Ermittlungsgruppe der Polizei arbeitet „Tag der deutschen...

Die Polizei hatte rund um die Prinz-Carl-Anlage viel zu tun mit Mitgliedern der Antifa. Archivfoto: BilderKartell/Andreas Stumpf

Am Rande des rechtsextremen Aufzugs am 6. Juni in Worms setzte die Polizei 570 Gegendemonstranten fest. Vier Wochen später besteht gegen sie weiterhin der Verdacht des...

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WORMS. Vier Wochen ist es her, dass in Worms der „Tag der deutschen Zukunft“ stattfand, ein Aufzug Rechtsextremer, den die führende NPD-Frau Ricarda Riefling angemeldet hatte. Die befürchteten Zusammenstöße zwischen dem rechten und dem linken Lager blieben aus. Der Marsch der rund 50 Rechten war nach rund 300 Metern auf einer verkürzten Wegstrecke schon wieder beendet. Obwohl es weitgehend friedlich blieb, ist dieser Tag bis heute ein Fall für die Polizei. Eine Ermittlungsgruppe beschäftigt sich mit den Momenten, in denen dann doch nicht alles so friedfertig war. Die Beamten versuchen, herauszufinden, wer welche Straftaten begangen hat und wer nicht.

Dabei geht es im Kern um zwei Gruppen mit insgesamt 570 Gegendemonstranten, die die Einsatzkräfte in der Wielandstraße und in der Gymnasiumstraße festsetzten. Die Polizei ordnet die Personen mehrheitlich dem linken Antifa-Spektrum zu, auch gewaltbereite Aktivisten und Kriminelle sollen dabei gewesen sein. Gegen all diese 570 Personen besteht der Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs. Bei Einzelnen steht zudem unter anderem der Verdacht auf Körperverletzung oder gefährliche Körperverletzung im Raum.

Hintergrund ist, dass in der Prinz-Carl-Anlage Personen Steine auf Polizisten geworfen hätten. Auch habe es Tritte und Schläge gegen Einsatzkräfte gegeben. Zudem versuchten vor allem in der Siegfriedstraße, aber auch entlang der geplanten Aufzugstrecke Linke, die Absperrungen zu durchbrechen. Dort in der Siegfriedstraße protestierten das Bündnis gegen Naziaufmärsche mit seinem Sprecher Heiner Boegler und viele Bürgerliche friedlich gegen den „Tag der deutschen Zukunft“. Es war eine der Gegendemonstrationen, die im Unterschied zu den beiden Gruppen, die die Polizei festsetzte, angemeldet worden war. „Unser Ziel war, die friedlichen Bürger von Worms friedlich gegen den Nazi-Aufmarsch demonstrieren zu lassen. Das ist uns gelungen“, sagt Polizeivizepräsident Thomas Brühl. Ein Grund dafür, dass dies gelang, sei das Festsetzen der 570 Personen gewesen. Die wollten demnach über die Fußgängerzone und die Siegfriedstraße die Absperrungen durchbrechen. Als dies nicht funktionierte, wollten die Antifa-Anhänger nach Darstellung der Polizei über den Weg über die Prinz-Carl-Anlage die Aufzugstrecke der Rechtsextremen in der Renzstraße blockieren. Die Polizei hielt dagegen und kesselte die Protestler ein. Im Polizeijargon heißt das „einschließende Absperrung“: Jeder, der sich darin aufhält, darf nicht raus, bis ein Polizist sagt, dass er dies darf.

Nach und nach holten die Beamten die Menschen aus diesem Kessel heraus, um deren Personalien festzustellen. Einige der Eingekesselten leisteten laut Polizei Widerstand und ließen sich zur Identitätsfeststellung tragen. Es zeigte sich, dass die große Mehrheit der Festgesetzten gar nicht aus Worms kommt. Von diesen 570, so die Polizei, stammen nur 50 aus Worms und 100 aus Gemeinden in Rheinhessen. Mit 420 Personen kommt die Mehrheit aus dem gesamten Bundesgebiet. So wie die Rechtsextremen bundesweit für ihren Aufzug geworben hatten, hatte auch die Szene der Linken in ganz Deutschland dafür getrommelt, den „Tag deutschen Zukunft“ zu blockieren. Der Polizei lagen nach eigenen Angaben Erkenntnisse vor, dass gewaltbereite Linke aus anderen Bundesländern nach Worms reisen wollten.

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Von den 570 Menschen, die festgehalten wurden, nahm die Polizei niemanden fest. Nach der Identitätsfeststellung durften alle wieder nach Hause gehen. Seitdem laufen aber die Ermittlungen, um Straftaten einer Person oder einer Gruppe von Personen zuordnen zu können. Das ist eine intensive Aufgabe. Denn die Ermittler werten dazu eine große Menge an Videomaterial aus. Das sind nicht nur die Aufnahmen, die Polizisten an diesem Tag machten. Im Grunde sind es alle Videos und Bilder, die die Polizei bekommen kann. Videomaterial, das im Internet auftaucht, aber auch Sequenzen, die Bürger der Polizei zur Verfügung stellen. Die Aufgabe der Ermittler werde dadurch erschwert, dass die später Festgesetzten zum Teil während des Tags über ihre Kleidung mehrmals gewechselt hätten und vermummt gewesen sein sollen. Polizeivizepräsident Brühl geht davon aus, dass die Ermittlungsgruppe noch in diesem Monat mit ihrer Arbeit fertig wird und der Staatsanwaltschaft die entsprechenden Akten zukommen lassen kann. Fakt ist auch: Die Polizei rechnet nicht damit, dass sich der Anfangsverdacht bei allen 570 Personen tatsächlich erhärtet.

Der Polizei wurde vorgeworfen, dass sie für den Einsatz Toilettenhäuschen mit dabei hatte. Dies spreche dafür, dass die Polizei geplant habe, so viele Personen festzusetzen. Dazu meint Polizeivize Brühl: Dass Toiletten zu solchen Großeinsätzen mitgebracht werden, sei Teil der logistischen Vorbereitungen, also „Teil dessen, an was wir denken müssen“. Auch sei den Personen, die festgehalten wurden, Wasser angeboten worden. Von den meisten sei das Wasser aber abgelehnt worden.

Beim „Tag der deutschen Zukunft“ waren mehr als 1000 Polizisten im Einsatz. Zwei Beamte wurden nach Angaben der Polizei verletzt. Ein Rechtsextremer war vom Aufzug ausgeschlossen worden. Gegen ihn wird ermittelt, weil er ein Tuch trug, auf dem verfassungsfeindliche Symbole zu sehen gewesen sein sollen. Ursprünglich war von zwei Rechten die Rede, die ausgeschlossen wurden. Dies bestätigte sich aber nicht.

Von Claudia Wößner