In Spitzenzeiten am Morgen und Abend häufen sich die Probleme bei der Gepäck-Abfertigung. Wie stehen die Verantwortlichen zu längeren Landezeiten und was würden die nutzen?
FRANKFURT. Das Gepäck-Chaos am Flughafen erhitzt die Gemüter. Insbesondere in den Spitzenzeiten am frühen Morgen und späten Abend reichen die Kapazitäten zur Abfertigung nicht aus. Damit vor dem Nachtflugverbot ab 23 Uhr noch die letzten Flieger raus gehen, werden nach unbestätigten Berichten von Mitarbeitenden oft zunächst die rausgehenden Flieger beladen, bevor die bereits gelandeten Flugzeuge entladen werden. Deshalb summieren sich insbesondere in den Abendstunden die Wartezeiten am Gepäckband. Für manche Beteiligte stellt sich die Frage, ob eine befristete Lockerung des Nachtflugverbots nicht die Lage entspannen könnte? Wird die Nachtruhe zeitweise zur Disposition gestellt? Wer würde das befürworten? Was würde das überhaupt bringen?
Weiterhin massive Personalengpässe
„Je eine Flugstunde mehr in der Früh und in der Nacht brächte eine Entzerrung– nicht alle Flieger müssten gleichzeitig abgefertigt werden.“, soll das Bundesinnenministerium nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung argumentiert haben. Doch das Dementi ist deutlich: „Seitens des BMI wurde ein solcher Vorschlag nie gemacht, es läge auch nicht in unserem Aufgabenbereich“, antwortet ein Ministeriumssprecher auf Anfrage in Berlin.
„Eine Ausnahmeregelung für Abflüge nach 23.00 Uhr würde helfen, den einen oder anderen verspäteten Flug noch starten zu lassen“, berichtet eine Sprecherin der Lufthansa in Frankfurt. Fraglich sei jedoch, ob dies bei den gegenwärtigen Personalengpässen einen substanziellen Beitrag leisten würde. Das sieht Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ähnlich. „Sie können die fehlenden Arbeitskräfte, nicht dadurch ersetzen, dass sie die gleichen Arbeitskräfte, die tagsüber arbeiten, bitten, auch noch nachts länger zu arbeiten“, sagt der Minister im RTL Nachtjournal. Beim Flughafenbetreiber Fraport will man erst gar keine Diskussion in der extrem emotionalen Frage aufkommen lassen: „Das Nachtflugverbot ist Teil des Planfeststellungsbeschlusses und steht für uns nicht zur Disposition“, betont ein Unternehmenssprecher auf Anfrage in Frankfurt.
Weitere Lockerung stehen nicht zur Diskussion
Für die Überwachung der Betriebszeiten auf den Flugplätzen sind die Landesbehörden zuständig. Das Bundesverkehrsministerium ist nach eigenen Angaben bereits auf die Zuständigen zugegangen und habe sie „hinsichtlich der aktuell herausfordernden Lage informiert und sensibilisiert“.
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In Ausnahmefällen seien Ausnahmegenehmigungen vom Nachtflugverbot möglich. Dabei müssten „die Auswirkungen auf die betroffenen Passagiere im Verhältnis zur Wahrung der Nachtruhe der Anwohner“ gewürdigt werden. Das Ministerium vertraue auf die Landesbehörden.
Der Frankfurter Flughafen hat die meisten Flugbewegungen in Deutschland. „Das Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr ist der Ausgleich für diese hohe Belastung und ein Kompromiss zwischen den Interessen der Luftverkehrswirtschaft und den betroffenen Bürgern“, betont der zuständige hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) in Wiesbaden. Bereits jetzt gebe es die Möglichkeit, bei Verzögerungen, die nicht durch die Fluggesellschaften selbst verursacht wurden – was auch Verzögerungen bei der Abfertigung beinhalten könne – Ausnahmegenehmigungen für Starts zwischen 23 und 0 Uhr zu beantragen. „Aber danach ist Schluss, eine weitere Lockerung der Beschränkungen steht nicht zur Diskussion.“
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Eine Änderung beziehungsweise befristete Neuregelung der Nachtflugregelungen für den Frankfurter Flughafen sei nur in einem formalen, nicht kurzfristig durchführbaren Änderungsverfahren des Planfeststellungsbeschlusses beziehungsweise der Betriebsgenehmigung durch das hessische Ministerium möglich, heißt es. Das würde aber sowohl verfahrensrechtlichen Regeln als auch den bestehenden bundesgesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Nachtruhe unterliegen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wäre zu beachten. Selbst wenn man ein solches Verfahren durchlaufen würde, müssten wieder Betriebsbeschränkungen erlassen werden.
Gepäck-Chaos ebenfalls ein Problem
Die Kontrolle der Nachtflugbeschränkungen erfolgt durch die Luftaufsicht sowie durch die Fluglärmschutzbeauftragte im hessischen Verkehrsministerium. Beide Stellen werten laut Ministerium Verspätungen und Verspätungsgründe regelmäßig systematisch aus. Sobald eine Häufung erkennbar werde, würden die Airlines bei besonders verspätungsanfälligen Verbindungen aufgefordert, die Ursachen für jeden verspäteten Flug darzulegen und Maßnahmen zu ergreifen, um die Verspätungen abzustellen. Piloten würden bei besonders auffälligen Flügen zudem noch im Cockpit nach den Gründen befragt.
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Marius Weiß, flughafenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, wünscht sich unterdessen mehr Engagement des hessischen Verkehrsministers bei der Bewältigung des Gepäck-Chaos am Flughafen. Die Situation sei nicht nur für die Reisenden und die Wirtschaft extrem ärgerlich, sondern auch für die Anlieger. Denn die deutliche Steigerung der Landungen zwischen 23.00 und 24.00 Uhr in den vergangenen Monaten sei zum Teil auch auf die angespannte Personalsituation in der Luftverkehrswirtschaft zurückzuführen.