Mit „schaz“ auf der Jagd nach Bildern: Hochschule Worms entwickelt Spiele-App für Rheinland-Pfalz-Tag
Anlässlich des Rheinland-Pfalz-Tags in Worms will die Hochschule für einen Wow-Effekt sorgen. Und zwar mit einer Spiele-App. Wer schon immer mal den Siegfriedstein durch die Gegend schleudern wollte, für den ist "schaz" perfekt geeignet.
Von Claudia Wößner
Redaktionsleitung Rheinhessen Süd
Für die App werden 360-Grad-Aufnahmen benötigt - gar nicht so einfach. Denn überall müssen Sensationen im Bild zu sehen sein, wie zum Beispiel kämpfende Ritter beim Spectaculum. Dafür bringt Magnus Eckenfels die Kamera in Position (rechts). Archivfoto: Photoagenten / Alessandro Balzarin
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WORMS - Action, Action und nochmals Action. Und das einmal im Kreis herum. Das ist nicht schwer. Oder doch? Die große Kunst bei 360-Grad-Aufnahmen ist es, überall Sensationen im Bild zu haben. Jubelnde Menschenmassen, Ritter, die sich schlagen, Musiker, die eine grandiose Show abliefern. Tote Ecken, in denen nichts los ist, will keiner. Schließlich geht es um den Rheinland-Pfalz-Tag, das Image von Worms und den eigenen Ehrgeiz.
„schaz“ soll nämlich ein Riesending werden. „schaz“? Das liest sich wie ein Schreibfehler. Ist es aber nicht, was schnell deutlich wird, wenn man den Namenszusatz des Projekts liest. „Wormser Schätze neu entdecken“ steht da geschrieben. Ein Team der Hochschule ist seit Frühjahr dieses Jahres dabei, die Schätze neu zu entdecken. Professoren, Hochschulmitarbeiter und Studenten aus den Fachbereichen Informatik und Touristik/Verkehrswesen erledigen dies im Auftrag der Stadt. Neun Personen sind es, die für den Rheinland-Pfalz-Tag, der vom 1. bis 3. Juni 2018 in Worms stattfindet, die Spiele-App namens „schaz“ entwickeln. Der Name ist angelehnt an das Nibelungenlied und die mittelhochdeutsche Schreibweise von „Schatz“.
Siegfriedstein in den Dom schleudern
Mit der App sollen die Besucher, aber auch die Wormser selbst „interaktiv auf neue und erlebnisreiche Art zwischen Gegenwart und Vergangenheit wandeln“. So beschreiben die Professoren Jan Drengner (Fachbereich Touristik/Verkehrswesen), Werner König und Alexander Wiebel (beide Fachbereich Informatik), die das Projekt für die Hochschule leiten, das Ziel. Zum kreativen Rundgang durch Worms gehören Quizspiele, die Wissen zur Geschichte der Stadt vermitteln. Auch die Augmented-Reality-Technik (AR) soll verwendet werden. Mit AR ist eine erweiterte Realität gemeint. Ein gutes Beispiel für eine solche ergänzte Wirklichkeit war der weltweite Pokémon-Hype. Jugendliche liefen durch die Gegend, ihr Blick klebte dabei auf dem Handy – auf der Suche nach Monstern, die in die real existierenden Straßen oder Häuser eingeblendet wurden. Für die „schaz“-App sind auch diverse Spielereien geplant. Der real existierende Siegfriedstein zum Beispiel, der schwere Felsbrocken vor der Westseite des Doms, wird ziemlich beweglich. Wer will, kann ihn in den mächtigen Kirchenbau schleudern. Ganz ohne Siegfried’sche Heldenkräfte, nur wie von technischer Zauberhand. Und dann sind da noch die 360-Grad-Aufnahmen von Großveranstaltungen. Sie sollen die App-Nutzer mitten ins Geschehen katapultieren, ohne jemals dabei gewesen zu sein. Der kalkulierte Effekt beim Worms-Besucher: Wow, was diese Stadt zu bieten hat!
