Alternatives Krippenspiel auf Wormser Weihnachtsmarkt

Beim alternativen Krippenspiel vorm Römischen Kaiser waren an zwei Tannenbäumen völlig unterschiedliche Schlagwörter angebracht. Foto: BilderKartell/Ben Pakalski
© BilderKartell/Ben Pakalski

Aufführung entlarvt rechte Parolen und wirbt für Menschenrechte und Nächstenliebe. Ideen und Taten von Holocaustleugnern und Antisemiten wurden dabei auf den Prüfstand gestellt.

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WORMS. Tannenbäume, geschmückt mit Kerzen, Kugeln, Schleifen und Päckchen, sind fester Bestandteil des weihnachtlichen Stadtbildes, natürlich auch auf dem Wormser Weihnachtsmarkt. Nicht zum üblichen Inventar gehörten die zwei kleinen Bäume ohne Schmuck, einer mickrig und struppig, der andere wie aus dem Bilderbuch, die am Dienstag am Römischen Kaiser aufgestellt waren. Sie spielten eine tragende Rolle beim alternativen Krippenspiel, das die Pfarrer Fritz Delp und Axel Held, Claudia Koch, Koordinierungs- und Fachstelle Demokratie leben!, und Roland Kundel, Mitglieder des Runden Tischs der Luthergemeinde, gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus, mitten im Weihnachtstrubel aufführten.

Für ungeübte Ohren ein wenig schwierig

Die Einleitung, frei nach Karl Barth, war vielleicht ein bisschen schwierig geraten für ungeübte Ohren. Vom alten theologisch-politischen braunen Essig war da die Rede, der, statt weggeschüttet zu werden, von der dritten in die vierte Flasche umgegossen und als wohlfeiler Wein angeboten werde. Gemeint war damit das nationalistische Gedankengut „der neuen Verführer, der Rechtspopulisten mit ihren alternativen Wahrheiten und einfachen Lösungen“. Der Runde Tisch hatte sich für dieses Krippenspiel vorgenommen, den „Geschichtsklitterern, Holocaustleugnern, Antisemiten und verkannten Bewahrern des christlichen Abendlands“ aufs sprichwörtliche Maul zu schauen und ihre Ideen, Äußerungen und Taten auf den Prüfstand zu stellen.

Einige Menschen gruppierten sich um die Darsteller und hörten aufmerksam zu, was sie zu sagen hatten. Manche gesellten sich dazu; andere machten einen Bogen, und an den Glühweinfässern spitzte niemand merklich die Ohren. „Wir sind nur kurz in Worms“, meinte eine Dame, die den Krippenspielern am nächsten stand. „Wir haben nicht zugehört.“

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Auch nicht zugesehen? Nach und nach wurde der mickrige, struppige Baum mit Symbolen und Zitaten des rechtspopulistischen Sprachgebrauchs versehen: mit dem Lambdazeichen der Identitären, das an den Sieg der Spartaner (Lakedaimonier) über die Perser erinnert und auf die „Verteidigung“ Europas gegen den Islam anspielt; Alexander Gaulands Satz vom „Vogelschiss der Geschichte“, Frauke Petrys Äußerung zum Schießbefehl an den Grenzen, Bernd Höckes Spruch vom „Denkmal der Schande, das sich das deutsche Volk in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat“ und Un-Worte wie „Asyl-Tourismus“, „Lügenpresse“, „Gutmenschen“.

Das Ergebnis dieser Denkweise sei die sinnentleerte Krippe, in der kein Platz für Juden, Araber, Afrikaner und Flüchtlinge sei, erläuterten die vier Darsteller. „Wir empfehlen, diesen gefährlichen Tatort nicht zu betreten!“, warnten sie und kennzeichneten ihn mit einem Flatterband. Die christliche Botschaft, die die Rechtspopulisten so dringend vor Fremdeinflüssen schützen wollten, sei allerdings eine andere, betonte Axel Held und verlas auf der Rednerbühne alias Kanzel die Weihnachtsgeschichte, wie sie bei Lukas überliefert ist.

Seine Mitstreiter schmückten derweil den schönen Baum mit Schildern, auf denen die Wörter Zuversicht, Vielfalt, Verständigung, Solidarität, Menschenrechte und Nächstenliebe zu lesen waren. Auch das Bild einer Krippe wurde aufgehängt, nicht leer, sondern mit Maria, Josef und dem Jesuskind.