„Vocalis Frankfurt“ präsentiert beim Domkonzert in Worms englische Kathedralmusik
Von Viktoria Selbert
Die hohen Stimmen, die einst von Knaben gesungen wurden, übernehmen heute Frauen. Unter der Leitung von Robin Doveton und begleitet von Jan Zerfaß an der Orgel trat der 20-köpfige A-cappella-Chor „Vocalis Frankfurt“ im Wormser Dom auf. Foto: photoagenten/Andreas Stumpf
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WORMS - Selten gelangt man als Besucher eines Domkonzertes in den Gebäudeteil, in dem „Vocalis Frankfurt“ unter der Leitung von Robin Doveton sein Programm mit englischer Kathedralmusik präsentierte. Im Hochchor, auf dem Plateau direkt vor dem barocken Hauptaltar, brachte der rund 20-köpfige A-cappella-Chor eine Auswahl hoch anspruchsvoller kirchenmusikalischer Kunstwerke zu Gehör, die sich besonders durch einen hellen und strahlenden Klang auszeichnen.
Ursprünglich waren die Chöre männlich besetzt, doch „Vocalis Frankfurt“ ist gemischt aufgestellt, weil die hohen Stimmen eigentlich von Knaben gesungen wurden, was im Ensemble souverän die Soprane übernehmen. Die Entstehungszeit des Hochaltars und die der ersten fünf Stücke entsprechen sich, wie Propst Tobias Schäfer zu Beginn erläuterte. Unter den Barock-Komponisten dürfte vor allem Henry Purcell bekannt sein, aber auch die anderen vier Tonsetzer William Byrd, Richard Nicholson, William Boyce und Maurice Greene haben großartige Vokalwerke überliefert.
Stimmen werden dezent von der Orgel unterstützt
Hoch interessant war die gesangliche Aufteilung der sogenannten Verse Anthems, in denen eine kleinere Besetzung, hier die Soprane, den Parts für den vollen Chor gegenüber gestellt ist. Die schlanken, vibratofreien Stimmen ließen die ersten beiden wunderschönen Sätze durch den Raum schweben, dezent unterstützt von der Orgel anstelle des ursprünglichen Gambenconsorts. Wie ein sich beständig neu webendes Netz hüllten die kunstvoll polyphonen Gesänge die Zuhörer in den voll besetzten Reihen ein und bewahrten in den durchweg langen Kompositionen stets eine belebende Elastizität. Mit dieser Eigenschaft und hoher Sensibilität agierte auch Dan Zerfaß, dessen Instrument ab dem dritten Stück kompositorisch direkt eingebunden war. Mit seinem Spiel fügte er sich absolut organisch in den gleichzeitig transparenten wie elegant voluminösen Stimmenklang ein. Da nahezu jedes Wort genau verständlich war, entfaltete die inhaltsbezogene Agogik, die Robin Doveton mit dezenten wie energischen Gesten gestaltete, bis zum Schluss eine faszinierende Wirkung.
DOMKONZERTE
Das nächste Domkonzert ist am Samstag, 24. Juni, 20 Uhr, und Teil des Festivals „wunderhoeren“.
Das Ensemble Musiche Varie spielt Werke von Gabrieli, Monteverdi, Neri, Castello, Rovetta, Buonamente, Biber unter dem Titel „L’Italia in Giro – Venezianische Mehrchörigkeit auf dem Weg durch Europa“.
Möglich ist dies durch die Professionalität des Chores, der rhythmisch versiert, intonationssicher, dynamisch flexibel und mit hervorragender Diktion den Noten Leben verlieh. Bei aller Bewegung mit Koloraturen und großem Ambitus blieb die Musik doch immer auf ganz eigene Weise meditativ und überraschte zugleich beispielsweise mit einem Echo-Effekt oder einem deutlichen Anklang an Händels „For unto us a child is born“ in „God is our hope and strength“ von Maurice Greene.
Vom Barock ging es dann im zweiten Teil zur Romantik und weiteren sechs beeindruckenden Chorwerken von Thomas Attwood Walmisley, Samuel Sebastian Wesley, John Stainer, John Henry Maunder und Charles Villiers Stanford. Deutlich vertrauter ist deutschen Ohren diese Musik mit klassischer Choraufstellung, prägnanter Orgelstimme und voluminösem Chorklang. Auch hier beeindruckte die Leistung des Klangkörpers durch Perfektion und außergewöhnliches Gestaltungsvermögen sowie ergreifender emotionaler Tiefe.