Beim Spectaculum, dem Mittelaltermarkt im Wäldchen, und beim Musikfestival Jazz & Joy war das Hochschulteam für Dreharbeiten schon unterwegs. Mit bis zu drei Kameras haben sie aus allen Perspektiven festgehalten, was um sie herum passiert. Bei den Nibelungen-Festspielen steht jetzt der nächste Einsatz an. Wenn im neuen Stück „Glut. Siegfried von Arabien“ das Kommando Klein mit der Bagdad-Bahn durch den Orient rollt, haben Magnus Eckenfels und Sascha Keuchel schon eine Ahnung, was auf sie zukommt. Aber auch nur eine Ahnung. Denn es klingt zwar profan. Doch alle Dreharbeiten sind ganz anders und halten neue Herausforderungen bereit. „Beim Spectaculum bewegt sich alles, bei Jazz & Joy ist das total anders. Die Hauptakteure rennen nicht weg, sie bleiben auf der Bühne“, erzählen Eckenfels, Student der Angewandten Informatik, und Forschungsassistent Keuchel.
Beide waren wie auch andere vom Team der Hochschule bei den Dreharbeiten dabei. Mittendrin bei der Feldschlacht hinter dem Äschebuckel. Rasant ging es da zu, die Ritter fielen wie Fliegen zu Boden. Getroffen – und von der Hochschulmannschaft vielleicht für alle Zeiten im Bild verewigt. Weil derjenige, der dreht, bei 360-Grad-Aufnahmen auch immer im Bild ist, schlüpfte Minh Son Truong, der beim Projekt mit von der Partie ist, in eine mittelalterliche Gewandung.
Jetzt heißt es: Action
Die eigene Kleidung, die Tempo-Unterschiede, das sind nur zwei Schwierigkeiten bei der Jagd nach besonderen Momenten. Auch die äußeren Umstände erschweren die Sache immer wieder. Beim Spectaculum machte die Hitze Probleme. Die Technik schaltete sich zwischendurch ab, weil es einfach zu heiß war. Die Geräte drohten zu überhitzen. Bei Jazz & Joy mussten Absprachen mit den Stars gemacht werden. Wer darf wo an wen ganz nah ran? Auch dank der städtischen Kultur und Veranstaltungs GmbH (KVG), die das Festival veranstaltete, gelang dem Team ein Coup. Eckenfels gerät richtiggehend ins Schwärmen. Das Konzert von Milow war sein persönliches Highlight. Der Sänger trat auf dem Marktplatz auf und die Kamera, ein fetter, blinkender Kasten auf der Bühne, war beinahe direkt vor seiner Nase. Milow spielte mit der Kamera, winkte in sie hinein. Für Eckenfels gab es nichts Größeres. Er hatte die Technik genau richtig positioniert. Ein fast unbeschreibliches Gefühl für ihn. Und genau diese Momente machen die Dreharbeiten für das Hochschulteam so besonders. Wie überhaupt das gesamte Projekt. „Wir wollen mit der Spiele-App Gefühle wecken und ein Erlebnis bieten“, sagt Jan Drengner. Die Aussage, die auf die künftigen App-Nutzer gemünzt ist, gilt irgendwie auch für die Studenten. Denn das Forschungsprojekt ist in die Lehre der Hochschule eingebunden und sorgt für einen Praxisbezug. Während der Fachbereich Informatik vor allem für die technische Umsetzung verantwortlich ist, kümmern sich die Touristiker um die Inhalte der App und wie die spielerisch vermittelt werden können.
Bild- und Filmmaterial hat das Hochschulteam schon mehr als genug gesammelt. Fünf oder sechs Minuten pro Großveranstaltung werden wahrscheinlich übrig bleiben. Das gilt auch für die Nibelungen-Festspiele. Das Bühnenbild, das von der Bagdad-Bahn dominiert wird, haben sich Eckenfels, Keuchel und die anderen schon angeschaut. Jetzt heißt es: Action!