Karl-Heinz Deichelmann las im „Luthersalon“ aus Charles Simmons Buch „Lebensfalten“. Dazu präsentierte Kantor Christian Schmitt Kompositionen – passend zu dem Text.
Von Ulrike Schäfer
Karl-Heinz Deichelmann ist auf den eher unbekannten US-Schriftsteller Simmons durch eine Besprechung Reich-Ranickis aufmerksam geworden.
(Archivfoto: Uhrig)
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WORMS - Der amerikanische Schriftsteller Charles Simmons (1924-2017) ist hierzulande nicht sehr bekannt, dafür aber Karl-Heinz Deichelmann. Und als der beliebte Schauspieler und Rezitator in der jüngsten Ausgabe des Luthersalons aus Simmons Buch „Lebensfalten“ las, waren im Luthersaal trotz großer Hitze alle Stühle besetzt.
Er sei auf den Autor, dem bei Wikipedia nur wenige Sätze gewidmet sind, durch eine Besprechung von Marcel Reich-Ranicki aufmerksam geworden, berichtete Deichelmann und es habe ihn gereizt, ihn in dem neuen Format „Karl-Heinz Deichelmann liest“ vorzustellen. Kantor Christian Schmitt, der auch als Komponist absolut hörenswerte Qualitäten besitzt, hatte dazu „10 Sketches“ geschrieben, die ganz hervorragend zu den eigenwillig-spröden Texten von Charles Simmons passten.
Das Buch „Lebensfalten“, geschrieben 1978, also, als der Schriftsteller 54 Jahre alt war, ist so etwas wie eine Biografie, allerdings eine recht ungewöhnliche, denn Simmons lässt darin sein Leben unter unterschiedlichen Aspekten von der Kindheit bis ins frühe Alter Revue passieren. Jedes der 40 Kapitel, so heißt es in einer Rezension im „Perlentaucher“, sei ein kleiner Roman. In einem hat der Schriftsteller beispielsweise sein Verhältnis zu Zahlen untersucht, als Kind vor allem unter dem Gesichtspunkt ihrer Gestalt. In anderen Kapiteln beschreibt Simmons seine markantesten Geburtstage, seine diversen Liebesgeschichten, sein Verhältnis zu Ärzten. Er beobachtet, mit welchen Mitteln er seine Umgebung zum Lachen bringen kann, schildert, welche Wirkung Gesichter auf ihn haben und zieht daraus Schlüsse auf den Charakter der Menschen, oft falsche.
Sein eigenes Gesicht betrachtet er im Zusammenhang mit dem Thema Altern. Im letzten Kapitel, das Deichelmann ausgewählt hatte, macht sich Simmons Gedanken über die Gestaltung von Zeit. Wie der Tag während der Schulzeit verlief, wie an Wochenenden; wie sich die Abläufe im Laufe seines Lebens veränderten. Im Alter, so resümiert er gleichmütig – oder schwingt da doch ein bisschen Resignation mit – werde er zwar mehr Freizeit haben, doch dann hätten Natur und Zivilisation ihr Interesse an ihm verloren.
Das Kunstvolle an diesen nahezu leidenschaftslosen Bestandsaufnahmen ist der spezielle Blick des Schriftstellers, das, was ihm auffällt, was ihm, gelegentlich lakonisch kommentiert, festhaltenswert erscheint. Darüber hinaus werden durch dieses Erzählprinzip verschiedene Facetten ein und derselben Lebensphase sichtbar, sodass sich ein immer genaueres biografisches Bild des Autors ergibt. „Simmons hält nichts vom Glück“, schickte Deichelmann der Lesung voraus: Es gebe in seinen Texten keine Erholung durch Kitsch, kein Schwelgen in hehren Gefühlen. „Er hält dem Leser einen Spiegel vor, der die Frage stellt. Wie war, wie ist es bei mir?“
Die Kompositionen von Christian Schmitt fingen den Zeitgeist und die Stimmungen des Erzählers in verspielten Läufen und schrägen Harmonien wunderbar ein, Lebenslust bis hin zur Aufgekratztheit, aber auch Skepsis, Melancholie und offene Fragen.
Pfarrer Fritz Delp legte den zahlreichen Besuchern nach diesem gelungenen Einstand auch die nächste Veranstaltung im Luthersalon ans Herz. Sie findet am Freitag, 30. August, 20 Uhr, statt. Dabei geht es unter dem Motto „Vuelvo al sur“ um Stücke aus der Welt des Tangos, gespielt von Katharina Schmitt (Cello) und Christian Schmitt (Klavier).