte Phase dieser Revolution, auf die sich Wormser Demokraten und Demokratinnen auch heute noch gerne stolz beziehen.