Geplante Abschiebung: Schwangere Iranerin nicht reisefähig
Der Abschiebungsversuch einer schwangeren Iranerin sorgt weiterhin für Aufsehen. Ein unabhängiger Gynäkologe hat nun festgestellt, dass die zuckerkranke Frau nicht reisefähig ist.
Von Carina Schmidt
Lokalredakteurin Mainz
Die 29-jährige schwangere Iranerin und ihre Familie sollen abgeschoben werden.
(Archivfoto: Nadja Baran)
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MAINZ/INGELHEIM - Die zuckerkranke schwangere Iranerin, die mit ihrer Familie nach Kroatien abgeschoben werden sollte, ist nicht reisefähig. Das wurde nun von einem unabhängigen Gutachter festgestellt. Das Gutachten ging am Dienstagmorgen um kurz nach 7 Uhr bei der Kreisverwaltung Mainz-Bingen ein. Am späten Nachmittag wurde der Ehemann der Iranerin überraschend aus der Abschiebehaft in Ingelheim entlassen. Aus der Kreisverwaltung heißt es, dass es aktuell aufgrund des Gutachtens keinen Haftgrund mehr geben würde. Nun besteht die Hoffnung, dass die Familie vorerst in Deutschland bleiben kann. „Die Frau weint vor Glück. Das Paar liegt sich in den Armen“, sagt Christa Blum, die sich im Mainzer Flüchtlingsrat engagiert und in den vergangenen Wochen intensiv für die Familie eingesetzt hat.
Bei dem medizinischen Gutachter handelt es sich um einen renommierten Gynäkologen aus der Nähe von Ingelheim, der vorerst namentlich nicht genannt werden möchte. Im Gespräch mit der AZ macht er deutlich, dass die Nichtreisefähigkeit für die gesamte Dauer der Schwangerschaft gelte. Die 29-jährige Iranerin wurde am Montagabend von ihm im Beisein einer Kollegin untersucht. „Längere Autofahrten darf sie in ihrem Zustand nicht unternehmen“, sagt der Arzt.
Wie berichtet, wollte die Kreisverwaltung ein eigenes Gutachten erstellen lassen. Nach AZ-Informationen wurde dafür ein Gynäkologe aus dem nordrhein-westfälischen Sauerland ausgesucht. Seine Praxis befindet sich rund drei Stunden Fahrtzeit von Ingelheim entfernt. Der Termin für dieses Gutachten wäre am Dienstag gewesen. Wie Sven Brodt, der Anwalt der iranischen Familie berichtet, wurde er am Morgen kurzfristig von der Kreisverwaltung abgesagt.
Die Vorgeschichte
Wegen problematischer Zuckerwerte (Diabetes Typ 1) wurde die Iranerin im Oktober in der Mainzer Unimedizin behandelt. Mitten in der Nacht wurde sie von Polizei, Rettungskräften und Mitarbeitern der Ausländerbehörde abgeholt. Sie sollte nach Kroatien abgeschoben werden, wo sie und ihr Mann erstmals Asyl beantragt hatten. Die 29-jährige Iranerin, ihr Mann, der in Ingelheim in Abschiebehaft saß, und ihr einjähriger Sohn wurden von der Polizei zum Flughafen Hannover gefahren. Der Pilot verweigerte nach dem Widerstand der Frau die Mitnahme der Familie. Der Mann wurde von der Polizei zurück nach Ingelheim in Abschiebehaft gebracht, Mutter und Sohn mussten am Morgen den Zug nehmen. Es war der zweite gescheiterte Abschiebeversuch.
Während aus der Kreisverwaltung behauptet wird, dass die Reisefähigkeit beim Gespräch mit der behandelnden Gynäkologin in der Unimedizin nicht ausgeschlossen worden sei, sagt die Unimedizin: Die Reisefähigkeit der Frau sei nicht attestiert worden. Im Oktober gab es bereits ein ärztliches Attest, in dem bescheinigt wurde, dass die „Transportfähigkeit“ der Frau zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gegeben sei. Vor dem Verwaltungsgericht in Trier ist das Attest laut dem Anwalt der Familie jedoch als nicht ausreichend qualifiziert eingestuft worden. Vergangene Woche hatte die Ingelheimer Polizei gegen eine Person, die beim Abschiebungsversuch im Krankenhaus dabei war, Anzeige wegen „Nötigung“ erstattet. Der nächste Abschiebetermin soll der 6. Dezember sein.
Umfassenderes Gutachten wird erwartet
Bei dem ersten Schreiben am Dienstag an die Kreisverwaltung handelt es sich lediglich um ein Kurzgutachten. Laut Anwalt Brodt wird es aber noch ein umfassenderes Gutachten von dem genannten Arzt geben – dazu stehen beispielsweise noch Blutergebnisse aus. „Die Hoffnung besteht nun, dass das Bundesamt in Anbetracht der sich geänderten Situationslage von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen wird“, sagt der Ingelheimer Anwalt. Demnach würde das Asylverfahren der Familie in Deutschland abgewickelt werden.
Auf Anfrage dieser Zeitung teilt die Kreisverwaltung mit: „Mit dem nun vorliegenden Gutachten gibt es völlig neue Erkenntnisse, die bisher noch nicht vorlagen. Diese werden selbstverständlich im weiteren Verfahren gewürdigt.“ Über das weitere Vorgehen müsse nun im Rahmen des Dublin-Verfahrens das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheiden.