Donnerstag,
24.10.2019 - 04:30
4 min
Mordfall Syndia: Schwierige Suche nach dem Motiv

Von Johannes Götzen
Redaktionsleiter Lokalredaktion Worms

Ahmet T. muss sich vor dem Mainzer Landgericht verantworten. (Foto: Harald Kaster)
WORMS/MAINZ - Auch nach zwei langen Prozesstagen, an denen die Erste Große Strafkammer des Mainzer Landgerichts von morgens bis zum späten Nachmittag den Angeklagten und einige Zeugen befragt hat, ist ein Motiv für die Ermordung von Syndia in der Nacht zum 6. März dieses Jahres nicht eindeutig erkennbar. Der 28 Jahre alte Angeklagte Ahmet T. hat behauptet, es gebe ein kompromittierendes Video von ihm, dessen Existenz jedoch noch niemand bestätigen konnte. Zeugen wie der Bruder des Angeklagten und seine Ex-Frau berichteten von Hochzeitsplänen von Ahmet T. und Syndia. Aber kurz vor dem Tattag hat sich die Situation offenbar gewandelt.
Die vom Bruder des Angeklagten geschiedene Zeugin hatte bis kurz vor dem Tattag immer wieder per Handy Kontakt mit Syndia. Dieses Handy mit zahlreichen WhatsApp-Nachrichten hatte die 36-Jährige der Kripo zur Auswertung zur Verfügung gestellt, so ließ sich vieles von ihrer Kommunikation nachvollziehen. Noch am 1. März ging es in dem Chat um die Frage, wie Hundeboxen für den für 26. März reservierten Flug nach Tunesien zu organisieren seien. Syndia und Ahmet T. wollten dort heiraten, die junge Frau ihre Hunde mitnehmen.
Am 2. März waren die beiden offenbar noch gemeinsam feiern. Doch am folgenden Tag habe sie in einem Telefonat ängstlich gewirkt, berichtete die Zeugin. Sie habe sogar zu ihr kommen wollen. Das aber hat die Ex-Frau des Bruders des Angeklagten nicht zugelassen. Sie war mit ihren Kindern aus der gemeinsamen Wohnung in Westhofen geflüchtet und nach Karlsruhe gezogen. Die neue Adresse sollte keinesfalls in die Hände ihres Ex-Mannes gelangen, erklärte sie jetzt vor Gericht ihre Gründe. „Hätte ich gewusst, was passiert, hätte ich sie zu mir gelassen“, sagt sie heute.
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Gegenseitiger Gesprächsbedarf
Am 4. März fand der letzte Kontakt per Chat statt. Syndia schrieb der 36-Jährigen, sie müssten ganz dringend telefonieren. Diese schrieb zurück, sie solle einfach anrufen – was dann aber nicht mehr geschah.
Um diese Zeit lebte der Bruder von Ahmet T. in Bad Kreuznach. Auch er erhielt drei Tage vor Aschermittwoch eine dringende Nachricht, sagte er als Zeuge aus. Sein Bruder habe ihn angerufen und gebeten, zu ihm nach Worms zu kommen. Das habe er dann aber nicht mehr geschafft, so der Zeuge. Sein Bruder sei verzweifelt gewesen. Eine gemeinsame Freundin von Ahmet T. und Syndia sagte als Zeugin, der Angeklagte sei am Sonntag vor der Tat bei ihr in der Wohnung gewesen. Er habe sich sehr über Syndia beklagt, wollte aber auch nicht einfach Schluss machen. „Er wusste nicht, was er tun soll“, so die Zeugin.
Nach und nach wird im Prozess auch mehr vom Vorleben des Angeklagten bekannt. So verbüßte er offenbar schon in Tunesien eine mehrjährige Haftstrafe, weil er eine Person mit einer Machete verletzt haben soll. In Sfax, der zweitgrößten Stadt Tunesiens ist er im Dezember 1990 geboren. Auch in Deutschland, wo er erfolglos Asyl beantragt hat, gab es offenbar Anzeigen wegen Körperverletzung gegen ihn und ebenso gegen seinen Bruder.
Drogen konsumiert
Auch Drogen spielen bei Ahmet T. offenbar eine Rolle. Im Zimmer von Syndia in der Wohnung ihres Vaters fanden die Ermittler geringe Mengen an Drogen, von drei Ecstasy-Pillen berichtete der Ermittlungsführer der Kripo. Im Raum steht der Verdacht, Ahmet T. könnte auch gedealt haben. Klar ist aber, dass er selbst Konsument war. Das hat eine Untersuchung einer Haarprobe ergeben. Anders als bei Blut oder Urin sind in den Haaren Rückstände von Drogen noch Monate später nachweisbar. Demnach hat Ahmet T. Cannabis, Kokain, Amphetamine und Ecstasy konsumiert. Unmittelbar vor der Tat allerdings hat er keine Drogen genommen, auch war kein Alkohol im Blut nachweisbar, berichteten die Beamten im Zeugenstand. Eine Beeinflussung sei also nicht anzunehmen, auch wenn eine Restwirkung des letzten Cannabis-Konsums nicht gänzlich auszuschließen sei, so die Fachleute.
Ahmet T. hatte gleich zu Beginn der Verhandlung eingestanden, zugestochen zu haben. Details der Tat nannte er nicht, auch bei den polizeilichen Vernehmungen habe er diesen Punkt „umschifft“, berichtete einer der Beamten. Jetzt in den Verhandlungen spricht er von „der Sache“, wenn er die eigentliche Tat meint. Zu leugnen hätte wohl auch keinen Sinn. Die Indizien sprechen bislang klar gegen ihn. Das Tatwerkzeug, ein Küchenmesser mit gut 20 Zentimeter lange Klinge, lag neben dem Bett des Opfers. Die Forensikerin des Landeskriminalamtes konnte die Blutspuren daran eindeutig dem Opfer und die Fingerspuren am schwarzen Plastikgriff dem Angeklagten zuordnen. Auch fand sich an mehreren Stellen seiner Kleidung Blut des Opfers.