Erstaunlich harmonischer Auftritt bei „Rudelsingen“ des Kurzzeit-Chors im Wormser Lincoln-Theater
Von Viktoria Selbert
Gemeinsam macht das Singen mehr Freude, wie im Lincoln-Theater zu sehen und zu hören war. Foto: photoagenten/Axel Schmitz
( Foto: photoagenten/Axel Schmitz )
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WORMS - Homo sapiens cantans gregis, so könnte die lateinische Bezeichnung für einen Teilnehmer des sogenannten „Rudelsingens“ lauten. Der Mensch ist ein soziales Wesen und es besteht offensichtlich ein großes Bedürfnis zu singen, das unter der Dusche oder im Auto nicht befriedigt werden kann. Gemeinsames Singen in der Öffentlichkeit war lange genug verpönt und beschränkte sich auf Aktivität in Chören. Aber einfach so nur zum Spaß singen und ohne Angst sich zu blamieren? Ja, das ist möglich. Der Erfinder dieses „Karaoke für alle“, David Rauterberg, selbst professioneller Sänger, wusste intuitiv genau, was der Zeitgeist fordert, als der das Format konzipierte, das mittlerweile Kultstatus erreicht hat.
Mit dem Begriff „Rudel“ kann man eine unkoordinierte Meute assoziieren, die begeistert grölt, aber was man erlebt, ist ein spontan entstehender Klangkörper, der erstaunlich harmonisch gemeinsam singt.
Im fast voll besetzten Lincoln-Theater formierte sich so zum ersten Mal ein Kurzzeit-Chor, der mit großer Begeisterung „Hits und Gassenhauer von damals bis heute“ intonierte. Sogar aus Bad Kreuznach und Bensheim kamen Sangesschwestern und -brüder, und die Erfahrung einer Dame war, Rudelsingen mache süchtig, oder zumindest so heiser, dass ein Stimmarzt konsultiert wurde. Das bleibt aber wohl eher die Ausnahme, denn die Lautstärke war insgesamt sehr angenehm, auch bedingt dadurch, dass statt synthetischer Playbacks Instrumente und echte Musiker für einen richtig guten Sound sorgten. Der Pianist Volker Becker mit einem Hochleistungs-Keyboard sowie echtem Akkordeon und der Gitarrist Ulric Wurschy mit akustischer und E-Gitarre brachten mit handgemachter Begleitung, guten Stimmen und charmanter, humorvoller Moderation die Hauptpersonen des Abends zum Singen. Die Texte wurden gut lesbar auf eine große Leinwand projiziert, so dass auch eine vergessene Brille kein Problem war.
TERMIN
Die nächste Gelegenheit zum Rudelsingen gibt es im März 2018.
Drei Sets mit jeweils acht Liedern
Drei Sets mit je acht Liedern plus Pause hatten die Herren zusammengestellt, die als Profimusiker und Inhaber einer Musikschule bestens wissen, welche Songs sich für gute Laune und garantierte Erfolgserlebnisse eignen. Der Lohn beim Blick ins Publikum waren dann auch strahlende Gesichter und groovende Bewegung in den Reihen, denn die wichtigste Regel ist: Es wird im Stehen gesungen. Den Anfang machte „Ich war noch niemals in New York“, und alle legten ohne Hemmung direkt los. Die Tonarten der Lieder waren so geschickt gewählt, dass Männer wie Frauen problemlos mitsingen konnten, wobei letztere mal wieder in der Überzahl waren. Immerhin war es möglich, stimmkräftige Duette zu zaubern, so beispielsweise bei „I’ve had the Time of my Life“.
Gänsehaut-Gefühl gab es bei „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“, nur mit Akkordeon, genau wie „Tulpen aus Amsterdam“.
„Classic Rock“ durfte auch nicht fehlen, und die Gitarre gab ihr Bestes bei „Born to be Wild“. Auch die Sportfreunde Stiller kamen mit „Applaus, Applaus“ zu Wort, und sogar Beethoven und Schiller. Die „Ode an die Freude“ hätte nicht überzeugender klingen können.