Was derzeit als „Rudelsingen“ die Hallen füllt und ein Grundbedürfnis nach gemeinsamem Singen stillt, konnte man früher regelmäßig in Gottesdiensten erleben, und so mit...
WORMS. Was derzeit als „Rudelsingen“ die Hallen füllt und ein Grundbedürfnis nach gemeinsamem Singen stillt, konnte man früher regelmäßig in Gottesdiensten erleben, und so mit neuer Energie in die Woche starten. Heute finden nur noch wenige Menschen den Weg in die Kirchen, weshalb Gesang aus vollem Herzen eher selten zu hören ist.
Mitsingen, was Seele und Kehle hergeben
Ganz anders war es jetzt im „Dreikönigskonzert“, zu dem Kantor Christian Schmitt in die Lutherkirche eingeladen hatte. Der Chor der Lutherkirche und ein Instrumentalensemble (Olga Nodel, Violine/Alexandru Nicolescu, Oboe/Yuriy Kusen, Viola/ Katharina Schmitt, Viola/Dr. Christian Schmidt, Fagott) brachten ausgesuchte Werke zu Gehör, die zum Ende der Weihnachtszeit passten. Die Besucher wussten jedoch, was außerdem auf sie in diesem speziellen Konzert zukommen würde: mitsingen, was Seele und Kehle hergeben.
Zehn Lieder von insgesamt 15 Programmpunkten waren in Großdruck auf einem vierseitigen Faltblatt ausgegeben worden, um es den Singwilligen möglichst einfach zu machen. Schöne und bekannte Melodien wie „Stern über Bethlehem“, „Die Weisen aus dem Morgenland“ oder das atmosphärische, altenglische „Es wird nicht immer dunkel sein“ ließen die Besucher erklingen. Phasenweise unterstützte der Chor dabei mehrstimmig, und partiell erklangen variantenreiche, verschieden instrumentierte Zwischenspiele des Instrumentalensembles, was den Stücken einen festlich-konzertanten Rahmen verlieh. Aber nicht nur gemeinsam wurde gesungen, sondern auch Kanons oder mehrstimmige Sätze hatte der Kantor vorbereitet, extra für den Tag einen „Sternsinger-Kanon“ sogar geschrieben und ein dreistimmiges „Dreikönige-Quodlibet“ kombiniert.
Dabei musste niemand in der Lage sein, nach Noten vom Blatt zu singen, denn vor dem eigentlichen Konzertbeginn gab es unter der motivierenden Anleitung von Christian Schmitt eine Übungsrunde, in der man sich mit den Melodien und auch der Gruppenaufteilung für die Kanons und mehrstimmigen Sachen vertraut machen konnte. In freundlichem und zugleich hoch konzentriertem Kontakt zu den Instrumentalisten, dem Chor und den Besuchern steuerte er mit klaren Gesten ein außergewöhnliches musikalisches Ereignis, das ein schwingendes Gefühl von Verbundenheit und guter Energie im Raum erzeugte.
Der Ausnahmemusiker war auch selbst zu hören, beim Auftaktlied „Freut euch, ihr lieben Christen all“ an der großen Orgel sowie in einem „Allegro D-Dur von Johann Christian Bach“ als Solist am Flügel mit dem Kleinorchester. Ein feiner Genuss war dieses Allegro, erfrischend gespielt im Ensemble und brillant interpretiert auf den Tasten. Der Chor überzeugte klangschön besonders bei „Nowell, Nowell“ und die Instrumentalisten boten romantisch schmelzend und farbenreich „Die Anbetung“ von Otto Malling. Einen Eindruck von seinem Können als prämierter Konzertorganist schenkte der Kantor zum Abschluss im Postludium, dem „Finale aus der VI. Orgelsinfonie von Charles-Marie Widor“.
Von Victoria Selbert