„1 to 1 Concerts“ im Dominikanerkloster von Worms bieten Live-Erlebnisse trotz Corona. Momente, die die Seele berühren.
WORMS. Während das tägliche Leben in vielen Teilen schon fast wieder auf Normalniveau zurückgekehrt ist, hat Corona den Kulturbetrieb immer noch fest im Griff. Auch wenn es Theater und Konzerte im Live-Stream gibt und Autokinos ein Comeback erleben durften, geht doch nichts über das Konzerterlebnis, bei dem man Musiker leibhaftig vor sich spielen sieht. Ob man nun dem Festival-Sommer hinterher trauert oder dem Orchester-Abonnement, die Durststrecke ist zu Ende; es gibt wieder Livekonzerte in Worms. Ein Musiker, eine Zuhörerin, ein Ort.
Das Konzept nennt sich „1:1 Concerts“ und wurde bereits vergangenes Jahr bei den „Sommerkonzerten Volkenroda“ entwickelt, um ein intimeres Konzerterlebnis in einem ungewöhnlichen Raum zu ermöglichen. In Zeiten von Corona erkannten die Erfinder des Konzertformats das Potenzial und beschlossen, damit mehrere Probleme zu lösen: die Sehnsucht des Zuhörers nach Live-Musik, den Drang der Musiker, ihre Kunst mit physisch vorhandenem Publikum zu teilen, den Wunsch von Kulturtreibenden, Veranstaltungen zu organisieren und die Nutzung von leer stehenden Räumen.
Geld soll damit aber nicht verdient werden, da die Gastgeber ihre Räumlichkeiten unentgeltlich zur Verfügung stellen und die Zuhörer keinen Eintritt bezahlen. Stattdessen kann man seine Dankbarkeit für das Konzert in Form einer Spende für den Nothilfefonds der Deutschen Orchesterstiftung ausdrücken, der freischaffende Musiker, deren Existenz von Corona gefährdet ist, unterstützen soll. Daher spielen bei den „1:1 Concerts“ auch nur diejenigen Musiker, die über ein festes Einkommen verfügen und ihre Kollegen auf diese Weise entlasten möchten.
Mitte März startete das Projekt zunächst in Stuttgart, mittlerweile fanden schon über 3000 „1:1 Concerts“ statt. Zum Wormser Start war Initiator Christian Siegmund dabei, dessen Schwiegereltern hier leben. Die Konzerte hätten sich dank Social Media und Mund-zu-Mund-Propaganda so schnell verbreitet, dass man von einer „viralen Strahlkraft“ sprechen könnte, sagte der Kulturvermittler schmunzelnd. Zeitgleich mit Worms begannen Konzerte in Genf, Kanada und Indien stehen ebenfalls in den Startlöchern. „Menschen berühren einander in dieser Zeit von Distanz, und unsere Musiker schenken ihren Zuhörern etwas auf Augenhöhe“, erklärte Siegmund den besonderen Reiz.
Augenhöhe spielt eine zentrale Rolle, da nicht gesprochen oder geklatscht werden soll und sich Musiker und Zuhörer vor dem Konzert eine Minute lang in die Augen schauen. Dies dient dazu, eine Verbindung aufzubauen, weil die Begegnung ein Blind Date ist, das heißt, der Zuhörer erfährt erst nach dem Konzert, wie der Musiker heißt und was er gespielt hat.
Die Autorin dieser Zeilen durfte ein „1:1 Concert“ erleben und fühlte sich, als werde ihre Seele nach dem passenden Stück durchsucht; mit Max Reger und Aaron Minsky lag Cellist Eric Trümpler goldrichtig und sorgte für Gänsehaut. Dass das Konzert im Kreuzgang der Pauluskirche stattfand und Pater Philipp König die Zuhörerin in den Garten hinausbegleitete, verstärkte das Gefühl der Exklusivität und das Bewusstsein, Teil von etwas ganz Besonderem zu sein.
Die Organisation in der Nibelungenstadt übernehmen Ulrike Lahr und Christian Waas, die seit ihrer Schulzeit im Gauß gute Freunde sind und als „Herzenswormser“ Kultur vorantreiben möchten. Sie hoffen, in der Region mit gutem Beispiel voranzugehen, und sehen für das Format auch nach Corona eine Zukunft. Nach den ersten Konzerten freute sich Prior Ralf Sagner, dass er „Feedback ohne Ende“ bekommen habe, und er stellte fest, dass bei diesem Format eine Spannung existiere, die es bei den großen Konzerten nicht gebe. Eric Trümpler empfindet das Projekt als „ein Erleben auf näherer Ebene“, da die Musik von Kommunikation lebe.