Großer Klang und tiefe Emotionen mit Werken von Rachmaninow, Prokofjew und Tschaikowsky begeistern das Publikum.
WORMS - Ein großartiger,phänomenaler Konzertabend sei es gewesen, so die Stimmen des Publikums nach zwei Stunden musikalischer Power pur. Der Begriff meint als seit Langem adaptierter Anglizismus noch viel mehr als Kraft, Power meint einen energetischen Zustand. Der Orchester-Chef hatte drei Werke von Rachmaninow, Prokofjew und Tschaikowsky ausgewählt, die aufeinander abgestimmt waren. Großer Orchesterklang, tiefe Emotionen und Publikumswirksamkeit hatten alle gemein, zudem noch die geografische Herkunft der Stücke.
Technisch perfektes Spiel
Und dazu der amerikanische Starpianist Tzimon Barto. Michael Francis, Chefdirigent der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und begnadeter Klanggestalter, hatte in ihm einen kongenialen Interpretationspartner für Prokofjews „Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur“ gefunden. Eine Ausnahmeerscheinung unter den Weltklassepianisten ist Barto, ein hochsensibler Hüne, der in schlichtem Outfit mit Pullover zur eleganten Hose eine unprätentiöse Erscheinung auf die Bühne brachte. Wie ein Riesenspielzeug wirkte der Flügel beim virtuosen, technisch perfekten Spiel des Amerikaners. Seine feingliedrigen Hände verfügen über ein Spektrum an Gestaltungsmöglichkeiten von feinstem Piano bis zu brachialen Fortissimo-Ausbrüchen, von elegischen, lyrischen Passagen hin zu rhythmischen Eruptionen, was Prokofjews wohl bekanntestes Klavierkonzert ausmacht. Das Orchester agierte elastisch und klangbewusst. Francis‘ fokussiertes, sportliches Dirigat und Bartos athletisches Spiel passten perfekt, das Klangverhältnis von Klavier- und Orchesterpart war so ausgewogen, wie selten zu hören, sodass sich die unglaubliche Vielfalt an Harmonien, Rhythmen, Klangfarben und Dynamik dem Zuhörer in idealer Weise erschließen konnte. Diese anglo-amerikanische Herangehensweise mit ihrer Direktheit und scharfen Konturen passt bei diesem Klavierkonzert ideal, denn es entstand zum Teil in den heutigen USA. Aber auch die beiden anderen Werke gewannen eine neue akustische Perspektive durch Michael Francis‘ hoch strukturierte und auf den Punkt geschliffene Interpretationen. Das Eröffnungsstück „Die Insel der Toten“ von Sergej Rachmaninow (1909), eine symphonische Dichtung zum Gemälde von Arnold Böcklin, ließ das Bild unmittelbar im Kopf entstehen: Acherons Wellen, das Boot, die Figuren in der Orientierungslosigkeit der Umgebung, die Akzeptanz des neuen Zustands. Mit extremer Dramatik leistete die Staatsphilharmonie mit düster-schönen, seidigen, melancholischen Klängen differenziert eine tief erschütternde Bildinterpretation, die fünf Sekunden Todesstille vor dem Applaus bewirkte.
Ausleben unter dynamischer Führung
Nach Rachmaninow und Prokofjew folgte Tschaikowskys „Sinfonie Nr. 2 in c-Moll“, auch „Die Kleinrussische“ (1879) genannt, was auf der Verwendung ukrainischer Volksmelodien in dieser Sinfonie beruht. Interessanterweise könnte diese Komposition in ihrer vielfältigen, kantigen Struktur einen Bezug zu dem Prokofjew-Stück aufweisen, was historisch denkbar wäre. Diese Tondichtung würde man kaum beim ersten Hören dem Komponisten des „Nussknackers“ mit seinen farbigen, vollen und weichen Klängen zuordnen. Doch verrät sich die Herkunft beim Arrangement des lyrischen zweiten Satzes dann doch, aber vorwiegend ist ein temperamentvolles, in Passagen wildes, sogar ekstatisches Werk zu hören. Das Theater war zu klein für die machtvolle Klangfülle des Orchesterapparates, und die Musiker hatten sichtlich Spaß daran, sich unter Francis‘ dynamischer Führung ausagieren zu können. Eine grandiose Leistung, die sogar mit spontanen Bravo-Rufen belohnt wurde.