Freispruch für Ex-Amtsärztin der Kreisverwaltung Alzey-Worms

Weil sie neben ihrer Tätigkeit im Gesundheitsamt auch in einer Arztpraxis beschäftigt war, wurde der Ärztin Betrug vorgeworfen. Die Verteidigung sieht in dem Fall eine Hexenjagd.

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ALZEY. Im Fall der ehemaligen Amtsärztin des Gesundheitsamts der Kreisverwaltung Alzey-Worms, die neben ihrer Vollzeittätigkeit in der Behörde auch in einer Arztpraxis im Kreis Mainz-Bingen tätig war (wir berichteten), ist vor dem Alzeyer Amtsgericht nun ein Urteil gefallen: Freispruch. Der im Raum stehende Vorwurf des Betrugs aufgrund zweier Beschäftigungsverhältnisse, in dessen Folge der Kreisverwaltung ein geschätzter Schaden von 11 000 Euro entstanden sein soll, hat sich laut Gericht und Staatsanwaltschaft nicht erwiesen. Und doch – so das Gericht – ist die Angeklagte nicht unverschuldet in diese Situation geraten.

Ein kurzes Abschlussplädoyer der Staatsanwaltschaft, eine kurze Urteilsbegründung der Vorsitzenden Richterin – binnen 30 Minuten ist der zweite Prozesstag vor dem Amtsgericht beendet, das Urteil verkündet. Und noch schneller wäre es wohl gegangen, wenn Verteidiger Stephan Reimer nicht noch mal Kritik an Polizei und Staatsanwaltschaft geäußert hätte.

Was seiner Mandantin widerfahren sei, komme einer Hexenjagd gleich, so Reimer in seinem Plädoyer. Der Frankfurter Anwalt kritisiert insbesondere die Ermittlungen der Polizei, bei denen bereits Zeugen befragt wurden, bevor die Angeklagte überhaupt wusste, dass gegen sie ermittelt wird. Das nämlich, so Reimer, habe sie erst aus dem Bekanntenkreis erfahren. Und auch sonst sei laut Anwalt die Vorgehensweise der Behörden mehr als kritisch gewesen, die wirtschaftliche Existenz seiner Mandantin dadurch gefährdet worden. „Der Freispruch lag zwar auf der Hand, aber die Art und Weise war nicht okay“, sagt der Verteidiger.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte dabei ein anonymer Hinweis. Wer der Hinweisgeber war, das sei bis heute nicht geklärt, sagt die Richterin. Seitens der Verteidigung geht man von jemandem aus dem Kollegenkreis aus. Den Vorwurf der Hexenjagd weißt die Richterin allerdings deutlich zurück. Aufgrund der Ermittlungen habe man seitens des Gerichts ausreichend Anhaltspunkte dafür gesehen, das Verfahren gegen die nun Freigesprochene zu eröffnen. Für Verteidiger Stephan Reimer hingegen ist der Fall klar: Seine Mandantin stand im Zuge der damaligen Querelen innerhalb des Gesundheitsamts einfach auf der falschen Seite. Auf der der damaligen Leiterin des Gesundheitsamts.

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Die nun freigesprochene Ärztin U. nämlich hatte nach ihrer Ausbildung zum Facharzt für Anästhesie die Tätigkeit im Gesundheitsamt begonnen und mit der damaligen Leiterin des Gesundheitsamts eine Homeoffice-Regelung getroffen. Mit dem Argument, dass sie ihren Sohn betreuen müsste. Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit für das Gesundheitsamt aber, war sie auch in besagter Arztpraxis tätig, in der sie ihre Weiterbildung zur Allgemeinmedizinerin machte. Das sei, so sagt es Reimer im Anschluss an die Verhandlung, mit Wissen der damaligen Leiterin passiert, die Weiterbildung ausdrücklich erwünscht gewesen.

Aus Sicht des Gerichts und der Staatsanwaltschaft fällt der vorgeschobene Vorwand der Kinderbetreuung für die Homeoffice-Regelung zwar unter Täuschung. Allerdings könne die Angeklagte dafür nicht belangt werden, weil es keine Hinweise darauf gebe, dass U. ihr Arbeitssoll bei der Kreisverwaltung nicht erfüllt habe und deshalb der Kreisverwaltung auch kein finanzieller Schaden entstanden sei. Dass U. von der Doppelbeschäftigung finanziell profitiert habe, ist für das Gericht hingegen unstrittig. Den Profit aber, so die Richterin, habe sich die Angeklagte durch Fleiß und eben nicht durch Betrug erarbeitet.