„Luthersalon“ in Worms hat sich als Reihe etabliert
Astrid Haag und Christian Schmitt begeistern mit Tucholsky und Co. Der Beifall will gar nicht enden.
Von Ulrike Schäfer
Astrid Haag begeisterte unter anderem mit köstlichen 20er-Jahre-Liedern.
(Foto: BilderKartell/Andreas Stumpf)
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WORMS - Der Luthersalon ist ein noch recht junges Format, aber er gehört bereits zu den angesagten Veranstaltungen in Worms. Schon der mitreißende Tangoabend mit Cellistin Katharina Schmitt und Pianist Christian Schmitt im August war so begehrt, dass der Luthersaal fast aus allen Nähten platzte. Am Freitag, beim Liederabend „…und ruh von meinem Vaterlande aus“ mit Astrid Haag und Christian Schmitt, war der Zuspruch sogar noch größer. „Eigentlich ist der Luthersaal zu klein für diese Veranstaltungsreihe“, räumte Pfarrer Simon Pascalis, der ein Händchen für stimmige Moderationen hat, denn auch schmunzelnd bei der Begrüßung ein. Ob man wohl auch heute noch in Paris so entspannt vom Vaterlande ausruhen könne, wie es Kurt Tucholsky 1924 in seinem Gedicht „Park Monceau“ geschildert habe? „Hier bin ich Mensch – und nicht nur Zivilist“, schrieb er damals und entwarf eine Idylle, in der man leben darf und leben lässt.
Der rote Faden dieses Abends, der mit Tucholsky begann („Wenn eena jeborn wird“) und auch endete („Wenn eena dot is“), war das menschliche Leben von der Geburt bis zum Tod: witzige, nachdenkliche, erschütternde Texte. Die Liebe und das Verlassenwerden, von Erich Kästner in nüchterner, aber keinesfalls gefühlloser Weise beschrieben, gehören dazu. Anrührend gestaltete Astrid Haag, mit leichter Hand von Christian Schmitt begleitet, die Melancholie der „sachlichen Romanze“ mit all ihren Zwischentönen und ließ beim „Abschiedsbrief“ die widerstreitenden Gefühle aus Stolz, Wut und Schmerz des gedemütigten Dienstmädchens eindringlich nachempfinden. Die Flüchtigkeit von Begegnungen, die vielen verpassten Chancen machte sie mit Tucholskys Gedicht „Augen in der Großstadt“ bewusst.
Vier Lieder waren an diesem Abend dem Krieg, dem großen Thema Kästners und Tucholskys, gewidmet: das „Marschlied 1945“ voll beißender Ironie, dann „Krieg dem Kriege“ und „Der Graben“, verzweifelte Appelle an die Humanität, so nachdrücklich, so intensiv vorgetragen, dass man kaum zu klatschen wagte. Wie oft, fragte man sich, müssen diese Lieder noch gesungen werden und welche Ohren müssten sie erreichen? Passend dazu hatte Christian Schmitt den fantasievollen Blues „Kleiner Reigen“ des jüdischen Komponisten Erwin Schulhoff ausgewählt, der 1942 mit 48 Jahren im Internierungslager Wülsburg an Tuberkulose starb.
TERMIN
Der nächste Luthersalon, „Vom Karneval der Tiere“, ein Vortrag von Christian Schmitt mit Musik in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Erwachsenenbildung ist am Freitag, 29. November, 20 Uhr, im Luthersaal.
Eine ganz andere, sehr bezaubernde Seite ihres Könnens präsentierte Astrid Haag mit den köstlichen 20er-Jahre-Liedern, die einst Claire Waldoff gesungen hat. Mit pfiffigen Accessoires und keckem Augenaufschlag erzählte sie von „Meen Emil“ und seiner unanständigen Lust, von der Kleptomanin, die gierig alles haben, haben, haben muss, um es dann gelangweilt wegzuwerfen, und vom „Pechvogel“, der leider immer den Finger in der Tür hat.
Nach dem knapp einstündigen Konzert, das noch viel länger hätte dauern dürfen, wollte der Beifall kaum enden, sodass das kongeniale Duo Haag/Schmitt um eine Zugabe nicht herumkam und mit „Warum soll er nicht mit ihr?“ noch einen echten Leckerbissen zu Gehör brachte.