WORMS/MAINZ - Die Lebensgeschichte des wegen schweren Raubes angeklagten Mannes ist eine traurige. Liebe, Halt, Geborgenheit, so etwas habe er nie erfahren. Als Kind sei er hin und her gereicht worden, als Jugendlicher habe er Anerkennung in Milieugruppen gesucht, als Erwachsener hing er tief im Drogensumpf. Und aus dem heraus marschierte der geständige 37-Jährige am Vormittag des 26. Oktober 2017 mit einer Wollmütze maskiert und mit einer Plastik-Spielzeugpistole bewaffnet in die Filiale der Volksbank Alzey-Worms in der Bebelstraße und erpresste knapp 2500 Euro.
„Aber wir müssen vor allem auch an die Opfer denken“, fasste Oberstaatsanwalt Rainer Hofius am Ende des ersten Prozesstages vor dem Mainzer Landgericht in seinem Plädoyer zusammen. Sieben Jahre Haft sowie die Unterbringung in einer Entzugsklinik forderte der Ankläger, er sehe keine Milderungsgründe. Die heute 22 Jahre alte Bankangestellte, der der Täter die Waffe vorhielt, hat bis heute mit den psychischen Folgen der Tat zu kämpfen. Bis Januar war sie krankgeschrieben, dann startete sie eine Wiedereingliederung und geht jetzt wieder einer Vollzeitbeschäftigung in eben jener Filiale nach, in der sie mit einer Kollegin und drei Kunden überfallen wurde. „Es fällt mir sehr schwer“, sagte sie und erzählte: „Ich sah diese Waffe. Für mich war das echt.“
Gerade mal 2500 Euro waren es, die der Täter damals erbeutete. „Bankraub lohnt sich nicht mehr, seit Banken auf die Geldautomaten setzen. Wir haben bestenfalls Wechselgeld im Geldschrank“, beschrieb die Zeugin, weshalb ein Überfall sinnlos sei. Ihre Kollegin war dem Täter damals noch ein Stück weit auf die Straße gefolgt, er hatte seine Maske abgezogen, die gute Beschreibung führte deshalb nur wenige Stunden später zur Festnahme.
Der Angeklagte steht zu dem, was er getan hat, und entschuldigte sich aufrichtig. Er sei abhängig von Spice, dieser Kräutermischung, die einen im Nu in andere Sphären versetzt, ganz schnell aber auch die Gier nach mehr weckt. Zehn Gramm am Tag will er geraucht haben, seine Ehe war kaputt gegangen, in seiner Nachtbar, die er ein halbes Jahr in Worms führte und in der er dann auch noch zwei Spielautomaten knackte und 3000 Euro mitnahm, war er sein bester Kunde geworden. Zuletzt hauste er im Wohnzimmer einer Bekannten.
An jenem 26. Oktober war ihm das Spice ausgegangen, Geld fehlte ebenfalls. Mit dem Fahrrad sei er durch die Stadt geradelt, habe nach Dealern gesucht, die ihm auf Kommission etwas Kraut geben würden. Erfolglos. „Mehrmals fuhr ich an der Bank vorbei. Da kam mir die Idee, dort Geld zu holen.“ Daheim habe er Leinenbeutel, Spielzeugpistole und Wollmütze geholt, dann marschierte er in die Filiale: „Überfall, alle auf den Boden“, brüllte er und befahl der Bankangestellten: „Geld her!“
Verteidiger Olaf Langhanki orientierte sich an den Ausführungen eines Sachverständigen. Er hatte erklärt, der unbedingte Wille, damals an das Spice zu kommen, führe zu einer Strafmilderung. „Er konnte nichts anderes mehr denken, somit war seine Schuldfähigkeit eingeschränkt“, so der Psychiater. Der sah gute Erfolgsaussichten einer Langzeittherapie. „Der Angeklagte erkennt darin seine einzige Chance.“ Gute Voraussetzungen also. Der Verteidiger stellte keinen konkreten Strafantrag, verlangte aber, sein Mandant möge sofort in einer Entzugsklinik untergebracht werden. Das Urteil soll morgen verkündet werden.