Geriatrum in Eich: Doppelschichten und endlose Überstunden
Im Eicher Altenheim Geriatrum schiebt das Personal Doppelschichten. Wegen einer Welle von Ausfällen fehlen helfende Hände. Jetzt meldet sich auch der VG-Bürgermeister zu Wort.
Von Peter-Pascal Portz
Volontär
Das Altenheim Geriatrum in Eich: 25 von 70 Pflegern können im Moment nicht zum Dienst antreten.
(Foto: pp/Andreas Stumpf)
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EICH - Erst steht der Frühdienst an, acht Stunden, danach kommt die „Spät“, wieder acht. In den paar Minuten des fliegenden Wechsels sollten sie alle den Kittel abstreifen. Heimfahren. Ihrem Körper Ruhe gönnen, die Arbeit und die Menschen hinter sich lassen. Sie, die Pfleger im Eicher Altenheim Geriatrum, tun das aber nicht. Sie bleiben – für Doppelschichten und „endlose Überstunden“, sagt Dr. Reinhold Hölker, der Geschäftsführer. „Es sind zwei Handvoll, die hier heroisch arbeiten. Mehr, als geht. Das sind die Helden der Pflege.“ Nicht immer jedoch genügt Heldentum.
Wer will, darf helfen. Soll sogar helfen, wenn er sich im Stande sieht, den Senioren ein Tablett mit Suppe, Kartoffelbrei und Wasserglas ins Zimmer zu stellen. Dazu rief am Mittwoch sogar Maximilian Abstein, Bürgermeister der VG Eich, in einem offenen Brief auf. „In der Alterswohnstätte lebt ein Haufen Leute. Der Betrieb muss normal weiterlaufen. Leute, die Zeit haben, müssen sich melden“, appelliert Abstein. Es herrscht Notstand in den Wänden des Eicher Heims.
Im Schichtplan klaffen Lücken. In Hölkers Geriatrum fehlen arbeitende Hände, und da verrichtet eine gewissenhafte Gruppe alle mühsamen Routinen des Alltags. Essen liefern, mundgerecht portionieren, waschen, betreuen. Am 23. Dezember zog das Dilemma im Haus ein, einen Tag vor Weihnachten überraschten die ersten Positiv-Tests die Heimleitung. Todesfälle traten ein. 42 der 81 Bewohner waren nun diese Woche infiziert, Neuansteckungen gebe es nicht – heute glaubt Hölker zu wissen, wie Corona wohl ins Heim getragen wurde: Nicht getestete Angehörige hätten eine Bewohnerin getroffen. Und wenn das Virus einmal drin ist, springt es von Zimmer zu Zimmer. Was folgte: Die Pfleger mussten die Quarantäne antreten.
KONTAKT
Wer Dr. Reinhold Hölker und seinem Personal im Eicher Geriatrum helfen will und kann, soll sich telefonisch unter der Rufnummer 06246-90 46 90 melden.
Von den 70 Kräften der Sektion Pflege fielen 25 aus – mehr als die Hälfte war und ist corona-positiv getestet, andere kränkeln, die nächsten verbarrikadieren sich daheim. Aus Vorsicht. „Wir arbeiten nonstop, ohne freien Tag. Jede Hand können wir gebrauchen – selbst, wenn es nur zum Essenreichen ist“, sagt Hungsoon Hölker, sie führt das Geriatrum mit ihrem Mann. Die Summe der Ausfälle treibt die Hölkers in den Stresstest. Weniger Pfleger, gleichzeitig mehr Arbeit. Denn wegen Infektionsschutz und dramatischer Positiv-Zahlen sind die Bewohner aufs Zimmer verwiesen. Geisterstimmung im Gemeinschaftsraum. Ihnen muss nun das Essen auf Rädern gebracht werden, dreimal täglich. „Das ist Arbeit. Wenn jemand dement ist, weiß er nicht, wie er den Löffel benutzen soll“, spitzt es Hölker zu, der als Arzt für Allgemeinmedizin in Eich noch eine Praxis leitet.
Demente leben im Geriatrum einige. Hölker skizzierte unter der Woche gegenüber dieser Zeitung die „Überlebensdosis“ an Aufmerksamkeit, die älteren Menschen zustehen müsse. Als Schutz vor der Vereinsamung, als Mittel gegen eine Isolation. Trauern müsse man später, so absurd das anmute. Seit dem 23. Dezember nämlich ist sein Stab im Dauereinsatz. Hoffnung bereitet, dass die Zeit der Quarantäne abläuft: Viele müssten bald wieder den Dienst antreten. Eine Entspannung der Lage? „Wir haben diese Woche den Gipfel überschritten. Insgesamt brauchen wir aber mehr Hilfe“, hofft Hölker, wie Abstein, auf die Solidarität der Bürger. Erst dann werden viele seiner Pfleger nach acht Stunden nach Hause gehen. Und nicht erst in die Mittagspause.