Führung: Geschichte der ehemaligen Flörsheim-Dalsheimer Möbelfabrik Philipp Merkel im Fokus
Von Bea Witt
Gästeführerin Karin Henn (links) erläuterte den zahlreichen Teilnehmern so einiges, was sie über Flörsheim-Dalsheim und die Möbelfabrik Philipp Merkel noch nicht wussten. Foto: pa/Alessandro Balzarin
( Foto: pa/Alessandro Balzarin)
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FLÖRSHEIM-DALSHEIM - Über die Firmengeschichte der ehemaligen Möbelfabrik Philipp Merkel in Flörsheim-Dalsheim ist nur wenig bekannt. Deshalb ließ Gästeführerin Karin Henn unter dem Thema „Aufstieg und Fall einer Möbelfabrik in einem rheinhessischen Dorf“ bei einer Führung im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Rheinhessen Tag für Tag“ viele Besucher in die interessante Vergangenheit eintauchen.
Anhand von Karten und Fotografien veranschaulichte sie die Zeit vor und während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und gab mit der Erfolgsgeschichte der Möbelfabrik Philipp Merkel einen Blick in das darauf folgende Jahrhundert.
„Im 18. Jahrhundert gab es in Niederflörsheim und Dalsheim, damals zwei getrennte Orte, kaum Infrastruktur“, informierte Henn. „Und die Wege zu den angrenzenden Dörfern glichen Feldwegen.“ Allein die im Jahr 1770 erbaute Mannheimer Straße (heute B 271) zwischen Bad Kreuznach und Mannheim, wo Kurfürst Karl Theodor seine Residenz hatte, sei gut befahrbar gewesen.
„Mit der Eisenbahn und dem Bahnhof hatten sich dort 1867 Gaststätten mit florierendem Landhandel gebildet“, informierte Henn beim Start der Führung am Bahnhof. Weiter ging es über das riesige Firmengelände von Merkel, das sich bis zur historischen Fleckenmauer erstreckte.
Mit einer kleinen Schreinerei hatte Philipp Merkel bereits 1836 den Grundstock für die spätere Möbelfabrik gelegt. Seine beiden Söhne bauten die Firma weiter aus. „1865 gab es den ersten Großauftrag, das Bahnhofsgebäude mit Einrichtung auszustatten“, sagte Henn. Philipp Merkel III., der die Firma bereits mit 26 Jahren leitete, expandierte weiter. Geschaffen wurde neben dem Fabrikbau in der heutigen Philipp-Merkel-Straße und einem Sägewerk auch ein Zweigwerk in Eppelsheim. Das Holz, das um Teil aus Rumänien angeliefert wurde, transportierte man auf Schmalspurschienen vom Bahnhof in die Fabrik. Diese wurden erst Ende der 1970er Jahre aus dem Boden entfernt. „Wir haben die fertigen Möbel auch zur Verladung bis zum Bahnhof geschoben“, berichtete der Monsheimer Hans Scherner, der 1950 dort eine Lehre zum Schreiner absolviert hatte.
Henn berichtete auch vom sozialen Engagement der Firmenleitung und zeigte das Haus, in dem ein Werkkindergarten eingerichtet wurde. „Außerdem gab es die Merkelschen Volksbäder mit festgelegten Zeiten für Frauen, Männer und Kinder, in denen einmal pro Woche gebadet werden konnte.“
Neben einer Villa für die Firmenleitung (heute Sekthaus Raumland) entstanden auch Häuser für die „kaufmännischen Beamten“ und ein Wohnviertel mit kleinen Häusern für die Arbeiter. 1910 waren rund 300 Arbeiter beschäftigt.
Schwere Einbußen erlitt die Firma durch den Ersten Weltkrieg. Als 1916 Philipp Merkel III. starb, verlagerte Nachfolger Heinrich Merkel die Arbeit auf das Anfertigen von Karosserieteilen für die Firma Opel. Dann kam der Zweite Weltkrieg, in dem die Firma Heeresaufträge erhielt. Heinrich Merkel starb 1945 im Lazarett, Nachfolger Karl-Heinz Merkel war relativ glücklos. Nach wenig erfolgreichen Aufträgen für Hotelausstattung und immensen Kosten für die Kanalisierung des riesigen Firmengeländes musste das Unternehmen in den 1970er-Jahren Insolvenz anmelden.