Die Gäste des Kulturfestivals im Hof der alten Westhofener Winzervilla sind zufrieden. Diesmal begeisterte Kabarettistin Eva Eiselt mit einem faszinierend-verrückten Programm.
Von Viktoria Selbert
Im Rahmen des „Morstein Kultur Festivals“ präsentierte Eva Eiselt ihr neues Programm „Wenn Schubladen denken könnten“.
(Foto: BK/Boris Korpak)
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WESTHOFEN - Die Worte Krise und Kreativität beginnen beide mit demselben Anlaut, aber darüber hinaus sind sie in der aktuellen Situation eine so noch nie dagewesene Verbindung eingegangen. Not macht erfinderisch, und Stefan Spies, Inhaber von „Gut Leben am Morstein“ hat den Geist der Zeit erkannt und in kürzester Zeit ein vielfältiges Kulturfestival auf dem Gelände der alten Winzervilla realisiert. Für ihn, der ein Gespür für Chancen hat und darüber hinaus einen ausgeprägten Sinn für künstlerische Qualität, war es schmell klar, dass er mit seinen Möglichkeiten die verdorrte Kulturlandschaft wieder ankurbeln wollte.
Da Veranstaltungen im Freien das geringste Risiko darstellen, gab es keinen besseren Ort als den Garten und Hof, um diese selbst gestellte Aufgabe in die Tat umzusetzen. Nach den ersten drei Wochen zieht Spies Resümee: „Anfangs habe ich mich gefühlt wie das Kaninchen vor der Schlange. Niemand will bei dem schönen Wetter drinnen sein, die Leute möchten Kultur erleben, und in den Städten und Kommunen gibt es keine Festivals – also dachte ich: Stoßen wir in diese Lücke rein, füllen sie und riskieren es.“ Von Anfang an fanden die Veranstaltungen guten Zuspruch, und mittlerweile kommen Gäste aus einem Umkreis von rund 50 Kilometern – kein Wunder bei einem so breit aufgestellten Programm, das von lokalen Künstlern bis hin zu international renommierten Ensembles reicht. Allesamt sind zu erleben im Innenhof zwischen dem Foyer des Kulturgewölbes und dem Hotelgebäude, auf einer angemessen geräumigen Bühne mit 80 Sitzplätzen im Corona-Abstand, und einer hervorragenden Licht- wie Tontechnik. Die Besucher sind durchweg begeistert von der Kombination aus Open-Air-Kultur auf höchstem Niveau und dem schönen Ambiente – und das zu fairen Preisen.
Viel Neues traut sich Spies in der Konzeption des „Morstein Kultur Festivals“: Für die Auswahl der meisten Künstler zeichnet er selbst verantwortlich. Aus den unzähligen Bewerbungen, die täglich eingehen, wählt er Künstler aus, die ein besonderes Erlebnis garantieren. So war es auch mit der Kabarettistin Eva Eiselt. „Sie würde wunderbar in das Programm hineinpassen“, dachte sich Spies, „mit der kann man viel Spaß haben.“ Und auf ganz kurzem Weg war die Powerfrau engagiert. Mit ihrem Programm „Wenn Schubladen denken könnten“ packte die gelernte Schauspielerin, tiefgründig denkende Geisteswissenschaftlerin und Theaterbesitzerin aus der Eifel brennende und schwelende Alltagsthemen in bühnentaugliche Schubladen-Formate: große Schauspielleistung und musikalische Einzigartigkeiten am Schubladion, einem Synthesizer in der Schublade eines antiken Schrankes. Schneidend-scharf umreißt Eiselt Figuren und gesellschaftliche Phänomene: von der alleinerziehenden, durchsetzungsunfähigen Helikopter-Mutter, ihrem Sohn und dem tragischen Ende eines Spiels, vom „Leiden des jungen Wlan“, das sich erhängt und in der Nachbarschaft Nachahmer findet. Sie röhrt mit beeindruckender Stimme einen veganen Dark-Metal-Song, bringt ein absurdes Tiermärchen auf die Bühne, schlüpft in unterschiedlichste Dialekt-Identitäten und präsentiert so den genialen „Schu-bladler“. Und noch viel mehr faszinierend Verrücktes bietet Eiselts Schubladen-Universum. Im nächsten Jahr wird Eva Eiselt wohl wieder auf „Gut Leben“ spielen.
Schön wäre es, wenn sich das „Morstein Kultur Festival“ in dieser Form etablieren könnte. Doch jetzt geht es erst einmal bis 29. September weiter. Die nächsten Glanzpunkte sind am Mittwoch, 12. August, „Berlin’s 4 – a cappella an 4 Locations, 4 Drinks, 4 x Fingerfood“. Das A-Cappella-Ensemble vom Rundfunkchor Berlin präsentiert Evergreens, Jazz, Klassik, Pop, Oldies und Schlager an vier Orten, mit Wein und Fingerfood. Am Sonntag, 6. September, ist eine „Venezianische Nacht“ zu erleben mit italienischem Menü und einem Streichertrio aus Venedig, das Morricone, Piazolla, Haydn sowie Love Songs und Tangos spielt.