Mit Imker Robert Lorenz durch den Bienensommer: ein Zahlenspiel
Im Sommer sehen wir sie im Freien überall: die Biene. Was passiert wann im Bienenstock? Mit dem Wormser Imker Robert Lorenz geht es auf Reise durch den Bienensommer.
Von Marina Held
Reporterin Rheinhessen Süd
Karikatur: Schwarze-Blanke
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WORMS - Dass Bienen überaus fleißige Wesen sind, lässt sich nicht bestreiten. Rund 100 000 Ausflüge nehmen alle Arbeiterinnen in einem Volk für ein Kilo Honig auf sich. Würde man die geflogenen Strecken addieren und eine einzelne Biene auf den Weg schicken, müsste sie dazu sechsmal um die Erde fliegen. Für den Honig einer ganzen Saison wären ganze sechshundert Erdumrundungen nötig – eine unglaubliche Leistung. Ab dem Frühjahr sehen wir Maja und ihre Schwestern unermüdlich von Blüte zu Blüte fliegen. Doch was ist jenseits der Blumenwiese los? Was passiert wann im Bienenstock? Mit Imker Robert Lorenz geht es auf die Reise durch den Bienensommer. Und die funktioniert nur mit einer gehörigen Portion Mathematik.
Dem Menschen immer eine Jahreszeit voraus
Eins sei vorab gesagt: Bienen sind uns Menschen immer eine Jahreszeit voraus. „Bei ihnen ist schon Sommer, wenn wir noch mit Mütze, Schal und Handschuhen unterwegs sind“, erklärt Imker Robert Lorenz. Sobald die ersten Schneeglöckchen und Krokusse sprießen, die Weide beginnt, zu blühen, bekommen die Bienen in ihrer Behausung davon Wind. „Im Bienenvolk herrscht dann von einem Moment auf den anderen Hochbetrieb.“
Ab dem Frühjahr ist für die Bienen also Sommer. In den Brutzellen in der Mitte des Bienenstocks wird dann erst einmal ordentlich geheizt. Im Winter haben die Bienen die Temperatur auf einem stabil-niedrigen Niveau gehalten – nun soll aber gebrütet werden. Damit die Larven nicht frieren, braucht es in der Kinderstube eine Temperatur von 34,8 Grad.
DIE SERIE
Varroa-Milbe, Insektizide, schwindende Artenvielfalt: Das Thema Bienensterben findet sich fast täglich in öffentlichen Debatten und Diskursen. Die WZ hat sich bei Imkern und Bienenfreunden in der Region umgehört, und gefragt, wie es um die Bienen in Worms bestellt ist.
Bis in den Mai hinein sind die Verluste des Winters ausgeglichen, das Bienenvolk ist von etwa 10 000 auf 20 000 bis 30 000 Arbeiterinnen angewachsen. Dazu kommen einige hundert bis einige tausend Drohnen. Ohne die männlichen Bienen geht es im Sommer nicht. Schließlich möchte man viel Nektar sammeln. Dazu muss das Volk wachsen, und das möglichst schnell. In einem starken Volk können bis in den Juni hinein 70 000 Bienen leben. Dafür sorgt im Bienenvolk die Königin.
Geht alles gut, kann die drei bis fünf Jahre alt werden. Doch kein Grund zur Sorge – für den Fall, dass sie früher stirbt, hat die Natur sich etwas einfallen lassen. „Es kann zu jeder Zeit eine neue Königin herangezogen werden“, erklärt Robert Lorenz. Jede Bienenkönigin ist nämlich erst einmal als ganz normale Arbeiterin angelegt. Dass sich die Königin anders entwickelt, als einzige Biene in der Lage ist, Nachwuchs zu zeugen, liegt an einem besonderen Futtersaft, dem eiweißhaltigen „Gelée royale“, mit dem sie im Larvenstadium gefüttert wird. Purer Zufall also, aus wem eine Königin wird. Rund 16 Tage dauert es, bis im Fall der Fälle eine Nachfolgerin herangezogen ist. Von Februar bis Oktober ist die Königin eine wahre Brutmaschine. 2000 Eier legt sie dann täglich. 150 000 sind es in einer Saison – in ihrem ganzen Leben schenkt sie bis zu einer halben Million Bienenkindern das Leben. Und auch die sind wahre Wunderwerke. Sechs bis acht Meter legt eine Biene im Flug pro Sekunde zurück, unternimmt am Tag im Schnitt 13 Ausflüge à 27 Minuten und schafft es dabei auf stolze 85 Kilometer. „Die Bestäubungsleistung der Bienen bei diesen Flügen ist immens“, erklärt Robert Lorenz. „Angenommen, eine Biene fliegt an einem Tag zehnmal aus und besucht dabei je 20 Blüten – dann hat sie am Ende des Tages 200 Blüten bestäubt.“
Schwarmtrieb soll unterbunden werden
Bis Ende Juni arbeiten die Bienen unbeirrt – dann wird gebrütet, bestäubt und Nektar gesammelt, was das Zeug hält. Robert Lorenz schaut in dieser Zeit oft nach seinen Schützlingen. Manchmal muss er erzieherisch tätig werden. Einmal im Jahr gilt es, ein bestimmtes Verhaltensmuster zu unterbinden: den Schwarmtrieb.
Wenn ab Mai die Brutzellen und Waben immer voller werden, der Platz im Bienenvolk knapp wird, merken die Bienen, dass es so nicht weitergehen kann. Was also tun? Das Wachstum einstellen? Nichts da! Nicht, wenn man sich genauso gut aufteilen kann. Im Bienenstock werden dann urplötzlich neue Königinnen gezüchtet. Halt! Stop! Es wird doch nur eine gebraucht.
„Genau, und um das zu verhindern, baue ich einfach ein zusätzliches Element in den Kasten“, erklärt der Imker. „Würde ich keinen zusätzlichen Raum zur Verfügung stellen, würde die alte Königin, sobald die erste der Jungköniginnen schlüpft, mit der Hälfte des Volkes davonfliegen, oder, noch schlimmer, bleiben. Dann käme es zum „Kampf der Königinnen“ – und aus dem geht nur eine der Thronanwärterinnen lebend hervor. „Aber auch wenn ein Volk flieht, hat es in freier Wildbahn nur eine geringe Lebenschance“, erklärt der Imker. Während er also die Stimmung im Bienenvolk ständig im Blick behält, erntet Robert Lorenz Honig; einmal im Mai und ein zweites Mal im Juni. Ab der Mittsommerwende am 23. Juni werden die Tage kürzer. Dann beginnt das Bienenvolk, sich zu verkleinern, und bereitet sich auf den Winter vor. Doch das ist eine andere Geschichte.