
Kindern und Jugendlichen fällt es besonders schwer, ihre Emotionen im Trauerprozess auszudrücken. Wie die ehrenamtlichen Wormser Trauerbegleiterinnen ihnen dabei helfen.
Worms. Stirbt ein Familienmitglied oder wird es schwer krank, bricht für Kinder und Jugendliche häufig eine Welt zusammen. Für sie beginnt ein Trauerprozess, der auch für den Rest der Familie eine Herausforderung sein kann. Deshalb haben es sich acht Trauerbegleiterinnen der Ambulanten Hospizhilfe Worms zur Aufgabe gemacht, jungen Menschen auf ihrem Weg der Trauer beizustehen. Sie begleiten Kinder und Jugendliche nicht nur, sie unterstützen sie altersgerecht, helfen ihnen, ihre Gefühle auszudrücken – auch ohne Worte, holen mit ihnen die guten Momente im Leben zurück und lassen sie vor allem nicht mit ihren Emotionen alleine.
Kinder unterschiedlichen Alters trauern einfach anders. Manche können das nicht verbalisieren, aber dafür dann anders. Damit muss man kindgerecht umgehen.
Im Gegensatz zu Erwachsenen können Kinder und Jugendliche ihre Gefühle unter Umständen noch gar nicht verbal ausdrücken oder verstehen. Dass sie Trauer deswegen nicht gleichermaßen spüren, ist allerdings ein Irrglaube. Die pensionierte Ärztin und zweite Vorsitzende des Fördervereins Hochstift Hospiz Worms Dr. Ulrike Löffler, weiß, dass auch schon Kleinkinder Trauer spüren. Dem stimmt Sabine Lincks zu. Sie ist langjährige Koordinatorin in der Ambulanten Hospizhilfe. „Kinder unterschiedlichen Alters trauern einfach anders. Manche können das nicht verbalisieren, aber dafür dann anders. Damit muss man kindgerecht umgehen“, erklärt sie.
Fünf Sinne in der Trauer aktivieren
Kindgerecht – das bedeute in der Trauerbegleitung, die fünf Sinne der Kinder zu aktivieren, sagt Susann Kirst, weitere Koordinatorin des Ambulanten Hospizes. „In der Trauer ist man erstmal wie betäubt. Man muss herausfinden, welchen Sinn man bei dem Kind ansprechen kann.“ Anhand dessen hat Kirst fünf Stationen mit sozialpädagogischen Übungen für die Kinder und Jugendlichen vorbereitet.
Die erste Station widmet sich mit Seifenblasen-Pusten dem bewussten Atmen. Ziel ist es, die alte Luft herauszulassen und frische neue Energie hereinzulassen. So können die Jungen und Mädchen negative Gefühle herauslassen, ohne sie verbalisieren zu müssen. „Außerdem ist es rein physisch nicht möglich, beim Ausatmen zu verkrampfen, und das Pusten bei den Seifenblasen sorgt dafür, dass man länger ausatmet, so entspannt man automatisch länger“, erklärt Kirst.
Gefühle ohne Worte ausdrücken
Manche Kinder und Jugendliche seien auch visuelle Typen. Für diese ist die Station der Tücher geeignet. Dort schnappt man sich ein Tuch in einer Farbe, die am meisten der Emotion entsprechen soll. So könne man die Gefühle ausdrücken und als Teil von sich akzeptieren. „Das ist denen noch nicht klar, dass sie wütend oder enttäuscht darüber sind, dass der Gestorbene sie alleine gelassen hat“, erläutert Kirst. Nachdem man die Gefühle identifiziert habe, könne man dann sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen.
Die Station „Ebbe und Flut“ arbeitet mit einer Ozeanmetapher. Hierbei liegt eine mit Kügelchen gefüllte, flache Trommel in beiden Händen. Je nachdem, wie steil man sie kippt und wie schnell man sich bewegt, entstehen Meeresgeräusche – mal lauter, unruhiger und unkontrollierter; mal ruhiger, langsamer und leiser. „Wie die Gefühle während des Trauerprozesses eben auch sind“, sagt Krist. Man müsse sich mit der Frage befassen: Was muss man tun, damit der Ozean ruhiger wird? „Dafür muss man langsam in Balance kommen, und das ist das Ziel der Übung“, sagt die Trauerbegleiterin.
Bei dem systematischen Aufstellen gehen die Begleiterinnen in die Tiefe. Sie stellen den Kindern und Jugendlichen Fragen, anhand denen sie Figuren aufstellen müssen. So bekommen auch Emotionen teils farbige Figuren. Dies helfe, den Prozess des Kindes zu verstehen und zu identifizieren, was ihm in der Trauer trotzdem guttun kann.
Eine weitere Übung nennt sich „Drei Glücksmomente pro Tag“. Hier werden die Trauernden gebeten, drei Dinge zu benennen, die sie an dem Tag glücklich gemacht haben. „Für Kinder sind das oft ganz banale Sachen, wie ein Eis essen oder mit einem Elternteil zu kuscheln“, sagt Kirst. „Der Fokus liegt auf dem Positiven.“
Aber wie ist es, wenn ein Kind einmal kein gutes Gefühl hat? Wenn es einfach nur traurig oder wütend ist? „Ziel ist es, erstmal seine Gefühle zu kennen“, sagt Kirst. „Und dann zu verstehen, dass es okay ist, diese Gefühle zu haben.
Trauerbegleitung ist kein Ersatz für Psychotherapie
Bis auf die beiden Koordinatoren arbeiten die Hospizhelferinnen auf ehrenamtlicher Basis. Um Kinder- und Jugendlichen-Trauerbegleiter zu werden, braucht es zunächst eine Fortbildung für die Hospizbegleiter-Qualifikation und darauf aufbauend dann die Weiterbildung zur Kinder-Trauerbegeleitung. Das koste eine kleine Organisation, wie sie es sind, viel Zeit und Geld, sagt die zweite Vorsitzende des Fördervereins Ulrike Löffler. Mithilfe von Spenden und eigenen Mitteln versuchen sie aber, diese Fortbildungen zu realisieren und ihre Räume in Worms für Kinder und Jugendliche auszubauen, so Löffler.
Trotzdem ist den Helferinnen wichtig zu betonen, dass die Trauerbegleitung keine Psychotherapie ersetzt. „Unser Leitsatz lautet: Wir therapieren nicht, wir begleiten nur“, erklärt die zweite Vorsitzende. Die Kinder- und Jugendlichentrauerbegleitung, die dank der Fortbildung seit diesem Jahr angeboten werden kann, richtet sich an alle jungen Menschen bis 17 Jahre. Auch Kinder und Jugendliche außerhalb von Worms können teilnehmen, sofern sie zu den Räumen in Worms kommen können. „Unsere Grundvoraussetzung ist, dass die Kinder kommen wollen“, sagt Löffler. Der Kontakt zu der Hospizhilfe entsteht in der Regel über Eltern, Jugendhilfen oder Sozialarbeiter an Schulen.