Nibelungenmuseum ohne Schatzkammer - Erfinder Olivier Auber...

Lang ist's her: Die Architekten Bernd Hoge und Olivier Auber überreichen Museumschef Thomas Schiwek den symbolischen Schlüssel. Bild: Alessandro Balzarin

Bereits vor zehn Jahren ist die interaktive Schatzkammer des Nibelungenmuseums durch ein Mythenlabor ersetzt worden. Nur zufällig hat der Erfinder der Schatzkammer, Olivier...

Anzeige

WORMS. Ist es nun ein Museum? Oder ist es ein Kunstwerk? Der Name deutet auf Ersteres hin: Nibelungenmuseum. Einer seiner Erschaffer, Olivier Auber, sieht es allerdings anders. Er spricht von einer „künstlerischen Schöpfung“, die das Team damals geleistet habe, also handele es sich um ein Gesamtkunstwerk. Das ist dem Mann deshalb so wichtig, weil er diese Gesamtheit zerstört sieht - weil vor mittlerweile zehn Jahren die Schatzkammer verschwunden ist. Gefragt worden seien er oder die anderen im Team des damaligen Büros „A+H“ von Olivier Auber und Bernd Hoge allerdings nie. Deshalb habe er das auch erst so viel später bei einem Besuch in Worms erfahren, schreibt Olivier Auber in einem offenen Brief auf seiner Homepage und an den heutigen Museumsleiter Dr. Olaf Mückain.

Es war ein langer Weg mit vielen Hürden und Widerständen, bis das Nibelungenmuseum 2001 eröffnet werden konnte. Herzstück und das, was seinerzeit einmalig war, war „der Schatz“: Im Keller des Baus eine Projektion auf die runde Wand rings herum, unterbrochen nur von der schmalen Tür zu diesem Raum. Diese Projektion veränderte sich ständig, der Besucher konnte sie auch selbst beeinflussen, konnte regelrecht steuern. Er tauchte ab in die Unterwelt, sah Worms von unten, konnte Richtung und Tempo der virtuellen Fahrt selbst bestimmen, begegnete dem Ring des Nibelungen, dem Schwert Siegfrieds, auch der Drache, zusammengesetzt aus unzähligen einzelnen kleinen Bildchen, rauschte durch die Unterwelt, als sei sie ein großes Meer. Den Start der Reise begleiteten Alltagsgeräusche aus der modernen Welt, die dann in mittelalterlich anmutende Musik mündeten und immer mythischer wurden, je tiefer man hinab tauchte. Viereinhalb Jahre hatten die Architekten Olivier Auber und Bernd Hoge mit ihrem Team aus Paris an der Konzeption und Umsetzung des Museums gearbeitet. Besonders aufwändig war dieser Schatz.

Eine untrennbare Einheit

Anzeige

Emmanuel Mâa Berriet, ein international gefragter Programmierer damals vor allem in der Filmwelt, hatte das Programm für diese interaktive Installation geschrieben, Thierry Fournier, Musiker und Architekt, besorgte die Klangcollage. Er war auf musikalische Echtzeit-Projekte spezialisiert. Kurzum: Die Musik, die Bilder, die Töne, die Sprache und selbst die Programme wurden speziell hierfür entwickelt. Spitzentechnologie sei es gewesen, schreibt Olivier Auber. Sehturm, Wehrgang, Hörturm und der Schatz: „Die gesamte Konzeption ist miteinander verbunden und formt somit eine untrennbare Einheit“, sagt Auber.

Würde das Nibelungenmueum als ein Kunstwerk aufgefasst, hätte das unter Umständen rechtliche Konsequenzen. Auch das deutet Auber in seinem „offenen Brief“ an. Würden sie eine Klage gegen die Stadt Worms anstrengen, weil diese ein urheberrechtlich geschütztes Kunstwerk zerstört hat, würden sie wohl Recht bekommen, mutmaßt Olivier Auber. Doch so möchte es Bürgermeister Hans-Joachim Kosubek, inzwischen für die Museen zuständiger Beigeordneter, nicht sehen. „Das Nibelungenmuseum ist sicherlich kein Kunstwerk, es ist ein Museum“, sagt er. Ihm ist allerdings auch wichtig, dass mit der Entscheidung, die Schatzkammer als solche aufzugeben und hier das „Mythenlabor“ einzurichten, nicht das Gesamtkonzept in Frage gestellt worden sei. „Wir wollten hier nichts zerstören“, so Kosubek. Aber die virtuelle Reise unter die Stadt habe schlicht nicht mehr funktioniert. „Die Idee damals war in der Tat sensationell“, doch habe diese interaktive Installation technisch nicht am Laufen gehalten werden können. Der Aufwand, sie wieder auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, sei zu groß gewesen. Trotzdem habe die Stadt beziehungsweise die damalige Museums GmbH, ja „nicht einfach den Raum zugemauert, sondern auch einen Ersatz geschaffen“, so Kosubek. Und das Mythenlabor verwende ebenfalls moderne Technik, das Museum bleibe also multimedial. Für den Co-Autor Olivier Auber ist dies allerdings kein adäquater Ersatz: „Der Schatz sollte sich in der Zeit weiterentwickeln, aber er wurde entsorgt und durch eine banale interaktive Film-Suchmaschine ersetzt.“

Aufwändige Programmierung verschwunden?

Auch hier widerspricht Kosubek. Der Schatz sei nicht einfach weggeworfen worden, sondern ans ZKM in Karlsruhe gegeben worden. Das „Zentrum für Kunst und Medien“ bezeichnet sich selbst als „weltweit einzigartige Kulturinstitution“, als ein „Haus sowohl der raumbasierten Künste wie Malerei, Fotografie und Skulptur als auch der zeitbasierten Künste wie Film, Video, Medienkunst, Musik, Tanz, Theater und Performance“. Die Panorama-Technologie spielt in Karlsruhe eine große Rolle. Nach dem Schatz aus Worms muss das Büro des künstlerisch-wissenschaftlichen Direktors Professor Peter Weibel beim Anruf der WZ allerdings erst einmal im eigenen Hause forschen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Technik habe man dem Nibelungenmuseum damals in der Tat „abgenommen“, aber eben nur die Hardware, so die Auskunft. Die Inhalte, also die so aufwändig entwickelten Programme, habe das ZKM gar nicht.

Die Hoffnung, sein Schatz könnte noch zu retten sein, muss Olivier Auber offensichtlich aufgeben. Noch dazu fühlt er sich mittlerweile regelrecht geächtet, weil er und das Team jetzt gar nicht mehr auftauchen. Denn nicht nur, dass der Schatz erneut im Rhein versenkt wurde: „Zu unserer Überraschung verschwanden wir zusammen mit dem Schatz aus sämtlichen Autorenindexen, selbst auf der offiziellen Webseite des Museums.“

Anzeige

„Wir sind im konstruktiven Dialog“

Gänzlich zerschnitten ist das Tischtuch freilich nicht. Dr. Olaf Mückain, der heute wissenschaftlicher Leiter der Museen ist, hat Kontakt zu Olivier Auber aufgenommen und bereits ein Treffen vereinbart „Ich freue mich, ihn endlich auch mal kennen zu lernen“, sagt Mückain, der erst später nach Worms gekommen war, zunächst als Museumspädagoge. Und er zeigt sich nach ersten Telefongesprächen zuversichtlich: „Wir sind im konstruktiven Dialog.“